Mehr Bücher als Tassen im Schrank: Ein Plädoyer für das Lesen
Jennifer Zimmermann liebt es zu lesen – und ihren Kindern vorzulesen. Auch wegen der Krummeluspillen …
Ich habe eine Lieblingsgeschichte. Sie spielt in einer kleinen schwedischen Stadt in einem großen, bunten, vielleicht etwas maroden Haus, auf dessen Veranda manchmal ein Pferd steht. Hier präsentiert Pippi Langstrumpf ihren staunenden Freunden Tommy und Annika etwas, das aussieht wie drei gelbe Erbsen: „Krummeluspillen“. Wer sie im Dunkeln schlucke und dazu „Liebe kleine Krummelus, niemals will ich werden gruß!“ sage, der werde fast ganz bestimmt nicht erwachsen. Denn Erwachsene, da sind sich die drei Freunde einig, wissen nicht mehr, wie man spielt und trauen sich vor lauter Aberglauben nicht mal mehr, das Messer abzulecken.
Astrid Lindgren vermittelt Hoffnung
Astrid Lindgrens Weisheit in dieser Geschichte beeindruckt mich nicht nur, sie bewegt mein Herz. Sie lässt mich lächeln, selbst wenn draußen der Matsch steht und der Nebel tief zwischen den Ästen festhängt. Es ist eine unbeschwerte Hoffnung, von der sie erzählt. Eine Hoffnung, die es für möglich hält, dass jeder von uns sich mindestens ein paar Krümel vom kindlichen Lebensfreudekuchen aufheben kann. Eine Hoffnung, die weiß, dass es kleine und ein paar große Menschen gibt, denen man den Genuss des Augenblicks nicht erst in langwierigen Achtsamkeitsübungen wieder beibringen muss. Es sind Lieblingsgeschichten wie diese, wegen denen ich meinen Kindern so gern vorlese.
Sie vermitteln eine Botschaft, die ohne die Hilfe der Erzählung, ohne die Erschaffung einer einprägsamen Figur wie Pippi Langstrumpf, kaum so zu Herzen gehen würde.
Lesen ist Kurzurlaub
Worte faszinieren mich, seit ich lesen kann. Dieselben Buchstaben, die sachlich beschreiben, wie eine Blume aufgebaut ist, können uns an dem Gefühl teilhaben lassen, das der Autor hatte, als er im Sommer mitten in einer Blumenwiese saß. Sie fangen die Sichtweise eines wertvollen Menschen Gottes ein und zeigen uns die Welt aus seiner Sicht. Wenn wir lesen, schnuppern wir die Lebensluft des Autors, und das kann sich anfühlen wie ein Kurzurlaub. Ein Tapetenwechsel. Manchmal finden wir dann Botschaften, die die Unbeschwertheit in Person hereinlassen, die mit ihren roten Zöpfen auf einem Pferd in den manchmal grauen Erwachsenenalltag reitet. Manchmal erkennen wir auch Anteile von uns selbst wieder in den Geschichten und finden neue Worte für das, was uns beschäftigt. Wir lernen, was es für andere heißt, wütend zu sein. Ängstlich. Traurig. Verliebt. Geschichten, die mit Liebe und Feingefühl erzählt werden, machen diese Welt zu einem besseren Ort.
Es gibt fast nichts, was ich mit meinen Kindern lieber tue, als ihnen vorzulesen, weil ich ahne, dass ich einen Funken Faszination für die unendlichen Möglichkeiten des geschriebenen Wortes weitergebe. Wie ein Kind tauche ich dann selbst wieder in die alten und neuen Geschichten ein. Plötzlich ist es leicht, den Moment zu genießen und all das, was in meinem Gehirn so unheimlich wichtig tut, für eine Weile stumm zu schalten. Man muss wirklich mehr Bücher als Tassen im Schrank haben, finde ich. Oder „Krummeluspillen“.
Jennifer Zimmermann lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Bad Homburg.
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[…] Lesen ist ein komplexer Prozess. Ein Buchstabe muss in einen Laut und der Laut in einen Sinn umgewandelt werden. Das erfordert Anstrengungsbereitschaft und ohne Freude bleibt das Lesen ein notwendiges Übel im Schulalltag. Digitale Medien wie Chatnachrichten, Anweisungen in Apps und Teasertexte sind kein Ersatz für Printmedien, denn sie fördern kaum Wortschatz, Konzentration, Kreativität und Empathie. […]
[…] Lesen ist ein komplexer Prozess. Ein Buchstabe muss in einen Laut und der Laut in einen Sinn umgewandelt werden. Das erfordert Anstrengungsbereitschaft und ohne Freude bleibt das Lesen ein notwendiges Übel im Schulalltag. Digitale Medien wie Chatnachrichten, Anweisungen in Apps und Teasertexte sind kein Ersatz für Printmedien, denn sie fördern kaum Wortschatz, Konzentration, Kreativität und Empathie. […]
[…] es nicht übers Herz bringt, den eigenen Büchern an den Kragen zu gehen, der schaut sich auf dem Bücherflohmarkt um. In vielen Städten gibt es außerdem Tauschstationen für Bücher, wo man alte Bücher abgeben […]
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