Den Alltagsmüll entsorgen

Was eine Müll-Garage über Familien-Herausforderungen lehrt. Von Stefanie Diekmann

Bei unserer Nachbarschaft stößt unsere Idee, die gelben Müllsäcke vor der Garage zu sammeln, auf Protest. Zu Recht, wie wir als Familie zähneknirschend zugeben. Eine Lösung für die Ratten anziehenden Müllberge muss her und ist fix gefunden: eine Mülltonnen-Garage. Fein.

Während ich noch nach dem hübschesten Ding im Internet suche, drängt sich mir ein Vergleich auf. Wie müde bin ich in den letzten Tagen geworden, meinen inneren Müll zu entsorgen. Schon längst haben unsere Familien-Müllberge Ungeziefer wie Mecker-Ratten, Sorgen-Maden und Ignoranz-Motten angezogen.

Die ersten Wellen der familiären Herausforderungen durch die Pandemie haben wir gut und sogar kreativ gemeistert: Puzzeln, Spielen und Basteln mündeten in Aussortieren und Renovieren. Zur Ruhe kommen war genauso angesagt bei uns und anderen Familien wie ein Serien-Marathon mit Tee und Wolldecke.

Bis die Müllgarage geliefert wird, sammeln wir unsere Müllsäcke im Flur, um die Nachbarschaftnicht weiter  zu verärgern. Endlich wird die Müllgarage zugestellt und ich habe fast Tränen in den Augen. Tränen wegen einer Müllgarage! So weit ist es schon mit mir gekommen. Das gute Stück besteht aus gefühlt 1 Milliarde Schrauben und Einzelteilen und darf „mit wenigen Handgriffen“ eigenständig zusammengebaut werden. Draußen friert es, und so wird in unserem Wohnzimmer ein Riesenpuzzle ausgebreitet. Und liegen gelassen. Keiner versteht die Anleitung und hat genug Biss, sich da reinzuknien.

Ich sehe auf den Haufen und kann dabei auch unseren Familien-Bausatz für diese Tage sehen. Wie bekommen wir unsere im Raum hängende Erschöpfung in den Griff? Unser Miteinander ist so schnell genervt von unterschiedlichen Schlafens- und Essenswünschen, dem Drang nach Bewegung und Ruhe. Und die einfachen Anleitungen aus den Talkshows und Radiosendungen sind unverständlich. Wir sollen auf uns achten? Noch mehr? Immer noch? Wie denn, wenn ein dünnes Nervenkostüm verletzende Worte und lieblose Taten fördert.

Irgendwann sehnen wir uns nach unserer Couch ohne Schrauben und mit vielen beherzten Seufzern entsteht eine beachtliche Müllgarage. Wir brauchen dabei Pausen und Beratungen, das Drehen und Wenden der Anleitung.

Das Geheimnis für mein Heute als Mutter ist kein Geheimnis: Es ist das Anfangen gegen den inneren Widerstand. Das Durchatmen, das Beendens des Meckerns und Bewertens. Themen, die ich wie Anleitungen zum Gelingen schon oft als Begleiterin von Kindern gehört habe. Ich brauche dabei Pausen und einen kleinen Impuls aus einem guten Buch oder ein Lied über Gottes Wesen, um mein Ziel zu erreichen: Den Alltagsmüll zu entsorgen und meine wundervolle Familie neu sehen zu können.

Nun steht sie. Fest und sogar hübsch ist unser Müll-Dings. Niemand, der sie so sieht, könnte ahnen, dass sie uns so zum Kampf aufgefordert hat.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen.