Filmabend

MÖRDERISCHER FLASCHENÖFFNER

Katharina Hullen übersteht den gemeinsamen Kinoabend nur mit geschlossenen Augen.

Katharina: Kino – laufen da schon Filme in Farbe? Gefühlt so lange sind wir nicht mehr zu zweit dort gewesen. Doch wenn man schon mal zwei Kinofreikarten kriegt … Wir organisieren also kurzfristig den Babysitter. Während ich die Kinder zur Übergabe fertig mache, verschafft sich Hauke im Internet schnell einen Überblick über das aktuelle Programm. So können wir auf der Fahrt besprechen, was wir uns ansehen wollen. Drei Filme stehen zur Auswahl: eine Gauner-Komödie, ein Action-Roadmovie und ein Agentenfilm. Hauke gibt mir zu jedem der drei einige Stichworte zum Inhalt und meint, ihm persönlich hätte ja der Agentenfilm am meisten zugesagt, da nicht vorhersehbar und komplexere Geschichte und so … Ok, nehmen wir den. Ich nicke wie ein Wackeldackel, weil ich es hier ohnehin nicht besser weiß. So plumpsen wir in gemütliche Sessel und müssen uns erst wieder an die riesige Leinwand gewöhnen. Endlich – es geht los. Mit jeder Filmvorschau, die nun folgt, wird mir allerdings klarer, was für eine Art Film Hauke da ausgesucht hat. Superhelden zermalmen teuflische Riesenmonster, andere Helden verwandeln sich in ebensolche. Da wird geschossen, geflogen, gemetzelt und geschrieen, was die Monsterlunge hergibt. Ein kurzer verstörter Blick zu meinem Göttergatten – da sitzt er mit leuchtenden Augen und ist ganz fasziniert! Am liebsten würde er sich all diese Filme ansehen, besonders gern den mit dem grünen Riesenmonster, vielleicht weil es ihm in diesem Licht ein bisschen ähnlich sieht? Ich könnte eigentlich schon gehen, aber naja, ein Agentenfilm – vielleicht wird er ja doch gut. Nein, wird er nicht! Was folgt, sind 100 Minuten Mord und Totschlag, jede Menge Blut, eine verworrene Geschichte. Mord durch Schuhabsatz, Mord durch Flaschenöffner, Mord durch Gartenschlauch … Ich sitze den Großteil des Films mit geschlossenen Augen im Kino und warte ab, bis alle Leute dieser Szene wohl tot sind und es weiter gehen kann zum nächsten Tatort. Nach dem Film möchte Hauke gern noch was essen gehen. Echt jetzt? Appetit zählt gerade nicht zu meinen Neigungen. Ich möchte gern nach Hause – und duschen vielleicht. „Lass uns lieber mal der Oma die Kinder wieder abnehmen.“ Wir schlendern zum Auto und reflektieren, was wir gesehen haben. Also vor allem mein zufriedener Mann. Er analysiert ganz klar, was er richtig gut und was er nicht so gelungen fand. In meinem Kopf schreit es wie aus einem dieser Riesenmonster: DER FILM WAR SCH …! Aber das will ich lieber nicht laut sagen. Ich weiß auch nicht so richtig, was ich fühlen soll. Bin ich wütend, dass wir diese kostbaren Karten so vergeudet haben? Oder freue ich mich für meinen Mann, weil er einen tollen Abend hatte, und für mich, weil es Freikarten waren und wir immerhin nichts für dieses Blutbad bezahlen mussten? Eins weiß ich genau – dass ich Stoff habe für die Family-Kolumne!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das
Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

ACTION FÜR DEN EHEABEND

Hauke Hullen freut sich über gut gemachte Unterhaltung.

Hauke: Heutzutage preisen die großen Schriftzüge auf der Oberbekleidung die finanziellen Möglichkeiten des Eigentümers an. Zu meiner Schulzeit ging es dagegen noch um wahre Liebe: Man(n) zeigte mit seinen T-Shirts der Umgebung demonstrativ, welcher Band man sein Ohr schenkte. Durch die (Schul-)Bank waren überall martialische Cover und verzerrte Schriftzüge zu sehen, selbstredend auf schwarzgefärbter Baumwolle. Es war die Hoch-Zeit des Heavy-Metals. Wir waren fasziniert von harten Gitarrenriffs und malträtierten Trommelfellen, die sowohl auf der Bühne als auch im Publikum schwer zu leiden hatten. Neben dem Musikgeschmack verkündete man mit seinem Shirt auch immer eine zweite Botschaft: Ich bin hart! Ein ganzer Kerl! Ein richtiger Mann! Kuschelrock- CDs hörte man nur heimlich; und für all die schmachtenden Boygroups hatten wir nur Verachtung übrig, erst recht weil es uns wurmte, dass die Mädchen der Klasse an diesen Retortenbands mehr Gefallen fanden als an ehrlicher Rockmusik und damit auch irgendwie an uns. Warum erzähl ich das? Nun, jüngst katapultierten uns zwei Freikarten spontan zu einem Eheabend ins Kino. Eheabende sind wie Joggen – eigentlich will man nach einem langen, anstrengendem Tag lieber auf der Couch versacken, aber wenn man sich dann aufraffen kann, tut es schließlich doch ganz gut. Da es dauerte, bis das letzte Kind („Ich will auch mit!“) im Bett verstaut war, blieben nur noch drei Filme zur Auswahl. Doch wir hatten Glück: Wir setzten uns in einen ehrlichen Actionfilm – durchaus hart und heftig, dafür aber realistisch (soweit dies einem Actionfilm möglich ist). Zu Jugendzeiten reichten noch Arnies Muskeln, Jean-Claudes Kampfkunst oder Explosionen in Zeitlupe, um von hohlen Dialogen und Logiklöchern abzulenken, doch inzwischen stelle ich höhere Ansprüche. Umso erfreuter war ich also, dass die Hauptfigur nach artistischen Kampfeinlagen erkennbar erschöpft ist und dass der Ausgang der Geschichte nicht schon nach den ersten 20 Minuten vorhersehbar war. Ebenso erfreut nahm ich zur Kenntnis, dass sich die beste Ehefrau von allen während des Films romantisch an mich kuschelte, meine Hand halten wollte und manchmal sogar ihren Kopf mit selig geschlossenen Augen an meine Schulter lehnte … Um den bis hierhin bereits gelungenen Abend perfekt zu machen, schlug ich nach dem Film noch ein Candle-Light-Dinner im Steakhouse vor. Es folgte: ein Fiasko. Hart und heftig, in seinem Ausgang für mich nicht vorhersehbar. Nach artistischen Argumentationseinlagen kam ich erkennbar erschöpft zu Hause an. Ich fürchte, die nächsten Kinokarten werden einer romantischen Komödie geopfert werden müssen, wo am Ende jeder jeden kriegt. Das wäre dann immerhin einem Eheabend angemessen!

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.