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Vorfreude oder schlechtes Gewissen? So gelingt der Kita-Start

Am Ende der Elternzeit steht der Wiedereinstige in den Beruf an. In die Vorfreude mischt sich aber oft das schlechte Gewissen, weil das Kind in die Kita muss. Familienberaterin Daniela Albert verrät, wie der Übergang gelingt.

Mit dem Gedanken an den Kita-Start tun sich viele Eltern schwer. Sie entscheiden sich, andere Menschen in das Leben ihres Kindes zu lassen und sie ein Stück loszulassen. Das Kind wird zukünftig ein paar Stunden am Tag ohne die Eltern verbringen und sie müssen sich darauf verlassen, dass es dem Nachwuchs dort gut geht. Dass Eltern da erst einmal nervös sind und nicht nur voller Vorfreude, ist normal.

Leider ist bei der U3-Betreuung auch das schlechte Gewissen ein Begleiter, besonders für Mütter. Gerade in Westdeutschland sozialisierte Frauen tun sich schwerer mit dem Gedanken, dass ihre Kleinkinder außerhäuslich betreut werden sollen. Das liegt daran, dass unsere eigene Müttergeneration und oft auch unsere Großmütter länger für die Kinderbetreuung zuständig waren. So hat sich bei uns eingebrannt, dass dies der beste Weg ist, ein Kind durch die Kleinkindjahre zu begleiten.

Oft gilt die Betreuung von Kleinkindern durch ihre Mütter auch als der „natürliche Weg“. Menschheitsgeschichtlich war es allerdings nur eine sehr kurze Zeitspanne so, dass Mütter nach der Geburt von Kindern mehrere Jahre Zeit hatten, sich nur auf diese zu konzentrieren. Selbst unsere Großmütter hatten diese Zeit nicht, sie hatten viele zusätzliche Aufgaben in Haus, Garten oder gar nicht so selten auch durch einen dringend benötigten Zuverdienst. Schon immer gab es andere Menschen, die Mütter deshalb bei der Betreuung ihrer Kinder unterstützt haben.

Viel Zeit für Eingewöhnung einplanen

Der Unterschied zur Kita ist allerdings, dass die sich kümmernden Personen zumeist von Anfang an im Umfeld der Kinder waren. In der U3-Betreuung muss ein Kind nun neuen Menschen vertrauen lernen – und die Eltern auch! Ich empfehle daher, viel Zeit für die Eingewöhnung einzuplanen, sodass Eltern und Kinder die Möglichkeit haben, die neuen Betreuungspersonen gut kennenzulernen. Vielleicht können die Eltern vor der offiziellen Eingewöhnung schon ab und zu für einen Besuch in der Kita vorbeigehen oder bereits Kontakte zu anderen Kita-Familien knüpfen. Je vertrauter dem Kind die neuen Menschen sind, desto leichter werden auch die Eltern sich tun.

Für den Anfang ist weniger mehr – Eltern sollten mit wenigen Stunden am Tag starten Sie mit wenigen Stunden am Tag, sofern der Beruf die Möglichkeit dazu bietet, und dann die Zeit steigern, wenn das Kind dafür bereit ist. Und ganz wichtig: Die Bindungsarbeit, die Eltern zu Hause machen, ist noch immer entscheidend! Ein liebevolles, zugewandtes Elternhaus, in dem ein Kind erlebt, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden, ist ein starker Rückhalt und gleicht auch eine eventuell einmal nicht ganz optimale Betreuungssituation aus. Nur Mut und viel Freude beim Wiedereinstieg!

Daniela Albert ist Autorin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de), lebt mit ihrer Familie in Kaufungen.

„Bedrängt mich nicht, aber bietet Unterstützung an!“

Wie erleben junge Erwachsene die Abnabelung von den Eltern? Was wünschen sie sich von ihnen? Borika Lea Luft (22) hat sich umgehört.

„Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich sage!“ Wie oft haben wir als Kinder diesen Satz gehört – nicht unbedingt in dieser Formulierung, aber doch in allen möglichen Variationen. Manchmal haben wir uns wirklich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich auszuziehen und zu machen, was wir wollen. Nicht von Mama und Papa abhängig zu sein, selbst bestimmen zu dürfen und einfach frei zu sein. Und auf einmal beginnt diese Zeit des Loslassens, Abnabelns, Ausziehens, Unabhängigwerdens, ob aufgrund des Studiums, der Arbeit, eines Auslandsjahres oder einer Beziehung. Gründe wie auch Zeitpunkte sind unterschiedlich, aber irgendwann kommen alle Eltern und ihre Kinder an den Punkt, an dem sie einander auf irgendeine Weise loslassen müssen. Manche fürchten sich davor, andere sehnen es herbei.

AN DEN GEDANKEN GEWÖHNEN

Auch meine Eltern und ich stecken in diesem Prozess. Ein erstes Loslassen gab es, als ich mit 19 für ein halbes Jahr auf eine Bibelschule ging. Das erste Mal richtig weg von Mama und Papa, weitgehend auf mich allein gestellt. Die sechs Monate haben mich sehr geprägt – in meinem Glaubensleben und meiner Beziehung zu Jesus und auch in Hinblick auf die Nähe zu meinen Eltern. Der Weg dahin war für mich sehr schwer, da ich schon immer sehr an meinen Eltern hing und es für mich kaum etwas Schlimmeres gab, als von ihnen getrennt zu sein. Doch diese Zeit ist für uns zum Segen geworden.

Nach der Bibelschule zog ich aufgrund meiner beruflichen Situation wieder daheim ein. Jetzt, mit 22, wohne ich immer noch beziehungsweise schon wieder im Elternhaus und komme nicht umhin, mich tagtäglich mit dem Thema „Loslassen“ und allen zugehörigen Fragen zu beschäftigen. Vor allem meinem Vater ist es schon immer sehr wichtig gewesen, dass meine zwei jüngeren Brüder und ich uns an den Gedanken gewöhnen, irgendwann auf uns allein gestellt zu sein, eigene Entscheidungen treffen und für uns selbst Verantwortung zu übernehmen. Unsere Eltern betonten aber stets, dass sie immer für uns da seien, wenn wir Hilfe oder Unterstützung bräuchten. Und das waren und sind sie auch.

ZWEI TERMINKALENDER

Im Gespräch mit Freunden und Freundinnen zwischen 18 und 23 Jahren habe ich festgestellt, dass Loslassen ein sehr individueller und subjektiver Prozess ist. Jede und jeder versteht ein bisschen etwas anderes darunter. Manchen fällt es leichter, andere tun sich schwer damit, sich zu lösen. Deshalb fand ich es spannend zu erfahren, was andere junge Erwachsene denken und habe sechs Freunde und Freundinnen befragt. Vier von ihnen sind Studierende oder gehen noch zur Schule, zwei stehen an der Schwelle zum Eintritt in das Arbeitsleben. Drei sind schon ausgezogen, die anderen leben noch im Elternhaus. Als Gründe für den Auszug von daheim wurden die Entfernung zur Uni oder Schule, die Heirat oder ein angespanntes Verhältnis zu einem Elternteil genannt. Ob schon ausgezogen oder noch zu Hause lebend – fast alle bewerteten das aktuelle Verhältnis zu den Eltern als gut bis sehr gut. Bei allen Befragten fiel auf, dass sie die Beziehung zu den Eltern in der Pubertät als angespannt und weniger gut beschrieben und der Wunsch nach Freiheit von den Eltern in dieser Zeit groß war.

Auf die Frage, was „Loslassen“ in Bezug auf Eltern und Elternhaus für sie bedeute, wurden folgende Antworten gegeben: „Ausziehen und allein leben“, meint Eduard (18). Bennet (19) nennt die Stichworte „Verantwortung annehmen“ und „selbstständig werden“. „Nicht mehr abhängig sein, eigene Entscheidungen treffen, versuchen, alles selbstständig zu erledigen, wie kochen oder waschen“, lautet die Antwort von Jon (20). Für Melli (20) stehen „Selbstständigkeit, zwei Terminkalender haben, nach eigenen Lösungen suchen“ im Vordergrund. Und Sara (21) antwortet: „Loslassen bedeutet für mich, meine gewohnte Routine mit meinen Eltern loszulassen und eine neue, eigene Routine zu finden. Loslassen bedeutet für mich nicht, seine Eltern nur noch selten zu sehen und sich ganz von ihnen abzuschotten.“

Diese Aussage finde ich sehr bezeichnend. Loslassen heißt nicht, seine Eltern in die Wüste zu schicken, sondern sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufzubauen, welches die Eltern zwar enthält, aber nicht durch sie vorgegeben wird.

Rebekka (23) ergänzt diesen Gedanken. Loslassen bedeute für sie, sich selbst zuzutrauen, im Leben klarzukommen. Sie müsse nicht ständig wissen, was ihre Eltern machen und diese nicht, was Rebekka mache. Gleichzeitig finde sie, dass Loslassen auch die Freiheit beinhalte, sich diese Dinge gegenseitig freiwillig zu erzählen. Es bedeute, sich gegenseitig Freiheit zu geben.

Fast allen der Befragten ist oder wäre es wichtig, mit ihren Eltern in Kontakt zu bleiben, ob über Handy, Mail oder durch regelmäßige Besuche.

VERTRAUENSBEWEIS

Letztens kam mir ein Bild für das Loslassen in den Kopf: Ein Vater steht mit seinem Kind an einem Fußgängerüberweg und nimmt es an die Hand. Das Kind möchte sich losreißen und über die Straße zum Park rennen. Es realisiert nicht, dass Autos angerast kommen, die es umfahren könnten. Der Vater erkennt die Gefahr, hält das Kind fester und erklärt ihm: „Es ist gefährlich, einfach so über die Straße zu rennen. Ich möchte, dass du an meiner Hand bleibst, bis wir auf der anderen Straßenseite sind. Ich werde dich sicher nach drüben bringen.“ Das leuchtet dem Kind ein und es geht an der Hand des Vaters über die Straße. Je näher sie der anderen Straßenseite kommen, desto unruhiger wird das Kind. Es möchte allein laufen. Der Vater würde es lieber weiterhin an der Hand halten. Aber er sieht ein, dass das Kind nur noch stärker an seinem Arm ziehen und sich vielleicht einfach losreißen wird, wenn er es nicht loslässt. Also gibt er das Kind frei und es kann allein laufen. Der Vater setzt sich auf eine Bank und beobachtet es aus einer Distanz. Das Kind kann sich frei bewegen, aber es sieht, dass er doch noch irgendwie da ist. Sollte also etwas passieren, hätte es die Möglichkeit, zum Vater laufen.

Dieses Bild bedeutet für mich, dass wir die Führung unserer Eltern bis zu einem gewissen Punkt brauchen. Sie haben mehr Erfahrung, oft mehr Überblick und wissen wirklich manches besser – auch wenn wir das als Teenager oft bezweifeln. Je näher wir dem Erwachsenesein kommen, desto mehr Freiheit wünschen wir uns. Wir zerren an der Hand, wollen allein laufen. Jetzt liegt es an unseren Eltern: Lassen sie uns freiwillig los und unterstützen uns bei unserem Erkundungsdrang? Oder halten sie uns weiter fest und riskieren damit, dass wir uns weiterhin an ihnen festklammern oder dass wir uns losreißen und wegrennen? Loslassen hat viel mit Vertrauen zu tun. Es ist es ein echter Vertrauensbeweis, wenn die Eltern ihre Kinder fliegen lassen. Wenn sie ihnen zutrauen, sich selbstständig im Leben zurechtzufinden und klarzukommen.

KEINE ROMANE ERWARTEN

Zum Schluss habe ich meine Freunde und Freundinnen gefragt, wie sich Eltern nach dem Auszug der Kinder verhalten sollten. Sara hat sich von ihren Eltern gewünscht, „mich zu unterstützen und die Trauer nicht so sehr zu zeigen und verständnisvoll zu sein.“ Jon ist es wichtig, dass seine Eltern ihn „auf Anfrage hin unterstützen, sonst mich meinen Aufgaben selbst überlassen.“ „Lauft mir nicht nach, sonst komme ich nicht wieder“, würde Eduard seinen Eltern raten. Und Melli meint, ihre Eltern sollten nicht enttäuscht sein, wenn sie ohne sie auskommt. „Erwartet keine Romane von meinem Leben“, formuliert Bennet, während Rebekka betont: „Bedrängt mich nicht, aber bietet Unterstützung an!“ Liebe Eltern, wir möchten einerseits unabhängig sein, aber andererseits mit dem Wissen in die Welt gehen, dass ihr für uns da seid, wenn wir euch von uns aus um Hilfe oder Unterstützung bitten. Lasst uns frei, aber seid erreichbar. Bevormundet uns nicht, aber gebt uns Rat, wenn wir ihn erbeten. Und vor allem, betet für uns um Segen, Bewahrung und Weisheit. Das ist nämlich das größte Geschenk, das ihr uns mit auf den Weg ins Erwachsenenleben geben könnt.

Borika Lea Luft (22) lebt in Pforzheim, studiert Soziale Arbeit und absolviert zurzeit ihr Praxissemester bei pro familia. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in ihrer Gemeinde.

 

Borika Lea Luft hat für diesen Artikel einen Fragebogen entwickelt, um junge Erwachsene zum Thema Abnabelung und Loslassen zu befragen. Die Befragten haben ihn als sehr hilfreich empfunden. Deshalb haben wir ihn zum Herunterladen online gestellt.

Besuche anmelden?

„Unsere Tochter kommt gern spontan vorbei, ohne vorher Bescheid zu sagen. Ehrlich gesagt, stört mich das. Ich habe aber die Sorge, dass sie sich nicht mehr willkommen fühlt, wenn ich sie bitte, ihre Besuche anzukündigen.“

Genauso wie Kinder sehr unterschiedlich sind, gibt es auch unterschiedliche Eltern. Während die einen nach dem Auszug der eigenen Kinder am liebsten weiterhin über jeden Schritt genau unterrichtet wären, sind andere Eltern gar nicht so unglücklich darüber, dass sie ihren Tagesablauf wieder nach eigenen Bedürfnissen ausrichten können und sich nicht ständig nach den Kindern richten müssen. Es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Deshalb müssen Sie sich nicht schlecht dabei fühlen, wenn Sie jetzt, nach dem Auszug Ihrer Tochter, für sich selbst Grenzen ziehen möchten.

AUSGEZOGEN – ABER AUCH ABGENABELT?
Wichtig ist es jedoch, dass Sie trotzdem auch die Seite Ihrer Tochter sehen. Mit dem Auszug aus dem Elternhaus vollzieht sich für Ihre Tochter die endgültige Abnabelung von den eigenen Eltern. Manche Kinder genießen das in vollen Zügen und melden sich nur noch sporadisch zu Hause. Andere dagegen brauchen einen „Anker“. Sie wünschen sich einen festen Platz, an den sie immer wieder zurückkehren und zur Ruhe kommen können. Dieser Ruhepunkt ist das eigene Elternhaus. Möglicherweise ergibt sich das Bedürfnis, diesen Fluchtpunkt aufzusuchen, für Ihre Tochter sehr spontan.

GEÄNDERTER TAGESABLAUF DER ELTERN
Reden Sie mit Ihrer Tochter darüber, dass Sie nach ihrem Auszug einen anderen Tagesablauf haben und es deshalb notwendig ist, dass Sie über spontane Besuche vorher informiert werden. Machen Sie Ihr klar, dass Sie sich natürlich über ihre Besuche freuen, aber dass Sie nicht möchten, dass Ihre Tochter bei einem unangemeldeten Besuch vor verschlossener Tür steht. Sollte Ihre Tochter noch einen Wohnungsschlüssel haben, so besprechen Sie mit ihr, dass dieser Schlüssel nur für Notfälle gedacht ist und nicht zum Betreten der Wohnung während Ihrer Abwesenheit.

MIT EINFÜHLUNGSVERMÖGEN ABGRENZEN
Erklären Sie ihr, dass Sie sie gerne jederzeit willkommen heißen und ihr auch extra das Lieblingsessen kochen oder die Lieblingsschokolade im Kühlschrank lagern, aber dass das nur möglich ist, wenn Sie vorher Bescheid sagt. Im ersten Moment ist es für erwachsene Kinder sicherlich nicht einfach, plötzlich wie ein Besucher behandelt zu werden. Wenn Sie jedoch Ihr Anliegen in die richtigen Worte kleiden, wird Ihre Tochter Sie sicherlich verstehen. Erwachsene Kinder ziehen aus, um ihr eigenes Leben zu leben. Dieses eigene Leben steht jedoch auch den Eltern zu. Deshalb müssen Eltern kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie nach Auszug der Kinder ihren Tagesablauf ändern und infolgedessen darauf bestehen, dass sich die Kinder bei einem Besuch anmelden.

Ingrid Neufeld ist Erzieherin und Mutter von drei inzwischen erwachsenen Töchtern. Sie lebt in Mittelfranken.