Vier Tipps: So bleibst du für deinen Partner begehrenswert
Wenn ein Paar lange zusammen ist, kann die Sehnsucht nach körperlicher Nähe schwinden. Eine Psychologin gibt Tipps, wie beide Partner in einer Beziehung füreinander wieder begehrenswerter werden können.
Luise (Namen geändert) ist verliebt. Voller Spannung wartet sie auf Nachrichten von Tim. Ihr Herz hüpft, wenn er geschrieben hat. Eigentlich gehört sie zu den frühen Vögeln, aber um seine Stimme zu hören, wird sie zur Nachtigall, schläft erst nach stundenlangen Telefonaten ein. Nur um danach von Tim zu träumen. Sie begehrt ihn, will nah bei ihm sein, nicht mehr von ihm getrennt sein. Wenn er sie beiläufig streichelt oder sich ihre Knie berühren, fährt ein heißer Schauer durch ihren Körper.
Nach einigen Jahren und der gemeinsamen Hochzeit ist Tim ihr nah, schläft neben ihr ein und wacht neben ihr auf. Er ist Teil ihres Alltags geworden. Und er bleibt es auch – bis ans Ende ihrer Tage, das haben sie einander versprochen. Sie genießt seine Nähe und Vertrautheit, seine Meinung, sein Mitentscheiden bei Kleinigkeiten. Aber sie begehrt ihn nicht mehr. Die Spannung in ihr ist einer Entspannung gewichen. Die Sehnsucht ist erschlafft.
Der Raum der Gegensätze
Spannung aufzubauen und aufrechtzuerhalten, kostet Kraft. Darum lösen wir sie gern auf, so schnell es geht. Das ist menschlich. In einer Langzeitbeziehung wird es so allerdings zu entspannt. Dann lohnt es sich, sowohl Nähe als auch Distanz immer wieder ungebremst auszuhalten. Beide Extreme im Wechsel zu leben, bedeutet, deinen Mann oder deine Frau in deine Seele blicken zu lassen und ihm oder ihr andererseits Bereiche zu gewähren, die er oder sie ohne dich ausleben darf. Denn zwischen den Gegensätzen Nähe und Distanz öffnet sich ein Raum. Man kann ihn als Raum deiner Seele bezeichnen, mit der du dein Gegenüber liebst.
Gift für eure Beziehung dagegen ist der goldene Mittelweg: das schnelle Wegschauen, wenn dir der intime Blick des Partners zu nah wird. Zur Begrüßung ein Schmatzer anstatt eines innigen Sechs-Sekunden-Kusses. Deine Partnerin auf ihre bekannten Seiten zu reduzieren, weil du dich in vertrautem Terrain wohler fühlst und dir Unbekanntes Angst macht. Dem Partner nicht die Freiheit zu lassen, allein auf ein Festival zu fahren, weil du dann die Kontrolle über die Beziehung verlierst. Jede Beziehungsmelodie braucht Schwingungen, das wellenförmige Auf und Ab, damit sie schön und voll klingt. Schwingungslos, tonlos und auf Dauer ziemlich leblos ist es in der Mitte.
Das Dilemma
Endlich zusammenziehen, die Distanz auflösen, eins werden, das war Luises Ziel. Aber das hatte einen Preis. Den Preis des Nicht-mehr-Begehrens. Wir Menschen können nur begehren, was wir nicht haben. Ein Partner, der dir über Jahre hinweg treu zur Seite steht und Höhen und Tiefen mit dir teilt, den hast du ja schon. Er ist Teil von dir und du von ihm. Untermauert wird diese Annahme durch gemeinsame Kinder, gemeinsame Freundinnen und Freunde und ein gemeinsames Heim. Seid ihr miteinander so verschmolzen, dass es nur noch Wir statt Du und ich gibt, dann wisst ihr nicht mehr genau, was euch selbst ausmacht, wo ihr anfangt und aufhört. Euch gegenseitig zu begehren, wird unglaublich schwierig.
Sexuelles Begehren und Eifersucht brechen oft erst dann wieder hervor, wenn ein toter Punkt in der Beziehung erreicht ist – die Partnerin, der Partner dir entgleitet, du dir ihrer oder seiner nicht mehr sicher bist. Durch das lange Entspannen in der sicheren und vertrauten goldenen Mitte habt ihr euch auseinandergelebt, wie man so schön sagt. Unbewusst die Distanz gesucht, um euch in all der Verschmelzung nicht selbst zu verlieren, bis es mit der Entspannung vorbei war. Der Partner oder die Partnerin ist dir fremd geworden und hat sich verändert.
Angst ist oft die erste Reaktion auf Entfremdung, weil du hier kein berechenbares Aktions-Reaktions-Verhalten kennst und nicht in deiner Komfortzone bleiben kannst. Fremd im Sinne des germanischen Wortstamms „fram“ bedeutet aber nichts anderes als „fern von“ oder „weg von“. Es drückt erst einmal nur Distanz aus, der du auch mit Neugier anstelle von Angst begegnen kannst. Wenn du die Angst loslässt, dich oder deine kleine berechenbare Welt schützen zu müssen, dann kannst du deinen Partner, deine Partnerin mit einem neuen, interessierten und offenen Blick betrachten. So wie damals. Aber das passiert nicht von allein. Es braucht die Entscheidung, die gefühlte Distanz zu deinem Partner nicht als Gefahr, sondern als Potenzial zu sehen, ihn wieder ganz frisch und unvoreingenommen wahrzunehmen. Dann ist wieder Raum für Begehren.
Das Fremde ist begehrenswert
Wann fühlen sich Menschen am meisten zu ihrem Partner, ihrer Partnerin hingezogen? Laut der belgischen Psychotherapeutin Esther Perel, die zahlreiche Paare befragt hat, lassen sich die Antworten auf diese Frage folgenden Kategorien zuordnen:
- Wenn mein Partner im Flow ist und ganz in seinem Element aufgeht
- Wenn meine Partnerin längere Zeit weg war und wir uns wieder treffen
- Wenn mich mein Partner überrascht
- Wenn ich meine Partnerin mit den Augen eines anderen Menschen sehe
All diese Antworten drücken Entfremdung oder Distanz aus. Der oder die Fremde im eigentlich so vertrauten Gegenüber ist begehrenswert. Ihn oder sie besitze ich nicht. Er/sie hat Dinge im Leben, die er gut kann, die sie mag und die ihn begeistern.
Eine Partnerin, die in ihrem Element aufgeht, strahlt Selbstvertrauen aus, das ist sexy. Wenn du sie in solchen Momenten beobachten darfst, vielleicht auf der Bühne oder beim Toben mit den Kids, dann siehst du nicht deine Frau, die heute Morgen den Abwasch vergessen hat, sondern die Fremde. Sie braucht dich in diesem Moment nicht. Du kannst deine fürsorgliche Seite fallen lassen und sie bewundern.
Ein Partner, der unterwegs ist, macht Erfahrungen ohne dich und trifft Leute, die du nicht kennst. Geheimnisvoll kann er wieder Teil deiner Fantasien werden, die in der Realität des ständigen Beisammenseins verkümmert sind, sich jedoch hervorragend als Nährboden für deine Sehnsucht eignen.
Eine Partnerin, die dich überrascht, indem sie beispielsweise mit neuen Outfits spielt, eröffnet eine fremde Seite, die du noch nicht kennst. Oft zeigt sich diese Seite im Urlaub, da das Standardrepertoire des alltäglichen Verhaltens wegfällt. Sie kommt auch hervor, wenn sie sich trotz Harmonieliebe entscheidet, bei einem Streit nicht wie gewohnt auszusteigen, sondern bis zum Ende zu diskutieren, wo auf euch beide eine neue Perspektive wartet.
Einen Partner, der im Café angeflirtet wird, siehst du mit dem ersten Eindruck eines anderen. Du nimmst neu wahr, wie andere auf seinen Humor und Charme reagieren. Deine Augen öffnen sich für die bewundernswerten Dinge, für die du vielleicht mit der Zeit blind geworden bist. Du hörst ihn mit Nachbarn über Themen reden, die ihr sonst nie ansprecht, und bist von seiner Haltung angezogen. Du bekommst mit, wie sich eine alte Dame über seine Ansprache in der Kirche bedankt und erkennst, dass er im Leben anderer einen positiven Unterschied macht, den du bei dir als selbstverständlich angenommen hast.
Das Exotische, Neue, Überraschende wirkt anziehend. Das gilt auch umgekehrt. Welche Stellschrauben in deinem Leben kannst du drehen, damit dein Mann oder deine Frau auf die gleichen Antworten kommt?
Vier Stellschrauben, um begehrenswert zu bleiben:
1) Im Flow sein
Es ist leichter, deinem Partner, deiner Partnerin Freiraum zu gönnen, wenn du mit dir selbst im Reinen bist und ebenfalls deinen „Spielplatz“ gefunden hast. Fehlt dir deine „Spielzeit“ im Alltagswahnsinn und machst du dein Gegenüber dafür mitverantwortlich, dann schaffst du eine Distanz, die nicht im Begehren, sondern in Ablehnung mündet. Mal ganz ehrlich: Wie oft warst du letzte Woche so vertieft in eine
Sache, dass du die Welt um dich herum vergessen hast? Hat deine Frau, dein Mann das überhaupt mitbekommen?
Get active: Priorisiere zu Beginn der Woche freie Zeitfenster, in denen du Zeit für dich hast und dem nachgehen kannst, was dich begeistert. Sei es Puzzeln, Backen, Lesen, Stricken, Spielen, Rätseln, Programmieren oder Sport.
2) Allein reisen
Beruflich längere Zeit im Ausland zu sein, ist in manchen Branchen normal. Allein Urlaub zu machen, fühlt sich dagegen für viele falsch an. Dabei gibt es tolle Angebote. Und es eröffnet die Möglichkeit, mal keinen Kompromiss zwischen Familienzeit und Lesen, Bergen und Meer, Schweigen und Reden eingehen zu müssen. Mein persönlicher Favorit sind Schweige-Exerzitien.
Get active: Plane dieses Jahr mindestens einen Aufenthalt außer Haus allein ein.
3) Den Partner überraschen
Überraschung zeigt sich im Spontanen, im Neuen und in der Improvisation. In kleinem Stil ist da jeden Tag etwas möglich.
Get active: Probiere ein neues Gericht, google nach Witzen oder nerde dich in ein Thema ein, mit dem du deinen Partner, deine Partnerin beeindrucken kannst.
4) Ein frischer Blick
Von allen vier Stellschrauben macht der frische Blick den größten Unterschied. Leider liegt es außerhalb deiner Kontrolle, wie leicht es deinem Mann oder deiner Frau fällt, dich mit neuen Augen zu sehen. Ein Anfang ist jedoch die Gegenseitigkeit: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus.
Get active: Wenn dein Partner, deine Partnerin zu Hause ist, schließe deine Augen für mehrere Sekunden. Schau ihn/sie anschließend an, als würdest du ihm/ ihr zum ersten Mal begegnen. Was willst du über ihn wissen? Was macht sie interessant, wenn man alle Aspekte ausblendet, die mit eurer Beziehung und deinen eigenen Bedürfnissen zu tun haben? Es braucht sowohl ein gutes Gespür für sich selbst und für den anderen als auch den Austausch darüber, um gemeinsam im Takt beim Tanz zwischen den Extremen Nähe und Distanz zu bleiben. Dazu ermutige ich dich und wünsche viel Erfolg!
Tabea S. Müller ist Psychologin und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Nähe von Karlsruhe.