Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Machtkämpfe mit dem Sohn

„Mein Sohn (7) und ich rasseln in Alltagssituationen immer wieder so heftig aneinander, dass sofort Streit und eine übermäßig aggressive Reaktion meines Sohnes folgen. Was kann ich tun, um Stellung zu beziehen, ohne in einen Machtkampf zu schlittern?“

Ich finde es prima, dass Sie aus dieser Streitspirale herauswollen und sich fragen, was Sie tun können. Dadurch zeigen Sie sich in Ihrer Rolle als Eltern handlungsfähig.

KURZE VERSCHNAUFPAUSE

Reagieren Sie ruhig, besonnen und klar. Bleiben Sie sich Ihrer Rolle als Mutter oder Vater bewusst. Suchen Sie erst nach einer kurzen Verschnaufpause das Gespräch mit Ihrem Sohn über seine Reaktion auf die erlebte Situation. Das ist effektiver als eine Klärung während des Streites. Erklären Sie Ihrem Kind, wo Ihre Grenzen sind und was es tun kann, um besser zu reagieren. Fragen Sie ihn auch, was ihn so aufgeregt hat, und nach hilfreichen Ideen für die nächste Situation.

Es könnte auch hilfreich sein, die Situation mit Abstand zu betrachten und sich zu fragen: Wie würde ich in Ruhe und Gelassenheit reagieren? Auf welche Lösungsideen würde ich kommen? Spannend könnte auch sein, ein Verhaltenstagebuch zu führen. Notieren Sie für einige Zeit nach den Konfliktsituationen: Wann traten sie auf und wie liefen sie ab? Was war vorher? Gibt es ein sich wiederholendes Muster? Was könnte das Ursprungsproblem sein? Wie habe ich reagiert? Mit Hilfe dieser Beobachtung sind häufig konstruktive Lösungen des Problems in Sichtweite.

FREIRAUM ZUGESTEHEN

Kinder müssen im Laufe ihrer Entwicklung folgende Grundfertigkeiten erlernen, die sie auf ein eigenständiges Leben vorbereiten:

– Miteinander reden: So lernen Kinder, eigene Bedürfnisse, Meinungen oder Ideen mit Sprache und Gestik zum Ausdruck zu bringen. Ebenso lernen sie, auf Anweisungen von Erwachsenen zu hören und diese zu befolgen. Hierzu gehört auch, dass sie erlernen, durch ihr Handeln Situationen zu beeinflussen und somit Selbstwirksamkeit zu erfahren.

– Selbstständigkeit erwerben: Mit zunehmendem Alter wollen Kinder ihren Lebensraum erweitern, selbstständiger und unabhängiger von den Eltern werden. Es fordert uns heraus, unseren Kindern den Freiraum zur Eigenständigkeit auch in wachsendem Maße zuzugestehen.

– Aufgaben und Probleme selbst lösen: Kinder brauchen den Freiraum, Fragen zu stellen, eigene Ideen und Lösungen zu entwickeln und diese auch auszuprobieren. Auch wenn wir Eltern manches für unmöglich halten, ist es dennoch wichtig, auch die Teillösungen zu feiern oder Scheitern zu akzeptieren.

– Den Umgang mit Gefühlen lernen: Eigene Gefühle wahrzunehmen und sie angemessen zum Ausdruck zu bringen, ist für Kinder nicht immer leicht – insbesondere, wenn die Gefühle intensiv erlebt werden. Diese Lernfelder fordern uns Eltern manchmal ganz schön heraus. Auftretende Schwierigkeiten mit dieser Brille zu sehen, kann uns aber dabei helfen, die Frustration unserer Kinder zu verstehen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Unsere Kinder brauchen Zeit und Raum, um sich zu entwickeln.

Sandra Schreiber ist Beraterin und Systemischer Elterncoach im „LebensRaum Gießen“.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com