Eine glückliche Familie mit zwei Kindern

Konflikte mit Kindern: Worauf es in der Erziehung ankommt

In Familien gehören Konflikte zur Tagesordnung. Da braucht es eine gesunde Konfliktkultur. Für Erziehungscoach Dorothea Beier liegt der Schlüssel dazu in einer zugewandten Art der Kommunikation.

Von Kindern höre ich oft Sätze wie: „Am schönsten fände ich es, wenn immer Frieden wäre!“ „Ich mag keinen Streit!“ „Wenn Mama und Papa sich streiten, bin ich traurig!“ Auch Eltern bekunden immer wieder, dass sie sich so sehr ein harmonisches Miteinander in ihrer Familie ohne Konflikte wünschen. Doch dies im Alltag umzusetzen, fällt oft schwer. Nicht selten fühlen sich Eltern überfordert mit Geschwistereifersucht, Trotzanfällen, Streitigkeiten am Esstisch, dem Kampf um die Hausaufgaben, Machtkämpfen und anderem.

Perspektive eines Beobachters

Eltern und Kinder handeln nach ihrer besten Option! Kinder sind nicht bewusst böswillig und auch Eltern wollen für ihre Kinder das Beste. Woran liegt es aber, dass es im Zusammenleben häufig zu Konflikten kommt? Und wie können wir unseren Kindern helfen, Konfliktfähigkeit zu erlangen? Dazu ist eine Frage wesentlich: Was wünschen sich eigentlich Kinder und was brauchen Eltern?

Gehen wir einmal in eine Beobachterrolle: Ein Kind zerbricht versehentlich einen Teller. Nicht selten kann man erleben, wie es dann ausgeschimpft wird, wie ihm Befehle erteilt und Vorwürfe gemacht werden. Passiert dieses Missgeschick einem Freund oder einer Freundin, wird dies entschuldigt. Erwachsenen gegenüber sind wir häufig loyal, wir vermeiden kritische Bemerkungen, die ihren Stolz treffen könnten. Kinder werden oft vor anderen kritisiert und herabgesetzt, weil man glaubt, dass sie schließlich erzogen werden müssen. Kinder und Erwachsene haben gleichermaßen das Bedürfnis nach Respekt. Das bedeutet: Wir möchten gesehen, verstanden, geliebt und anerkannt werden. Konflikte entstehen, wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt und frustriert werden. Wir tun gut daran, wenn wir unseren Kommunikationsstil einmal überprüfen und nachspüren: Wie haben wir uns als Kind gefühlt, wenn Erwachsene uns so behandelt haben?

Wie ging es uns, wenn wir beschimpft wurden, wenn wir Befehle erhielten, etwa: „Geh sofort in dein Zimmer!“? Was haben wir gespürt, wenn man uns gedroht hat, wenn wir uns Moralpredigten anhören mussten? Wie fühlten sich Vorwürfe oder Verhöre an? Die Palette von gut gemeinten Methoden in der Kindererziehung ist endlos. Die Reaktionen darauf sind oft sehr unerfreulich und forcieren die Konflikte eher.

Bedürfnisse erspüren

Die häufigste Ursache für Konflikte können wir immer wieder in Kommunikationsformen finden, die wir unreflektiert und automatisiert anwenden. Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder ohne Widerrede auf sie hören und tun, was sie ihnen sagen. Kinder haben aber häufig in solch einem Moment andere Wünsche oder Bedürfnisse und fühlen sich nicht verstanden, wenn sie Befehle erhalten und Dinge tun sollen, die gerade nicht mit ihren Bedürfnissen übereinstimmen. Das erzeugt Unmut, den sie dann auch ausdrücken. Eltern fühlen in solch einer Situation häufig Ärger und reagieren entsprechend. Das führt dann wiederum beim Kind zu Unwillen und manchmal sogar zu Aggression. Konditionieren sich diese Verhaltensmuster, gehören Konflikte mit Machtkämpfen, Geschrei und Beschimpfungen zur Tagesordnung.

Eltern können aus solchen Mustern aussteigen und damit auch ihren Kindern helfen, konfliktfähig zu werden. Zunächst ist es mühsam, den Autopiloten auszuschalten, aber es lohnt sich.

Gefühle erklären, Verhalten verstehen

Um neue Muster der Kommunikation zu erlernen, ist es wichtig, dass Eltern sich erst einmal selbst verstehen und anfangen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erspüren. Dies kann man z.B. herausfinden, indem man anfängt, anstelle einer Du-Botschaft, die wir häufig in der Kindererziehung verwenden, nun eine Ich-Botschaft an das Kind auszusenden. Anstelle von „Du störst mich gerade sehr, hör endlich auf mit dem Lärm!“, könnte man in der Ich-Botschaft dem Kind erklären: „Es ist hier gerade sehr laut. Ich bin darüber verärgert, weil ich noch etwas arbeiten muss.“ In einer Ich-Botschaft nennen wir das Gefühl, welches wir gerade durch das Verhalten des Kindes haben.

Wir zeigen dem Kind, was ihr Verhalten bei uns auslösen kann. Benennen wir unser Gefühl, so wird das Kind nicht verurteilt oder beschuldigt. Auf diese Weise helfen wir auch unseren Kindern, einen Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen. Wichtig ist, dem Kind erst einmal zuzuhören, um ihm dann das Bedürfnis hinter seinem Verhalten spiegeln zu können. Das Kind erkennt dadurch, dass man bereit ist, es zu verstehen und zu akzeptieren. Das kann Wunder wirken! Wir können hinter jedem Verhalten eines Kindes Signale erkennen, die es aussendet, um verstanden zu werden.

Gemeinsam Lösungen für Konflikte finden

Häufig entsteht zum Beispiel Geschwisterstreit, weil ein Kind in seinem Bedürfnis durch das andere Kind frustriert ist. Ein Beispiel: Zwei Kinder, Lucas und Till, haben einen heftigen Konflikt. Lucas hat Till sein Lieblingsspielzeug weggenommen und möchte es ihm nicht wiedergeben. Als seine Mutter ihm sagt: „Till ist traurig und wütend darüber“, gibt er zur Antwort: „Er ist doch selbst schuld daran!“ Die Mutter versucht sich empathisch mit ihm zu verbinden und antwortet: „Kann es sein, dass es sich für dich gut anfühlt, wenn du deinem Bruder das Spielzeug wegnimmst? Möchtest du vielleicht Till für etwas bestrafen?“ Daraufhin antwortet er: „Till spielt nur noch mit seinem Freund und ich muss allein spielen.“

Jetzt wusste die Mutter, was sein Bedürfnis war, und antwortet ihm: „Du wünschst dir, dass Till dich beachtet, mit dir spielt und dich sieht. Du ärgerst ihn, damit du von ihm Aufmerksamkeit bekommst, stimmt das?“ Gemeinsam sucht sie mit ihm nach einer besseren Lösung für das Problem, was ihm wiederum Wertschätzung und Anerkennung gibt und damit gute Gefühle auslöst.

Kinder lernen Konfliktfähigkeit, wenn sie sich verstanden und akzeptiert fühlen. Sie lernen es, sich in andere Menschen einzufühlen, indem wir es ihnen vorleben.

Dorothea Beier ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin sowie Spiel- und Bewegungstrainerin mit eigener Praxis. Sie lebt und arbeitet in Uelzen.
praxis-dbeier.de