Wenn das Bett zu voll wird, gehen viele Familien auf "Wanderschaft". Symbolbild: Getty Images / BraunS

Getrennte Schlafzimmer – Warum sie die Beziehung retten können!

Wenn das Bett zu voll wird schlafen viele junge Paare in getrennten Betten, um die Nachtruhe zu retten. Aber es gibt noch mehr Gründe, warum Familien zu „Schlafnomaden“ werden.

Laut einer Umfrage 2019 in Großbritannien schlafen 40 Prozent der britischen Paare getrennt. In Deutschland könnten die Zahlen ähnlich sein. Aufgrund von Vorurteilen ist das Thema häufig tabu.

Doch schon genetische Unterschiede zwischen Frauen und Männern bedingen unterschiedliche Schlafbedürfnisse. Laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin leiden Frauen etwa 1,5-mal häufiger unter Schlafstörungen als Männer. „Frauen haben vor allem ab der Geburt von Kindern eher den leichten ‚Ammenschlaf‘, bei dem man alles hört. Deshalb sehen sie getrenntes Schlafen oft als Chance für (wieder) guten und erholsamen Schlaf, die Männer sehen es als Vorwand für eine Trennung“, sagt Schlafexpertin Christine Lenz.

Freiwillige Schlafscheidung

Vor allem für Familien mit (Still-)Babys und jüngeren Kindern, die nachts oft aufwachen, kann getrenntes Schlafen zumindest zeitweise praktisch sein. So erleben es zum Beispiel Marie und Viktor: „Seit der Geburt unserer Tochter (1,5 Jahre) schlafen wir immer mal wieder phasenweise getrennt. Vor allem in Schreiphasen aufgrund der Zähne oder wenn sie krank ist. Mein Mann schläft dann in seinem Büro und ich bleibe im Ehebett mit dem Kind, da nur ich stillen kann. Wir sind so nicht beide nach der Nacht völlig kaputt, mein Mann ist fit für den Arbeitsalltag und ich kann mich mittags notfalls mit hinlegen“, berichtet die Mutter.

Auch Michèle und David empfinden getrenntes Schlafen für sich und ihre drei Kinder manchmal als praktisch. „Mit dem Abstillen zogen die Kinder von unserem Schlafzimmer ins Wohnzimmer und Kinderzimmer um. Wir gehen jeden Abend als Paar gemeinsam schlafen. Unsere Kinder wachen noch mehrmals pro Nacht auf. In der Regel schläft beim wiederholten Ins-Bett-Bringen der Kinder jemand in deren Zimmer ein. Daher ist morgens noch höchstens eine Person im Schlafzimmer. Wir haben bewusst Kinderbetten angeschafft, in denen auch ein zusätzlicher Erwachsener bequem schlafen kann. Für uns als Familie ist dies momentan die beste und entspannteste Lösung“, erzählen sie.

Getrenntes Schlafen wegen der Kinder ist für das Paar häufig einfacher. „Wenn es die Umstände von außen einfach erfordern, wird man als Paar nicht in Frage gestellt. Das hat nichts mit der Qualität der Beziehung zu tun“, erklärt Paartherapeutin Christine Geschke.

Doch für jüngere Kinder kann die Entscheidung der Eltern, getrennt zu schlafen, beängstigend sein. „Das kann von den Kindern als Gefahr für eine Trennung gewertet werden. Da ist offene Kommunikation wichtig und den Kindern in Ruhe zu erklären, dass man sich vor allem gemeinsam für getrennte Schlafzimmer entschieden hat, damit jeder zur Ruhe findet und dass es nichts mit Trennung zu tun hat. Diese Angst sollte man auch transparent benennen“, so Geschke weiter.

Beziehungsretter getrennte Schlafzimmer?!

Ausreichender und erholsamer Schlaf ist eine wichtige Voraussetzung für physische und psychische Gesundheit. Das am Tag Erlebte wird verarbeitet, es finden Stoffwechselprozesse und Zellerneuerung statt. Der gesamte Organismus regeneriert sich, das stärkt die Abwehrkräfte. Laut einer Studie der Universität Berkeley von 2013 können sich unausgeschlafene Menschen zudem emotional weniger in die Perspektive ihres Partners versetzen, was zu weniger Kommunikation und vermehrten Konflikten in der Beziehung führt. „Je ausgeschlafener man ist, desto wohlwollender kann man auch mit den Schwächen des Partners umgehen. Wenn man schlecht geschlafen hat, ist man sehr intolerant und der liebevolle Blick aufeinander geht verloren“, ergänzt Geschke. Somit ist gesunder Schlaf auch wichtig für gesunde Beziehungen.

Das Nähe-Bedürfnis beim Schlafen ist individuell. „Manche Paare brauchen physische Nähe, um sich geborgen zu fühlen. Andere Paare müssen sich frei bewegen können. Man muss auf einen gemeinsamen Nenner bei der Nähe-Distanz-Gleichung kommen“, weiß Geschke.

Den Wunsch nach getrennten Betten, um ruhiger zu schlafen, sollte man wertschätzend äußern und dem Gegenüber die Angst vor einem Beziehungsende nehmen. Bei der Einrichtung getrennter Schlafplätze sollte auf die Bedürfnisse von beiden Partnern geachtet werden. Es sollten keine Ungerechtigkeiten entstehen, indem der eine im komfortablen Doppelbett und der andere auf dem Klappsofa schläft.

Unterschiedliche Schlafrhythmen oder Hobbys, denen man gern abends, wenn die Kinder schlafen, noch nachgehen möchte, stören den jeweils anderen bei getrennten Schlafplätzen weniger. Anne, die normalerweise mit Mann und der zweijährigen Tochter im Familienbett schläft, berichtet: „Mein Mann verlagert vor allem am Wochenende seine Freizeit gern auf die Nacht und genießt dann seine Ruhe auf dem Schlafsofa im Wohnzimmer. Oft schläft er beim Filmeschauen dort ein. Ich sage ihm gute Nacht, bevor ich zu Bett gehe. Unter der Woche schläft er wieder bei uns im Familienbett, denn mir fehlte die körperliche Nähe in der Nacht.“

Schlafexpertin Lenz unterstreicht das: „Einsam und allein zu schlafen, ist für uns als Menschen eigentlich nicht gut. Viele schlafen besser in Gesellschaft anderer, weil sie sich dann sicherer und nicht so allein fühlen. Es ist eine Gratwanderung zwischen erholsamem und ruhigem Schlaf allein und dem emotionalen Wohlbefinden der Person damit.“

Nähe außerhalb des Schlafzimmers

Laut Experten können getrennte Schlafzimmer Sexualität manchmal wieder aufregender machen. Natürlich eher nicht, wenn der jeweils andere im Kinderzimmer schläft. Dennoch: Sex kann auch außerhalb des Ehebettes stattfinden. „Die körperliche Nähe muss nicht auf der Strecke bleiben, wenn man getrennt schläft. Vielleicht ist man nicht mehr so spontan oder hat nicht mehr sein Liebesnest wie früher, aber man muss sich auf diese Weise neu Gedanken machen, wie man Intimität auf allen Ebenen schafft“, erzählt Anne.

Um trotz getrennter Schlafplätze die körperliche und auch innerliche Verbundenheit zueinander nicht zu verlieren, können Paare durch Kleinigkeiten wie gegenseitige Nachrichten oder eine Umarmung vor dem Verlassen des Hauses im Alltag Nähe zueinander suchen. Unsere Expertinnen empfehlen feste Rituale. „Sich zum Beispiel abends oder morgens gegenseitig im Bett zu besuchen und noch ein bisschen zu kuscheln. Oder an einem festen Tag eine Verabredung mit dem Partner ausmachen. Zum Beispiel zusammen essen oder tanzen gehen und danach noch kuscheln. So wird die Beziehung nicht vergessen“, rät Christine Lenz.

Flexibel bleiben

Vor allem Familien mit jüngeren Kindern müssen sich im Alltag ständig neu anpassen. Manchmal auch im Schlaf. Lisa und Per (Namen geändert) bezeichnen sich und ihre zwei Kinder selbst als „Schlafnomaden“ und erzählen: „Unsere Wohnung hat ein Zimmer zu wenig, wir haben kein eigenes Schlafzimmer. Entsprechend hatten wir schon in verschiedensten Gruppierungen die Betten verteilt: alle im Familienbett, jeder mit einem Kind in je einem Raum, Kinder im Durchgangszimmer, Eltern im Kinderzimmer … Als die Kinder uns phasenweise viel in der Nacht brauchten, durfte ein Elternteil auch immer mal wieder Pausen machen und eine Nacht nebenan allein durchschlafen – ein Luxus und eine Liebeserklärung in Elternsprache. Wir passen uns den jeweiligen Bedürfnissen an. Unsere Kinder sind mit dieser Flexibilität vertraut. Solange wir Eltern in der Nähe sind und sie einen schönen Schlafplatz haben, ist alles gut.“

ERFAHRUNGSBERICHT JOHANNA, ZWEI KINDER (4 UND 2 JAHRE)

Als unser Sohn auf die Welt kam, schlief er bei uns und unsere Tochter schon im eigenen Zimmer. Wenn sie nachts aufwachte, kümmerte sich mein Mann um sie, doch manchmal wachten dann auch unser Sohn und ich auf. Durch das nächtliche Stillen machte für mich jedes weitere „unnötige“ Wachsein einen Unterschied. Mit der Zeit verlor ich tagsüber schneller die Nerven. So kam die Idee, unserem Schlaf Priorität zu geben und getrennt zu schlafen. Jeder kümmert sich nachts nur um ein Kind und kann sonst durchschlafen. Das entlastete mich sehr.

Unsere Ehe hat gar nicht darunter gelitten. Im Gegenteil. Wir mussten richtig kommunizieren lernen. Welche Bedürfnisse haben wir? Welche Kompromisse sind für uns machbar? Was dient uns als Familie? Sex war nochmal ein extra Thema, an dem wir bewusst gearbeitet haben. Wir lernten, wie wir unsere Liebestanks als Ehepaar trotz getrennter Schlafplätze und Kleinkindphase füllen können. Unsere Gründe waren sehr pragmatisch. Wir wollten in dieser Phase das Bestmögliche für alle rausholen. Echtes Wohlbefinden ist wichtiger als „Das gehört sich so“. Das habe ich selbst damals erst verstanden. Vorher dachte ich, wer nicht im gleichen Bett schläft, hat eine riesige Ehekrise. So ist es auf keinen Fall. Vielleicht sogar im Gegenteil.

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin. Sie lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.