Gescheiterte Ehe - was hätte geholfen? Symbolbild: Getty Images / fizkes

Was die Ehe schützt – Drei Lehren aus gescheiterten Beziehungen

Prinzipiell ist keine Ehe sicher davor, ins Wanken zu geraten. Was können wir tun, um die Ehe zu schützen? Paartherapeut Jörg Berger zieht Lehren aus gescheiterten Beziehungen und zeigt, was helfen kann.

Würden Menschen ein Haus bauen, wenn dabei jeder Dritte scheitern und das Haus mit Verlust verkaufen würde? Vermutlich nicht. Den meisten Menschen wäre das Risiko zu groß. Zum Glück ist unsere Risikobereitschaft größer, wenn es um die Ehe geht. Obwohl jede dritte Ehe zerbricht, gehen Menschen glücklich und hoffnungsvoll hinein. Vielleicht denkt man anfangs, die Menschen, deren Ehe nicht gelingt, seien irgendwie anders als man selbst. Doch die Lebenserfahrung zeigt: Es sind wunderbare Menschen, die auseinandergehen – nicht weniger reif und nicht weniger liebevoll als andere. Außenstehende erleben dann oft einen bangen Moment: Könnte uns das auch treffen? Jedes Ehepaar kann in eine kritische Situation geraten. Doch wir können von gescheiterten Paaren lernen. Denn im Nachhinein zeigt sich, was sie geschützt hätte.

Vertrauen, wenn es bedrohlich wird

Zehn Jahre lang waren Verena und Dirk glücklich miteinander. Dann erlebte Verena eine persönliche Krise, infolge derer es Verena wichtig war, selbstbewusster zu werden und ihr Leben stärker in die eigene Hand zu nehmen. Sie dachte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Ehe hätte. Doch sie hat eine Lawine in ihrer Beziehung losgetreten. Dirk fühlte sich übergangen und abgeschrieben. Erst bemühte sich Verena, ihm mehr Liebe zu zeigen und auf Dirks Gefühle einzugehen. Aber weil das wenig half, zog sie sich zurück. Konnte es sein, dass Dirk einbricht, nur weil sie ein wenig selbstbewusster geworden ist? Der Alltag funktionierte noch, aber das Glück und die Nähe waren weg. Sobald Verena ein falsches Wort sagte, war Dirk verletzt. Sie überlegte, auszuziehen.

Kann man sich vor solchen Entwicklungen schützen? Nein, leider nicht. Aber man kann eine Haltung einnehmen, die einen solchen Teufelskreis durchbricht. Es ist menschlich, dass wir dem anderen unser Vertrauen entziehen, wenn wir verletzt oder enttäuscht werden. Doch genau das setzt einen Teufelskreis in Bewegung. Diesen durchbricht man, indem man das Vertrauen erneuert. Für Verena könnte das so aussehen: „Für mich wirkt es so, als würde Dirk kindisch reagieren und als könnte er nur mit mir zusammen leben, wenn ich schwach bin. Doch so war Dirk doch eigentlich nie. Auch wenn ich seine Gefühle nicht verstehe, gibt es sicher einen Weg, wie er sich mit mir verbunden fühlen kann und ich trotzdem die Freiheit behalte, die mir gerade so guttut.“

Dirk könnte sein Vertrauen so aufrichten: „Es fühlt sich für mich zwar so an, als würde Verena unser gemeinsames Leben verraten und als wäre ihr die Selbstverwirklichung wichtiger als unsere Liebe. Aber eigentlich kann das nicht sein. Verena war nie selbstbezogen. Außerdem hat sie sich ja bemüht, auf meine Gefühle einzugehen, auch wenn mir das noch nichts gebracht hat. Wenn sie erst einmal versteht, wie es mir geht, was ich brauche und dass ich nichts Schlimmes von ihr verlange, können wir sicher einen gemeinsamen Weg finden. Sie ist bereit, mir zuzuhören, wenn ich ihr keine Vorwürfe mache.“

Natürlich sollte man prüfen, ob der Mensch, an den man sich binden möchte, vertrauenswürdig ist. Doch wenn man einem Menschen vertrauen kann und sich das durch das gemeinsame Leben bestätigt, muss man dem anderen das Vertrauen nie mehr entziehen. Dann sollen die Teufelskreise ruhig kommen. Selbst wenn nur einer das Vertrauen aufrecht hält, findet man wieder heraus.

Betrauern, was nicht möglich ist

Wieder ein schweigsames Sonntagsfrühstück. Irinas Mann liest etwas auf dem Smartphone. Sie betrachtet ihn. Plötzlich wird es ganz klar und ruhig in ihr: „Ich mag diesen Menschen nicht. Ich kann ihn nicht lieben, jedenfalls nicht als Ehefrau.“ Irina hatte ihren Mann schnell geheiratet. Sie engagierten sich damals in einer neu gegründeten Kirchengemeinde. Beide waren begeistert und haben viel mit Gott erlebt. Hatte sie das blind gemacht für die Frage, ob sie zueinander passen? Oder haben sie geglaubt, dass Gott alles gut macht, was schwierig ist? Irina kann sich heute nur schwer in ihr jüngeres Ich zurückversetzen.

Um zu verstehen, warum Ehen scheitern und was Ehen schützt, muss man manchmal auf die Partnerwahl zurückblicken. Denn die gelingt nicht immer. Befunde aus der Paarpsychologie legen nahe, dass knapp die Hälfte der Paare umfassend zufrieden mit ihrer Beziehung ist. Sie sagen: „Ich könnte nicht glücklicher sein, auch wenn bei uns natürlich nicht alles perfekt ist.“ Andere zweifeln in dunklen Stunden an ihrer Wahl. Sie sagen: „In manchen Bereichen passen wir gut zusammen, aber in anderen fehlt etwas so Wichtiges.“

Wie nicht jeder den perfekten Beruf oder die perfekte Wohnung findet, verliebt sich nicht jeder Mensch in eine Person, die umfassend passt. Viele Menschen entwickeln erst nach der Hochzeit die Reife, die erkennen lässt, wer man im Tiefsten ist und was man braucht. Doch niemandem würde man raten, deshalb mit der Partnerwahl zu warten, bis man 40 ist. Besser geht man ins Risiko. Mit diesem Risiko kann man einen Weg finden.

Meist kann man den Mangel bewältigen, bevor dadurch die Ehe zerbricht oder sich ein Verliebtsein außerhalb der Ehe entzündet. Dazu ist etwas nötig, das man in der Psychologie Trauerarbeit nennt. Vieles kann fehlen in einer Ehe: tiefere Gespräche, Berührungen, leidenschaftliche Sexualität, gemeinsame Interessen, emotionale Wärme. Wenn klar wird: Das Gegenüber kann das von der Persönlichkeit her nicht geben und möchte sich auch nicht auf eine Entwicklung einlassen, ist das wie ein Verlust, der existenziell erschüttert. Doch Menschen kommen selbst über schwere Verluste hinweg und werden wieder glücklich. Warum sollte das nicht auch funktionieren, wenn in der Ehe etwas fehlt? Doch die Trauer darüber verläuft ähnlich heftig. Sie beginnt, wenn man nicht mehr gegen den Mangel ankämpft, sondern ihn akzeptiert: „Das fehlt mir. Ich würde es so dringend für mein Glück brauchen. Doch ich werde es in meiner Liebesbeziehung nicht bekommen.“

Die Trauer darüber kann überwältigend sein. Man darf damit nicht allein bleiben. Man braucht gute Freunde und Begleiter, die einfach mit aushalten. Trauer verläuft in Wellen. Endlich glaubt man, allmählich damit klarzukommen, schon rollt eine neue Welle heran. Doch irgendwann wird eine Freude spürbar, ein neues Glück. Glaubende Menschen entdecken manchmal: „Genau da, wo mir menschlich etwas fehlt, ist meine Beziehung zu Gott inniger geworden. Hier ist jetzt Gott selbst mein Glück.“ Hätte es Irinas Ehe gerettet, wenn sie vor 15 Jahren getrauert hätte, statt weiter zu kämpfen und zu scheitern, statt weiter zu hoffen und enttäuscht zu sein? Vielleicht. Ihr Irren bei der Partnerwahl wiegt schwer, weil die Persönlichkeit ihres Mannes so wenig von dem abdeckt, was sie braucht. Es ist tragisch, wenn einem das erst im Nachhinein bewusst wird. Doch nicht immer liegt es an der Partnerwahl, wenn man das Gefühl hat: „Wir passen einfach nicht zusammen.“

Ein Fundament für die Ehe bauen, bevor die Stürme kommen

Heiko hat einen tiefen Glauben. Er hat seine Familie mitgezogen und Familienandachten eingeführt. Manchmal hat er die anderen moralisch unter Druck gesetzt. Denn Heiko hatte klare Vorstellungen, wie man als Christ lebt und wie nicht. Umso schockierender war es, dass ausgerechnet er fremdgegangen ist, zunächst heimlich und dann ganz offen. Wie passt das denn zu dem, was Heiko immer so ernsthaft vertreten hat? Doch Heiko hat seinen Glauben einfach an seine Gefühle angepasst: Man müsse auf das hören, was einem das Herz sagt. Gott wisse, dass Menschen scheitern, und er vergibt. Er möchte nicht, dass man in einer Ehe bleibt, die einem wie ein Gefängnis vorkommt. Das hätte Heiko so nie vertreten – bis die andere kam.

Kann man dem vorbeugen? Damit man nicht irgendwann von Gefühlen bestochen und seiner Überzeugung untreu wird? Ja, aber dazu braucht man eine Bindung, die wichtiger ist als das eigene Glück. Für mich persönlich sah das so aus: Ich habe als junger Erwachsener zum christlichen Glauben gefunden, der seither mein Leben prägt und mir mit der Bibel ein gutes Wertefundament gibt, die meine Entscheidungen leitet. Seit 30 Jahren habe ich deshalb Menschen, denen ich davon erzählen darf, wie sich mein Leben entwickelt. Sie helfen mir, auf dem Weg zu bleiben, den ich für mein Leben als richtig erkannt habe. Was sonst könnte mich halten, wenn ich einmal vor einem Abweg stehe?

Wenn mich jemand fragt, wie man eine Ehe aufbauen kann, würde ich daher antworten: „Überlege dir, was du tun möchtest, wenn die Stürme kommen, mit denen jeder rechnen muss: ein Fremdverliebtsein, eine emotional unerträgliche Situation oder auch eine Wüstenzeit, in der schöne Gefühle in der Beziehung fehlen. Und sorge jetzt dafür, dass du dann nach deinen Werten handeln wirst.“ Man kann sich gegenüber einem Freund oder einer anderen Vertrauensperson festlegen: „Wenn ich einmal in eine solche Situation gerate, möchte ich so damit umgehen. Erinnere mich dann bitte daran, frage nach, lass dich nicht abwimmeln.“

Wer glaubt, kann sich auch Gott gegenüber festlegen: „Ich werde mich dann eine Woche in die Stille zurückziehen, um zu hören, wie du mich weiter führen möchtest.“ Auch das ist keine Garantie für das Gelingen einer Ehe, aber es ist ein Fundament dafür, mit Krisen so umzugehen, wie es der eigenen Überzeugung entspricht. Ich habe schon viele Paare begleitet, für die genau das die Ehe gerettet und wieder glücklich gemacht hat.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut mit eigener Praxis in Heidelberg. Er ist mit Vorträgen, Büchern und Online-Kursen unterwegs, um Ehen zu stärken (psychotherapie-berger.de/family).