Vorlesen ist ein häufiges Abendritual. Symbolbild: Getty Images / fotostorm / Getty Images E+

Einschlafprobleme überwinden – Das sollten Eltern wissen

Eines der größten Probleme von Kleinkindern ist das Einschlafen. Warum das oft schwierig ist und was Eltern tun können erklärt Kinder- und Jugendtherapeutin Melanie Schüer.

Schlaf, Kindlein, Schlaf … wenn das Einschlafen doch so einfach wäre: Man singt ein oder zwei Lieder, streichelt dem kleinen Schatz noch kurz den Rücken und dann schlummert der Nachwuchs seelenruhig und friedlich ein.

Die Realität sieht für viele Eltern von Kleinkindern leider oft ganz anders aus: Das Kind will nicht ins Bett, womöglich schon nicht die Zähne putzen, muss noch etwas trinken, hat Bauchweh und überhaupt noch so unfassbar viele Gründe, warum es einfach noch nicht schlafen kann! Dabei wollen wir als Eltern doch einfach auch irgendwann mal Feierabend haben – das Wohnzimmer für uns, ein Stündchen „Erwachsenenzeit“, in der wir mal nicht versorgen, begleiten und beruhigen müssen.

Einschlafen ist eine Form von Loslassen

Ein Aspekt, der vielen Kindern, aber auch Erwachsenen, das Einschlafen erschwert: Einschlafen geht nur, wenn wir ein Stück weit loslassen können. Einschlafen bedeutet, dass man all das am Tag Erlebte – das Schöne wie das Stressige – nun „gut sein lässt“. Man trennt sich von den Gedanken, Plänen, Eindrücken und Fragen des Tages und lässt sich von der Welt des Denkens und Handelns in die Welt des Fühlens und Seins gleiten. Man gibt ein wenig die Kontrolle ab und lässt auch die lieben Menschen zumindest kurzzeitig los. Denn im Schlaf können wir nicht mit ihnen sprechen und nehmen ihre Gegenwart nicht mehr bewusst wahr.

Wir verabschieden uns also vom Tun und der Geschäftigkeit und auch für eine Weile von unseren vertrauten Menschen – und das fällt besonders Kleinkindern oft gar nicht leicht. Sie fangen gerade an, ihre Welt zu entdecken, lernen ständig Neues dazu und sind voller Tatendrang. Das macht Spaß und ist so spannend, dass es schwierig sein kann, abzuschalten. Und zugleich sind die Kleinen noch völlig abhängig von ihren Bezugspersonen, sodass ihnen die Trennung von ihnen das Gefühl von Verunsicherung und Unruhe bereiten kann.

Durch Nähe zur Ruhe kommen

Gerade weil Kleinkinder so abhängig sind von ihren Bezugspersonen, brauchen sie die Begleitung von diesen, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Kuscheln, vorher noch gemeinsam ein Buch lesen, ein altersgerechtes Gebet, in dem man für das Gute dieses Tages dankt und auch das Schwere und Belastende in Gottes Hände legt … all das hilft, den Tag gut abzuschließen. Auch beruhigende Musik ist oft hilfreich als Teil des Abendrituals. Manchen Kindern helfen auch Hörbücher – hier sollte man aber nicht zu spannende Handlungen wählen! Empfehlenswert für Kleinkinder ist z.B. „Die Geschichte vom kleinen Elefanten, der so gern einschlafen möchte“.

Insgesamt ist Körpernähe und die liebevolle Präsenz von zugewandten, geduldigen Eltern eine wichtige Grundlage für ein gutes Einschlafen. Daher, liebe Eltern: Sorgt auch gut für euch, wenn ihr euer Kind ins Bett bringt! Wenn ihr wisst, dass es länger dauern kann, bis euer Kind abschalten kann: Macht es euch bequem im Kinderzimmer und vielleicht hilft auch ein Hörbuch oder angenehme Musik per Kopfhörer, um die Zeit für euch angenehm zu gestalten. Kinder spüren, wenn ihre Eltern unruhig darauf warten, wann sie endlich schlafen – und werden dann oft von dieser Unruhe angesteckt.

Dunkelheit, Düfte, Durchhalten

Zu viel Licht verhindert die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Deshalb sollten Kinder etwa eine, besser zwei Stunden vor dem Schlafengehen nicht mehr auf Bildschirme starren. Etwa 30-45 Minuten vor dem Schlafengehen sollte das Licht möglichst gedämmt werden. Ein Nachtlicht sollte entweder ganz weggelassen oder durch ein rötliches ersetzt werden – das stört die Produktion von Schlafhormonen am wenigsten.

Ab dem Alter von drei Jahren kann man auch ätherische Öle wie Lavendel oder Zirbenholz (z.B. 1-2 Tropfen auf einem Stück Holz) in der Nähe des Kinderbettes nutzen.

Dass Säuglinge beim Füttern, Kuscheln oder Spazierenfahren einschlafen, ist völlig normal. Ab einem Alter von 3-4 Monaten ist es allerdings empfehlenswert, mit dem Kind nach und nach etwas mehr Eigenständigkeit beim Einschlafen einzuüben. Das bedeutet nicht, dass man das Kind wecken sollte, wenn es auf dem Arm eingeschlafen ist. Doch wenn das Kind noch nicht fest schlummert, ist es ratsam, die elterliche Einschlafhilfe in kleinen Schritten sanft zu reduzieren.

Wenn ein Kind auch mit drei Jahren nur in den Schlaf finden kann, wenn Mama oder Papa direkt neben ihm liegen, kann das dazu führen, dass es genau diese Begleitung auch nachts erwartet, wenn es aus dem Leichtschlaf aufwacht – und nicht in der Lage ist, sich nachts selbst zu regulieren. Die Eltern „schleichen“ sich heimlich heraus, wenn das Kind schläft – und dieses wacht irgendwann erschrocken auf und merkt: „Mama/Papa ist ja gar nicht mehr da! So kann ich doch nicht schlafen!“

Grundsätzlich gilt beim Schlafenlernen die Devise „Durchhalten“, denn Gewohnheiten bilden sich erst nach einiger Zeit und Rückfälle durch Stressfaktoren wie Entwicklungsschübe, Zahnen, Infekte, einen Umzug o.ä. sind normal!

Schritt für Schritt zum Ziel

Von Einschlafprogrammen, die sehr rabiat vorgehen und beinhalten, dass Kinder längere Zeit allein im Bett weinen müssen, ist eher abzuraten. Denn diese können der Eltern-Kind-Beziehung schaden und langfristig dazu führen, dass das Kind Einschlafen mit Angst und Unbehagen verbindet. Viel besser ist es, schrittweise und behutsam vorzugehen, beispielsweise wie in diesem Fall:

Tom, 3 Jahre alt, kann nur einschlafen, wenn seine Eltern ihn umhertragen. Wenn er dann endlich im Land der Träume angekommen ist, legen sie ihn ganz vorsichtig ab und verlassen auf Zehenspitzen das Zimmer. Spätestens nach 2 Stunden, oft deutlich früher, weint Tom dann und sie müssen ihn erneut tragen, was sich in der Nacht dann mehrfach wiederholt.

Ein schrittweises, sanftes Vorgehen könnte so aussehen:

Bei jedem Schritt findet vorher ein liebevolles Abendritual statt – z.B. mit Geschichte, Gebet, Kuscheln oder Massage.

So klappt das Einschlafen

Schritt 1: Die Eltern tragen Tom wie gewohnt umher – aber nur, bis er ruhig und entspannt ist. Das eigentliche Einschlafen findet auf dem Arm, aber im Sitzen statt (erste Reduktion: die Bewegung wird ausgeschlichen).

Schritt 2: Sobald es 2-3 Abende ohne Bewegung (oder höchstens kurzes Tragen zum Entspannen, 2-3 Minuten) klappt, setzen sich die Eltern direkt mit Tom auf dem Arm hin und kuscheln mit ihm. Auch hier warten sie auf den Zeitpunkt, wenn Toms Augen langsam zufallen und er kurz davor ist, in den Schlaf zu sinken: Dann legen sie ihn sanft in sein Bettchen und bleiben noch nah bei ihm, um ihn zu streicheln bzw. eine Hand an seinem Körper zu lassen (zweite Reduktion: Einschlafen im Bettchen statt auf dem Arm).

Schritt 3: Auch hier lassen die Eltern der neuen Gewohnheit 2-3 Abende Zeit, sich zu festigen. Dann legen sie ihn schon etwas früher in sein Bettchen und streicheln ihn nur noch, bis er kurz vor dem Einschlafen ist. An diesem Punkt ziehen sie sich etwas zurück und sitzen nur noch neben dem Bett, ggf. mit leisem Singen oder Summen (dritte Reduktion: Einschlafen ohne Körperkontakt).

Der Stuhl neben dem Bett kann dann nach und nach weiter weggerückt werden. Wenn das Kind sich nicht beruhigen lässt, ist es ratsam, noch einmal Nähe und Sicherheit zu vermitteln, bis das Kind wieder entspannter ist und dann einen neuen Versuch zu starten. Anfangs sind oft viele Wiederholungen dieses Beruhigens und erneut Versuchens nötig – aber steter Tropfen höhlt den Stein.

Beratung suchen – online und vor Ort

Vielerorts gibt es Beratungsstellen mit Fachkräften, die sich mit dem Thema Kinderschlaf gut auskennen, oft in Erziehungsberatungsstellen (Adressen findet man unter dajeb.de). Manche Themen lassen sich auch online gut besprechen, z.B. in der kostenlosen Onlineberatung des Portals „ElternLeben“ (elternleben.de).

Melanie Schüer Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Autorin. Zudem berät sie Eltern von Babys und Kindern mit Schrei- und Schlafproblemen.