Burnout durch Gemeindearbeit?
Elternfrage: „Mein Sohn reibt sich in der Gemeinde auf und vernachlässigt die anderen Aufgaben im Beruf und Privaten. Einerseits freue ich mich ja über sein christliches Engagement. Andererseits sorge ich mich aber darum, dass ihn diese Aufgaben ‚auffressen‘. Sollte ich mich einmischen und ihn stoppen?“
Einsatzbereite junge Menschen sind zu beneiden. Wer sich einbringt, erlebt so viel Persönlichkeitsprägung durch Teamerfahrungen, Niederlagen und positive Rückmeldungen zu den eigenen Fähigkeiten. Eine echte Wow-Zeit für Menschen zwischen 16 und 26 Jahren. Ein Ingwer-Shot für das Selbstbewusstsein.
Ermutigung statt Abwertung
Genau dieser Aspekt könnte ein guter Ansatzpunkt für eine Rückmeldung an Ihren Sohn sein: „Was denkst du, lernst du gerade am meisten?“ Diese offene und ermutigende Atmosphäre ist kein Trick, sondern eine wirklich wichtige Grundlage für ein Gespräch. Die Phase der Jugend ist für jeden hoch verletzlich: Was denken andere über mich? Bekomme ich die neuen Anforderungen des Erwachsenwerdens und Erwachsenseins hin, oder scheitere ich? Aus der Perspektive des lebenserfahrenen Erwachsenen ist es nötig, diese Verwundbarkeit mitzudenken. Egal, wie taff und erfahren Ihr Sohn sich gibt. Erst dann ist es denkbar, zu hören, welche Bereiche aus Sicht Ihres Sohnes nicht reibungslos laufen. Erstaunlicherweise sind dort oft wenig deckungsgleiche Beobachtungen.
Eltern haben oft andere Prioritäten als junge Menschen. Der sonntägliche Spaziergang, ein Ritual seit zehn Jahren, wird abgesagt oder Omas Geburtstag vergessen. Mit den Terminen der Gemeinde passiert dem Sohn das vielleicht nicht. Eine persönlich formulierte Beobachtung verträgt ein junger Mensch dabei sicher besser als ein „Ich finde, du solltest …“. Je nach Blickwinkel kann es sogar sein, dass ein Verhalten von Eltern als nachlässig und überfordert bewertet wird. Dabei ist es „nur“ ein Hinweis auf die unterschiedlichen Lebensphasen.
Gemeindearbeit als Flucht?
Vielleicht empfindet ihr Sohn dieses Aufreiben nicht, noch nicht. Vielleicht ist er dankbar für einen Blick von Ihnen auf die Situation. Wenn die Gemeindearbeit aber eine Flucht in einen Bereich ist, der mehr Anerkennung ermöglicht, kann eine Frage der Eltern helfen, herauszufinden, wo sich Probleme zum Beispiel im Beruf abzeichnen. Die Frage „Gibt es etwas, wo ich dich unterstützen kann?“, zeigt eine Haltung, die dem Heranwachsenden seine Handlungsfähigkeit lässt. Die Führung des Ausbildungsberichtheftes oder der Besuch der Lerngruppe wird nur gelingen, wenn Ihr Sohn sich selbst dafür entscheidet. Dabei können Absprachen für einen Rückenwind, zum Beispiel durch eine wöchentliche Erinnerung, denkbar sein.
Und: Freuen Sie sich ehrlich an Ihrem engagierten Sohn. Das wird er spüren und sich dann viel eher einen Tipp zu seiner Lebensgestaltung einholen.
Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern.