Lebensvision teilen – Vier Säulen der Partnerschaft (Teil 2)
Gemeinsam unterwegs zu sein, bedeutet, gemeinsame Ziele zu haben. Im zweiten Teil der Serie „Vier Säulen der Partnerschaft“ erklären Kim und Kristian Reschke, wie wichtig eine Vision für die Partnerschaft ist und welche kniffligen Fragen man sich dafür stellen muss.
Bei der partnerschaftlichen Visionsentwicklung wird aus zwei unterschiedlichen Lebensentwürfen ein gemeinsamer. Dieser Prozess braucht kontinuierlich Zeit, Energie und Hingabe. Zu Beginn des Miteinanders sind die gemeinsamen Ziele eher kurzfristig und lustorientiert. Eine gesunde Partnerschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die gemeinsame Vision mit Dauer der Partnerschaft langfristiger und sinnstiftender wird.
Herausfordernde Fragen
Lebensvision in einer Partnerschaft bedeutet, eine gemeinsame Sicht für die nahe und ferne Zukunft zu haben und kontinuierlich zu entwickeln. Dabei ist nicht entscheidend, alles gemeinsam zu tun, sondern ein gemeinsames Bild vor Augen zu haben. Um herauszufinden, welche Zukunft wir uns als Paar wünschen, ist es hilfreich, konkrete und herausfordernde Fragen zu stellen:
- Wo wollen wir leben? Muss es unsere Stadt oder unser Land sein? Welche anderen Optionen gibt es?
- Welchen Lebensstandard wollen wir haben? Wie viel ist für uns genug? Wie treffen wir Entscheidungen über unser Geld?
- Wollen wir Kinder haben? Wie viele? Wann? Und wer kümmert sich um die Kinder?
- Welchen Stellenwert haben Status und Karriere? Welche Balance wollen wir zwischen Freizeit und Arbeit leben?
- Wie sieht eine gemeinsame Vision unseres Alters aus? Was wollen wir hinterlassen?
- Welchen Stellenwert soll unser Glaube haben? Wie wollen wir ihn leben? Wie viel Zeit wollen wir in Gemeindeaktivitäten investieren?
Die Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten macht die Entwicklung eines persönlichen Zukunftsbildes anspruchsvoll. Als Paar umso mehr: Denn wir gestalten einen gemeinsamen Weg, der für beide attraktiv ist und nicht von einem Partner dominiert wird. Und tun wir dies nicht proaktiv, überlassen wir es der uns umgebenden Kultur, der Unbeständigkeit unserer Gefühle oder den Prägungen unserer Herkunftsfamilie oder anderen Faktoren, unseren Weg zu formen. Das möchten wir vermeiden!
Unser Weg
Kim: „Für Kristian und mich war es anfangs schwer, unsere Lebensentwürfe zusammenzubringen. Ich besuchte eine Schauspielschule und spielte in einer Band. Mein Traum war es, als Schauspielerin und Musikerin zu leben und gleichzeitig einen tollen Mann zu haben. Als wir zusammenzogen, wurde mir klar, dass Kristian eine ganz andere Zukunft im Sinn hatte. Er wollte Gemeinde gründen und redete bald von nichts anderem mehr. Meine Ideen schien er hingegen nicht ernst zu nehmen, was mich frustrierte. Der Gedanke, Gemeinde leiten zu müssen, anstatt Spaß haben zu können, machte mir Angst. Ich fühlte mich gefangen und zerrissen. Das führte in eine echte Krise. Ich wollte Kristian nicht enttäuschen und führte ein Doppelleben: Spaß haben, wann immer ich konnte, und ernst sein, wann immer ich musste. Heute können wir darüber lachen. Gott sei Dank!“
Kristian: „In dieser Zeit war ich verkrampft religiös und dachte, alles außer Gemeindegründen wäre gegenüber Gott ein Kompromiss. Als mir während der Aufarbeitung unserer Krise die Unterschiedlichkeit unserer Lebensentwürfe klar wurde, war ich zwischen ‚Gottes vermeintlichem Wunsch‘ und Kim zerrissen. Ich bestürmte Gott, was ich tun sollte. Und Jesus antwortete mir mit einer erstaunlichen Frage: ‚Kristian, ich habe alles aufgegeben, um dein Vertrauen zu gewinnen – wie wäre es, wenn du das Gleiche für Kim tust?‘ Diese Antwort zog mir die Beine weg! Das Geistlichste, was ich tun konnte, war nicht die Gemeindegründung, sondern meiner Frau zu dienen! Ich sagte die Gründung ab und ging zwei Jahre lang mit Kims Band auf Tour. Die Zeit hat uns beiden großen Spaß gemacht. Dann hat sich die Band aufgelöst und wir haben zusammen eine Gemeinde aufgebaut – diesmal Schulter an Schulter und Arm in Arm! Ich bin sehr dankbar, dass ich Gott damals hören konnte und reagiert habe. Unsere junge Ehe wäre am Stress einer Gemeindegründung sicher zerbrochen.“
Ein grober Plan
Wir glauben, dass unser Miteinander Gottes Geschenk ist und dass er einen groben Lebensplan für uns vorgezeichnet hat. Gott hat uns ein gemeinsames Leben geschenkt, das wir gestalten dürfen. Wir möchten uns Gottes Plan anpassen und dort mitmachen, wo wir ihn sehen. Zukunft zu planen, heißt für uns deswegen, einander und Gott zu hören.
Unsere Paarkultur ist vor allem durch den biblischen Schöpfungsbericht geprägt. Dort finden wir wertvolle Schlüssel für das Miteinander. Wir sehen, wie Gott für Adam und Eva einen groben Plan vorzeichnet. Gott segnet sie als Team und sagt zu beiden: „Habt Kinder und sorgt für die Welt.“ Er schenkt ihnen neben Leben und Partnerschaft auch ein gemeinsames Bild der Zukunft: Familie und Schöpfungsverantwortung. Doch als sich beide von ihrem Schöpfer abwenden, löst sich der ursprüngliche Team-Plan Gottes auf. Zwei Einzelkämpfer stehen nun individuellen Perspektiven und Herausforderungen gegenüber. Für die Frau heißt dies, unter schwierigen Umständen Kinder zu bekommen. Für den Mann stehen Dornen, Disteln, Mühsal und Schweiß bei der Nahrungsbeschaffung auf dem Programm (vgl. 1. Mose 1,27-28; 3,16-19). Zurückgeworfen auf eigene Perspektiven und ohne Gottes führende Rolle fehlt den beiden der gemeinsame Zukunftstraum.
Den Schmerz, eine gemeinsame Vision des Lebens zu entwickeln, obwohl unterschiedliche Perspektiven vorliegen, haben auch Kim und ich kennengelernt. Dadurch ist uns wichtig geworden, aktive Visionsarbeit zu betreiben und unsere Marschrichtung in regelmäßigen Abständen zu prüfen. Ein Weisheitsspruch der Bibel ermutigt uns dabei: Ohne ein offenbartes Bild der Zukunft stolpern die Menschen über sich selbst, aber sie sind glücklich, wenn sie Gottes Anweisungen folgen (vgl. Sprüche 29,18). Um dieses „offenbarte Bild der Zukunft“ ringen wir. Denn ohne wird sich eine Partnerschaft aktiv oder passiv zerstreuen.
Phasen der Partnerschaft
Die Entwicklung eines verbindenden Zukunftsbildes ist ein Prozess, der ständig befeuert werden muss. Ist die gemeinsame Vision jedoch zu kurzfristig oder inhaltlich zu flach, kann sie zu einer Sackgasse werden. Dabei spielen vier Visionsphasen eine Rolle, die wir beobachtet haben: Verliebtsein, Hingabe, Erstarken, Erstarren. Die Phase des Verliebtseins kennzeichnet meist den Einstieg in die Beziehung. Hier stehen eher kurzfristige Ziele (Spaß, Sex, Reisen, das Leben feiern, Hobbys, gemeinsame Zeit) im Vordergrund. Die Phase der Hingabe geht tiefer: Dabei geht es um Familiengründung, berufliche Orientierung und darum, aufkommende Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Die Phase des Erstarkens zielt darauf ab, Sicherheit und Wohlstand anzuhäufen und den beruflichen und gesellschaftlichen Status abzustecken.
Innerhalb dieser dritten Phase nehmen die Partner zunehmend definierte und routinierte Rollen ein. Dies kann zu einer negativen Entwicklung führen, in der aus Erstarken dann Erstarren wird und eine Blockade entsteht. So kann sich, während die Kinder eigenständiger werden, nach intensiven Jahren des Elternseins und Wohlstandsuchens eine innere Leere (Bore-out) oder ein familiärer Überdruss (Burn-out) einstellen. Partnerschaften, deren Vision bisher „Erstarken“ war (Sicherheit, Wohlstand, Status), laufen hier oft gegen eine Mauer. Die Ziele haben sich in gewissem Maß erfüllt, doch sind sie gleichzeitig nicht so erfüllend wie erhofft. Je nachdem, wie eingefahren wir sind, hindern uns die Furcht vor Veränderung oder ein überhöhtes Sicherheitsbedürfnis daran, auszubrechen. Schaffen die Partner keinen gemeinsamen Aufbruch, entsteht oft ein Visionsvakuum, das Türen zu Süchten und Affären öffnet oder auch zur Trennung führt. Eine positive Reaktion kann ein partnerschaftliches Aufbäumen und die Suche nach neuen Lebensinhalten mit mehr Tiefgang und weniger Selbstbezogenheit sein. Schaffen die Partner es, ein erneuertes Bild der gemeinsamen Zukunft zu entwerfen, kann die Krise überwunden werden.
In der zweiten Lebenshälfte ankommend, rückt für Kim und mich der Gedanke an unsere Hinterlassenschaft mehr in den Fokus. Wie können unsere Entscheidungen heute den Menschen von morgen ein Segen sein? Unsere aktuelle gemeinsame Zukunftsvision wird durch den Wunsch getragen, immer etwas mehr zu geben, als wir nehmen und anderen zum Erfolg zu verhelfen.
Fragen für eure Partnerschaft
- Persönliches: Was sind Wünsche, die dein Partner in den nächsten 12 Monaten erleben möchte? Kannst du drei benennen? Was steht ihm oder ihr dabei im Weg? Wie könntest du helfen, dass einer seiner Zukunftswünsche wahr wird?
- Gemeinsames: Welche gemeinsamen Ziele konntet ihr bisher verwirklichen? Versucht, drei Partnerschaftsziele zu benennen, die ihr in den nächsten drei Jahren erreichen möchtet. Was könnte euch dabei helfen?
Kim und Kristian Reschke sind seit über 20 Jahren gemeinsam unterwegs, sind systemische Coaches und begleiten Paare und Einzelpersonen. Sie leben mit ihren beiden Kindern in Hamburg, St. Pauli.