5 Tipps: So überlebt die Beziehung in der Kleinkindphase
Die Kleinkindphase ist eine Herausforderung für die Beziehung der Eltern. Familienberaterin Isabelle Bartels erklärt, wie die Partnerschaft trotzdem aufblühen kann.
„Mir wächst hier alles über den Kopf und ich wäre froh, einfach mal wieder eine Nacht durchzuschlafen. Wo bleibt da noch Zeit für die Beziehung?“ Das höre ich oft von jungen Eltern. Und ganz ehrlich: Ich kann das gut verstehen! Denn diese Zeit ist extrem herausfordernd.
Meinem Mann und mir ging es während unserer Familiengründungsphase immer wieder genauso. Und gleichzeitig haben wir uns gefragt, wie wir als Paar in Verbindung bleiben können – auch im Alltag mit Kleinkindern. Denn wir wollten unsere Beziehung nicht dem Zufall überlassen und es auch nicht glauben, dass es vorbei ist mit Zweisamkeit und Nähe, wenn die Kinder klein sind. Doch wie genau können wir Einfluss nehmen auf die Resilienz unserer Partnerschaft? Was hält sie lebendig, wenn wir Eltern werden und als Paar wenig Exklusivzeit haben? Aus meiner eigenen Lebenserfahrung und als Ergebnis meiner Beratungen sind es vor allem fünf Bausteine, die wir als Paar kultivieren dürfen, um unserer Beziehung weiterhin Raum zur Entfaltung geben zu können.
1. Annehmen, was ist
Letztens bei uns: Wir hatten uns seit Tagen auf einen Restaurantbesuch zu zweit gefreut – und eine Stunde vorher sagt uns das Kindermädchen ab. Puh! Die Vorfreude weicht der Enttäuschung und dem Frust. Statt gemütlich essen zu gehen nun das normale Ich-will-nicht-schlafen-gehen-Programm mit den Kindern. Ich merke: Ich habe keine Lust! Früher habe ich mir Gedanken wie „Ich habe gerade keine Lust auf meine Kinder!“ nicht erlaubt. Doch dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Annahme von allem, was ist, die Grundlage ist, um überhaupt wieder heraus aus dem Opfermodus in die Handlungsfähigkeit zu kommen.
Was bedeutet das konkret für die Situation? Solange ich glaube, ich müsse immer Lust auf meine Kinder haben, komme ich nicht weiter. Ich bin weiterhin genervt, habe ein schlechtes Gewissen und bin unzufrieden mit mir, weil ich es nicht schaffe, dankbarer zu sein. Hier hilft die Annahme aller Anteile in mir mit ihren widerstreitenden Gefühlen. Ich gestehe mir ein, dass ich manchmal am liebsten meinen Mann für mich allein hätte und so nicht meinem Bild eines perfekten Elternteils entspreche. Und plötzlich wird mir klar, dass ich nicht falsch bin, sondern dass meine Gefühle einfach menschlich und ein Ausdruck für meinen Wunsch nach mehr Zweisamkeit und Selbstbestimmung sind. Ich komme raus aus dem inneren Kampf und kann stattdessen nach Lösungen für die veränderte Situation suchen.
Als Paar könnt ihr euch gegenseitig helfen, den täglichen Kampf zu erkennen, und euch liebevoll aus den Gedankenschleifen herausholen. Dazu reichen oft ein einfaches „Stopp“ und eine Umarmung. Macht es euch immer wieder leicht und entscheidet euch bewusst dafür, nicht irgendeinem Ideal zu entsprechen. Und wenn es die Situation erfordert, wiederholt ihr das alle fünf Minuten.
2. Selbstfürsorge – Raum für mich und meine Interessen
Den Kindern geht es nur so gut, wie es den Eltern als Paar miteinander geht. Der Beziehung als Paar wiederum geht es nur so gut, wie es jedem Einzelnen geht. Das sind zwei meiner Lieblingsgrundsätze für beziehungsstarkes Familienleben. Doch es ist oft ein riesiger Schritt, sich diesen Raum für sich selbst zu erlauben und ihn wirklich einzunehmen.
Deshalb ist der erste Schritt immer: die Selbsterlaubnis. Erlaube dir, Raum und Zeit mit dir selbst zu genießen und dich zu fragen: Was brauche ich? Wie kann ich mir selbst Gutes tun, um dann wieder die Mutter oder der Vater, die Partnerin oder der Partner zu sein, die oder der ich sein möchte?
Der zweite Schritt ist hier die klare Kommunikation: Rede mit deinem Partner darüber. Formuliere deinen Wunsch klar und spreche mit ihm darüber, dass du dir mehr Raum für dich nehmen willst.
Als wir angefangen haben, Räume für uns selbst in unseren Alltag einzubauen, kamen oft Bedenken von einem von uns wie: „Unsere tägliche To-do-Liste ist jetzt schon nicht zu schaffen, wie soll ich da noch Zeit für mich einbauen?“
Uns ist klar geworden: Ohne Selbstfürsorge geht es nicht. Mir hilft da immer das Bild aus dem wunderbaren Gedicht von Bernhard von Clairvaux: Die Schale der Liebe. Nur, wenn wir so gefüllt sind, dass wir überfließen wie eine Schale voller Wasser, können wir unsere Liebe und unsere Kraft weitergeben. Da sind wir wieder beim Thema Erlaubnis: Erlaube dir, deine Schale aufzufüllen. Hierzu reichen manchmal schon ein paar Minuten täglich.
Der dritte Schritt ist: Umsetzung! Schnappt euch den Kalender und tragt euch Alleinzeiten ein. Und plötzlich merkst du, dass der Alltag leichter wird, wenn du lernst, gut für dich selbst zu sorgen! Du erlebst dich viel gelassener mit den Kindern. Und die lange To-do-Liste kannst du ebenfalls besser annehmen, weil du spürst, dass du immer genug Kraft haben wirst, um alle Herausforderungen des Alltags zu bestehen.
3. Zeit für Beziehung – kleine Oasen im Alltag schaffen
Es ist wichtig für die Beziehung als Paar, dass auch sie Raum hat, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Die Frage ist also nicht, ob wir Zeit zu zweit haben, sondern wie. Deshalb habe ich mir im Folgenden Fragen überlegt, die helfen können, auch in der Kleinkindphase Paarzeiten zu etablieren:
- Wie können wir ohne Druck und so, dass es sich für uns leicht und entspannt anfühlt, Zeiten für kleine Paar-Oasen im Alltag freihalten?
- Was dient uns jetzt gerade mehr auf unserem Weg – viel Paarzeit? Oder lieber mehr Zeit allein?
- Welche Aufgaben können wir auch anderen Menschen übergeben, sodass dadurch neue Freiräume für uns entstehen?
Und hier kommen noch drei Ideen für Mikro-Oasen! Schnell und einfach umgesetzt – Babysitter wird nicht benötigt!
- Stellt den Wecker auf 5 Uhr morgens. Zieht eure Kleidung aus und kuschelt Haut an Haut. Spürt die Verbindung! Da muss gar kein Sex heraus entstehen – sondern es geht erst einmal darum, in Verbindung zu sein. In dieser Atmosphäre können auch die schönsten Gespräche entstehen. Probiert’s mal aus! PS: Der Jüngste wird auch in aller Frühe wach? Na, dann kuschelt er halt mit. Was für eine schöne Erinnerung ans Wochenbett, als ihr auch Haut an Haut mit ihm gekuschelt habt!
- Ihr arbeitet im Home-Office? Macht ein Mittagessen für die Hand und verbringt die Mittagspause draußen! Nehmt euer Kind in die Trage und macht einen Spaziergang. Redet nicht über organisatorisches Kleinklein, sondern fragt bewusst und interessiert: „Wie geht es dir gerade?“
- Nehmt euch einen späten Nachmittag Zeit für ein Familienpicknick: im Sommer im Garten oder im Park, im Winter am gemütlichsten Ort in der Wohnung. Dann setzt ihr euch allesamt auf den Boden und esst gemeinsam. In dieser entspannten Atmosphäre schwärmen die Kinder meistens nach dem Essen zum Spielen aus oder kuscheln sich einfach an, sodass ihr entspannt reden könnt.
4. Streiten & vergeben
Wie fühlen sich Konflikte für euch an? Wie seid ihr geprägt? Und wie freigiebig seid ihr beim Thema Vergebung? Die Antwort auf diese Fragen beeinflusst maßgeblich eure aktuelle Konfliktkultur. Kaum ein Paar streitet gern. Doch die gute Nachricht lautet: Konflikte gehören dazu! Und wir können lernen, sie zu lösen. Mein Mann und ich sind das beste Beispiel. Am Anfang unserer Beziehung dachten wir, wir würden niemals konstruktiv streiten lernen. Während ich alles ausdiskutieren musste, wollte er als Harmonietyp so schnell wie möglich raus aus dem Konfliktgespräch. Bevor eine Lösung für den akuten Konflikt in Sicht war, haben wir uns schon darüber gestritten, wie wir streiten.
Mittlerweile schaffen wir es zu 90 Prozent, unsere Konflikte zu lösen. Und wenn wir das können, könnt ihr das auch. Ich kann jetzt aus ganzem Herzen sagen: Konflikte sind wichtig und sind Chancen, um zu wachsen! Konflikte eskalieren häufig dann, wenn ein Anteil in uns durch die aktuelle Situation an eine schmerzhafte Erfahrung aus der Vergangenheit erinnert wird. Wenn wir bereit sind, unsere eigenen alten Verletzungen anzuschauen, werden Konflikte konstruktiv. Es ist ein toller Erfolg, wenn du in einem Konflikt selbst erkennst, dass du gerade in einen alten Schmerz gerutscht bist. Die Basis für einen solchen Moment sind die Bausteine 1 und 2: Annehmen, dass dieser Schmerz gerade da ist, und so gut wie möglich für dich sorgen.
Der nächste Schritt ist erst dran, wenn die hochgekochten Gemüter sich wieder beruhigt haben. Vergib deinem Partner oder deiner Partnerin freigiebig und vor allem auch dir selbst. Für mich als Christin hilft die Gewissheit, dass Gott mir vergibt. Immer wieder. Er liebt mich und nimmt mich an. Also lasst uns täglich sagen und signalisieren: „Ich vergebe dir.“
5. Gemeinsam träumen
Dieser Baustein hat unglaublich viel Potenzial, den Alltag zu durchbrechen und über das Chaos hinweg Verbindung zu schaffen. Fragt euch regelmäßig: Was ist unsere gemeinsame Perspektive? Was ist noch alles möglich hinter dem Tellerrand des Alltags? Worauf leben wir gemeinsam hin? Es lohnt sich, die Paar-Oasenzeiten zum gemeinsamen Träumen zu nutzen und auch mal einen Träumertag einzulegen! Das heißt, dass ihr beide euch einen Tag Zeit nehmt und gemeinsam so viel wie möglich von euren „Wie schön wäre es, wenn wir …“-Ideen da hineinpackt. Die Energie, die ihr daraus mitnehmt, wird euch durch die nächste Durststrecke tragen und euch inspirieren, viel öfter zu fragen: Was tut uns in unserem Alltag gut? Wie wollen wir eigentlich leben? Und wovon können wir jetzt sofort noch mehr in unseren Alltag bringen?
Ja, es gibt immer wieder diese Phasen, in denen wir das Gefühl haben, dass alles über uns hereinbricht und wir nur noch reagieren können. Doch wir haben immer die Möglichkeit, als Individuen und als Paar gemeinsam zu entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen. Ich wünsche euch viel Kreativität und gute Ideen, die genau zu euch und eurem Alltag passen.
Isabelle Bartels ist Pädagogin und familylab-Familienberaterin, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ostwestfalen und bloggt unter isabellebartels.com.
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