Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Der Tochter die BRAVO verbieten?

„Unsere Tochter (12) kauft sich die BRAVO. Was in dieser Zeitschrift steht, ist unserer Meinung nach nichts für sie: Es geht nur um Promis, Schönheitsideale und Sex. Uns ist klar, dass Verbieten sinnlos ist, aber wie sollen wir damit umgehen?“

Seit inzwischen 60 Jahren macht die BRAVO Jugendliche neugierig und empört Eltern. Sie ist up-to-date und trendy, aufgeklärt und schamlos. Zwischen den digitalen Medien wie YouTube, Instagram und TicToc muss sie sich behaupten und erreicht vor allem so genannte Preteens, die sich noch nicht frei im Internet bewegen. Für manche Mädchen kann sie ein wichtiges Mittel sein, um mit Klassenkameradinnen ins Gespräch zu kommen. Jede möchte dazugehören und keine will diejenige sein, die keine Ahnung hat.

Ich persönlich finde die BRAVO auch nicht bravo. Wenn ich beim Kieferorthopäden auf meine Kinder warte, blättere ich manchmal darin. Die meistens Bands kenne ich nicht, YouTuber sowieso nicht und die schrille Grafik überfordert mich. Die Nacktfotos sind nicht ästhetisch und erinnern mich eher an ein medizinisches Journal. Das Doktor-Sommer-Team beantwortet Fragen zur körperlichen und seelischen Entwicklung, manche Teens wird es amüsieren, andere verwirren oder nicht interessieren. Was ich gut finde: Bei all den Ratschlägen rund um Schönheit und Sexualität betonen die Autoren mit Sätzen wie „Sage nein“, „Bleib dir treu“ oder „Lass dir Zeit“, dass man sich zu nichts überreden lassen darf.

SPRECHEN SIE OFFEN ÜBER IHRE BEDENKEN!

Sie dürfen Ihrer Tochter sagen, dass Sie die Zeitschrift nicht gut finden, dass vieles überzogen und unrealistisch ist. Ermutigen Sie sie, auf ihr Schamgefühl zu achten. Es ist ihr Kompass, um zu wissen, ob sie sich schon mit den gezeigten Themen auseinandersetzen möchte. Es ist in Ordnung, wenn man ein Unbehagen bei Nacktbildern fühlt oder wenn es peinlich ist, dass über Masturbation geschrieben wird oder dass man sich unvollkommen zwischen den Influencern fühlt. Helfen Sie Ihrer Tochter, diese Empfindungen zu orten. Achten Sie auf einen Moment, wo Sie das unbefangen ansprechen können. Vielleicht findet eine andere Bezugsperson einen besseren Zugang zu Ihrem Kind – zum Beispiel die große Schwester, die Jugendleiterin oder die Patentante?

Sie können Ihrer Tochter nicht verbieten, die Zeitschrift zu lesen, denn ein Verbot zerstört die Atmosphäre, die solch sensible Themen brauchen. Viel mehr Einfluss als die BRAVO hat das echte Leben. Wie kommentieren Väter, Onkel und Brüder das Verhalten oder Aussehen von jungen Frauen? Schaut man als Familie GNTM und lästert ab? Gibt es ein wertschätzendes Miteinander in der Familie? Als die Kinder klein waren, haben wir ihnen vermittelt, wie wertvoll und geliebt sie sind. Nun heißt es, den Töchtern zu vertrauen, dass sie mit Neugier, Schamgefühlen und dem Bedürfnis nach Anerkennung umgehen können.

Susanne Ospelkaus ist Ergotherapeutin. Sie lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München und bloggt unter www.susanne-ospelkaus.com
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com