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Ein Paar, zwei Perspektiven: Politik

Große Politik am Küchentisch

Katharina Hullen findet den in Lockdownzeiten eingeführten Familienrat großartig.

Katharina: Politik ist, wenn sich Menschen streiten. Insofern gibt es in unserer Familie jede Menge Anlässe für Politik. Die spannende Frage ist: Auf welche Weise wird gestritten? Und: Sind Kinder überhaupt ernst zu nehmende Verhandlungspartner bei der Suche nach tragfähigen Lösungen? Da haben uns die Lockdownzeiten mindestens eine gute Sache gebracht: den Familienrat. Ehrlich, liebe Leserin, lieber Leser, ihr würdet staunen, wie viel Struktur und neue Kompetenzen so ein Rat in das Familienleben bringen kann. Nach zwei Jahren verstehe ich zuweilen Herbert Grönemeyers Forderung nach „Kinder an die Macht!“. Kinder finden erstaunlich schnell Kompromisse und Auswege aus Konflikten. Wir führten den Rat ein, um uns allen eine Struktur – eine Art Stundenplan – zu geben, nach der wir uns richten konnten. Wir wollten nicht gänzlich im Schlafanzug, vereinzelt oder im Streit miteinander vor irgendwelchen Endgeräten verlottern. Am Ende ist dieser Rat nun viel mehr als das geworden. Hier werden nicht mehr nur Wochenpläne geschrieben, sondern eigene Meinungen, Wünsche und Pläne vorgebracht, debattiert und ausprobiert. Auch Konflikte oder Dinge, die nicht so toll laufen, können hier angesprochen und gemeinsam angegangen werden. Wir alle haben gelernt, die berechtigten Interessen der anderen wahrzunehmen und uns bemüht, ein Familienleben zu gestalten, in dem diese Interessen möglichst ernst genommen werden. In einem Sieben-Personen-Haushalt wird es immer eine schwierige Herausforderung bleiben, Freiräume für die Einzelnen herauszuholen. Allein das Bewusstsein für die Wünsche der anderen, weil man schon mal zugehört hat, hat unser Miteinander verändert. Gehört zu haben, was die Eltern besonders belastet, führte zu zusätzlichen freiwilligen Tischdienstzeiten unserer großen Mädels, zu unaufgeforderten Spielzeiten mit den kleinen Brüdern oder dazu, dass Kleidung nicht so schnell in der Wäsche landet. Auch die Verteilung der sonstigen Aufgaben wird immer mal wieder neu verhandelt und organisiert – so lernen wir alle direkt zwei Dinge: vernünftige Absprachen funktionieren und das Leben ist kein Ponyhof. Und natürlich hatten die Mädels auch schnell raus: Je kooperativer das Familienleben, umso offener sind wir für Ideen, wie ihr Engagement belohnt werden könnte. Auch bei großen Entscheidungen wird gemeinsam diskutiert. Geht es im Sommer ans Meer oder in die Berge, in ein Ferienhaus oder eine Jugendherberge? Prompt werden Listen mit den Vor- und Nachteilen erstellt und kunstvoll ausgeschmückt, die Auswahl immer weiter eingegrenzt und schließlich entschieden. Unser Familienleben ist keinesfalls konfliktfrei, aber wir haben uns und unseren Kindern ein politisches Forum geschaffen. Es ist beeindruckend: Bei wichtigen Themen schaffen es auch ganz kleine Kinder, wie große Politikerinnen und Politiker zu agieren.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Haarspaltereien im grossen Krieg

Hauke Hullen sieht kindische Muster in der Weltpolitik.

Hauke: Debatten am Küchentisch im Vergleich zur Weltpolitik? Nach ein paar Jahren Beobachtung komme
ich zu dem Schluss: Alles der gleiche Kindergarten! Die politischen Kompetenzen gleichen sich hier wie dort. Dass Kinder nur beschränkt Einsicht in übergeordnete Zusammenhänge haben, ist nachvollziehbar. An ihrem „Ich! Will! Aber!“ zerstäubt jedes Argument. Doch als Eltern hoffen wir, dass durch gute Erziehung das Menschlein heranreift und irgendwann vernünftigere Entscheidungen treffen kann. Vor allem, wenn solche Individuen an der Spitze von Staaten stehen. Dort sollten doch Profis arbeiten, deren rationales Handeln am Allgemeinwohl ausgerichtet ist. Der Ukraine-Krieg zeigt, dass es nicht so ist. Absonderliche Ausreden werden konstruiert, um die Einnahme des Bruderstaates zu rechtfertigen, letztlich ein einziges wütendes „Ich! Will! Aber!“. Ja, mag sein, dass die Bauklötze einst Kind A gehört haben. Doch im Laufe der Zeit änderten sich die Eigentumsverhältnisse – mit dem Einverständnis von eben diesem Kind. Darum darf man nun auch nicht einfach zurückfordern, was man einst besessen oder verschenkt hat. Wie heißt es? „Geschenkt ist geschenkt, und wieder holen ist gestohlen!“ Auch einige Ausreden scheinen jeder Erziehung zu trotzen, zum Beispiel: „Das war ich nicht!“ Süßigkeiten leer? Das war ich nicht! Zimmer unordentlich? Das war ich nicht! Krim erobert? Das war ich nicht! Hatte Putin 2014 doch tatsächlich seine Soldaten ohne Hoheitszeichen auf die Halbinsel geschickt und verneint, dass die Truppen aus Russland stammten. So wie ein Kind sich die Augen zuhält und hofft, nicht mehr gesehen zu werden. Der kleine Bruder vom „Das war ich nicht!“ ist „Das war der andere!“, mit dem die Verantwortung gerne in einer Täter-Opfer-Umkehr verschoben wird. Im familiären Kontext gipfelt das im leicht durchschaubaren „Der hat zuerst zurückgehauen!“ – und so werde ich auch misstrauisch, wenn russische Seiten behaupten, dass all die Krankenhäuser, Wohnblocks und Schulen von den Ukrainern selbst zerbombt worden seien. Was für ein skurriler Krieg, wo der Angegriffene das Werk der Selbstvernichtung selber übernimmt! Apropos „Krieg“ oder „militärische Spezialoperation“: Auch das ist Eltern von Streithammeln wohlvertraut, dieses haarspalterische Abstreiten von Sachverhalten, weil die Titulierung vielleicht nicht exakt passt. Erst wird abgestritten, dem anderen vors Schienbein getreten zu haben – um hinterher einzuräumen, man habe das Knie getroffen. Kinder, ehrlich: Tritt ist Tritt, Bein ist Bein, Krieg ist Krieg! Und schließlich: Sobald Kind A etwas vorschlägt, ist Kind B dagegen, einfach weil der Vorschlag von Kind A stammt. Ich finde es durchaus berechtigt, auch diskutable Vorschläge abzulehnen, wenn diese von verabscheuungswürdigen Organisationen geäußert werden, denen der Vorschlag nur als Tarnung dient, um in der Gesellschaft salonfähig zu werden. Mit Rechtsextremen demonstriert man nicht, auch wenn diese nur die Abschaffung der Maskenpflicht fordern! Nun ist aber Kind A nicht per se verabscheuungswürdig, und auch die Mächte im UN-Sicherheitsrat sollten es eigentlich schaffen, sachorientiert miteinander zu arbeiten. Eigentlich. Es ist frustrierend: Bei wichtigen Themen schaffen es auch ganz große Politiker, wie kleine Kinder zu agieren.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Sinnlose Angebote

Im Wald baden

Katharina Hullen sucht zusammen mit ihrem Mann nach einem passenden Paar-Event und entdeckt allerhand Skurriles.

Katharina: Katharina: Kürzlich bekamen wir einen Erlebnisgutschein geschenkt. Nun stehen der beste Ehemann von allen und ich vor der Qual der Wahl, aus tausenden Erlebnissen das – ja, was genau soll es sein? – aufregendste, romantischste, erholsamste, außergewöhnlichste Event für einen besonderen Tag zu zweit herauszusuchen. Keine leichte Aufgabe, aber auf jeden Fall eine sehr unterhaltsame, denn neben all den Stadtführungen, Kochkursen und Funsport-Aktivitäten findet man allerlei skurrile Dinge, bei denen man sich fragt, warum Menschen dafür Geld ausgeben! So kann man sich für nur 29,90 Euro für 3 Minuten bei -150 Grad Celsius in einer Kältekammer einschließen lassen – was für ein Spaß, vor allem für mich, die schon bei 24 Grad plus fröstelt! Aber vielleicht ist es ja auch ein Schnäppchen – immerhin ist eine Tasse grüner Tee inklusive. Wer das gleiche Geld aus einem anderen Fenster werfen möchte, verschenkt ein Kinderhoroskop zur Geburt. Dort werden der Sternenstand am Tag der Geburt und die Auswirkungen auf Charakterzüge und Schicksal ausgewertet, vorhergesagt und in einer mehrseitigen Mappe zur Verfügung gestellt. Aha! Nein, vielleicht doch etwas Gemeinschaftsförderndes für die Paarbeziehung? Zum Beispiel Holzrücken: Da zieht man alte Baumstämme mithilfe von Pferden aus unwegsamem Waldgelände heraus. Für nur 84,90 Euro dürft ihr den ganzen Tag in schönster Natur dem Waldbesitzer seine schwere Arbeit abnehmen. Großartig! Wer zwar gerne im Wald sein möchte, aber dabei lieber nicht schuften will, bucht einfach 2,5 Stunden Waldbaden. Dort kann man mithilfe von diversen Achtsamkeitsübungen für 49,90 Euro die Ruhe des Waldes genießen. In Gruppen von bis zu 14 Personen. Und zwar in einem Waldgebiet in der Großstadt Essen, irgendwo zwischen A40 und A52. Und hier noch Empfehlungen für Tierliebhaber: Wem der Spaziergang in schöner Kulisse mit dem eigenen Partner nicht reicht, nimmt sich einfach wahlweise Alpaka, Rentier oder Esel mit. Was für eine wunderbare Vorstellung, wie Hauke vier Stunden lang mit einem Alpaka an der Leine durch Duisburg trottet! Wem das zu sportlich ist, dem sei das Husky-Knuddeln ans Herz gelegt: Für knapp 30 Euro darf man 2 Stunden lang einen Hund streicheln.
Interesse? Dann hätten wir auch selber noch ein paar Ideen: Wie wäre es mit meditativem Wäschefalten im Hause Hullen, pro Stunde für nur 19,90 Euro? Oder ihr puzzelt mit unserem 8-jährigen Autisten 4 Stunden lang das gleiche Puzzle? Alternativ könnten wir auch das große „Abenteuer Prozentrechnung (7. Klasse)“ anbieten (das Abfragen der Englisch-Vokabeln ist optional zubuchbar) für nur 49,90 Euro. Gibt auch eine Tasse Tee dazu! Ach ja, dieser Gutschein zeigt wunderbar, wie kreativ der Mensch werden kann, um Dinge an den Mann und die Frau zu bringen. Uns hat er eine schöne und lustige Paarzeit beschert – und zwar bereits beim Aussuchen des Erlebnisses. zeAls wir ihn einlösen wollten, war er schon abgelaufen.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Rehrücken-Shampoo für gefestigte Persönlichkeiten

Hauke Hullen kämpft mit Haushaltshelfern, die nicht helfen, und badet in Bolognese.

Hauke: Was für ein Jammer! Da ist der Mensch als Krone der Schöpfung mit göttlicher Kreativität gesegnet – und was macht er daraus? Er erfindet Dinge, die kein Mensch braucht. So blockiert seit Jahren ein Zwiebelschneider wertvollen Platz in der Küchenschublade. Dieses Ding, mit dem man in wenigen Sekunden eine Zwiebel würfeln kann, um sich danach eine Viertelstunde lang mit der Reinigung abzumühen. Sein dümmerer Bruder ist der Bananenschneider: eine Schere, die mit nur einem Schnitt direkt sechs Scheiben abtrennt. Was man davon hat? Ein weiteres schwer zu reinigendes Utensil, aber dafür auch eine respektable Zeitersparnis im niedrigen einstelligen Sekundenbereich. Und kennen Sie den Butterstempel? Einfach die Schablone leicht auf die Butter drücken, und schon zeigen feine Linien an, wie groß eine 20-Gramm-Portion ist. Wie haben die Leute bloß früher gewusst, wie viel Butter sie für ein Brötchen brauchen? Da wäre außerdem die Plastikdose für exakt eine Kiwi. Wann kommt die Dose für ein Paar Kirschen oder eine Erdbeere? Frühstücksboxen für Bananen gibt’s schon, gelb und gebogen. Was die Box nicht weiß: Die Norm-Bananen aus dem Supermarkt sind fast gar nicht mehr krumm, passen also gar nicht hinein. Wohl dem, der jetzt einen Bananenschneider hat!
Während hier unsere Intelligenz subtil beleidigt wird, geht es an anderer Stelle offensiver zu: Kaum sitze ich am Frühstückstisch, schreit mich mein Müsli an: „Feige Nuss!“ Der Honig nimmt mich nicht ernst und will mir seine Herkunft nicht verraten: Er komme „aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“. Warum schreibt man nicht direkt „Honig von irgendwo“? Oder: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“? Immerhin, der Käse ist ehrlich und sagt mir, wer und woran ich bin: „mittelalt“. Auch das Bad ist voll mit unnützen und missverständlichen Produkten: Wonach werde ich riechen, wenn ich das Shampoo „Frohe Weihnachten!“ benutzt habe? Nach Bratapfel oder Rehrücken? Das Duschgel meiner kleinen Söhne heißt „Wilde Tiere“. Wollte ich diesen Geruch nicht eigentlich loswerden? Auch das Duschgel von „Puma“ macht mich misstrauisch. Darum greife ich lieber zum nicht ganz so exotischen Badezusatz „Thymian & Oregano“ – um den Rest des Tages ein Odeur zu verbreiten, als hätte ich in Bolognese-Sauce gebadet. Was aber gewiss erträglicher ist als die gewagte Kombination des Axe-Duschgels „sneakers & cookies“. Turnschuh & Keks, ernsthaft? Schon der Drogerie-Einkauf erfordert eine gefestigte Persönlichkeit, legen diese Produkte doch den Finger in jede Wunde: „Fettiges Haar! Spröde Haut! Trockene Haare!“ Angeblich sollen die Shampoos umso besser sein, je mehr Beleidigungen draufstehen. Ein Wunder, dass sich so etwas verkauft. Aber schon der Ökonom Jean-Baptiste Say wusste: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage – offenbar auch, wenn das Produkt weitgehend sinnfrei ist. Apple warb einst mit „Wenn du kein iPhone hast, dann hast du kein iPhone“, eine Kinder-Spielkartenserie mit dem Slogan „Sammel sie alle!“ – kaufe etwas, damit du es hast. Der Besitz als reiner Selbstzweck – manchmal ist die Krone der Schöpfung ganz schön dämlich.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Zweirad zu zweit

Gemeinsame Radtouren sind für Christian Rommert und seine Frau eine Herausforderung. Trotz Designer-E-Bike.

„Du hast dir ein E-Bike gekauft?“, fragt mich ein Freund irritiert. Auf seiner Stirn kann ich lesen: „Jetzt wirst du wirklich alt!“ Ich habe ja selbst jahrelang über dickbäuchige, alte Männer mit Fahrradhelm gelästert, die mit ihren Pedelecs verloren den Stadtverkehr unsicher machen. Doch vor ein paar Monaten war die Zeit für mich reif: Ich wollte auch so ein Teil. „Dieses E-Bike ist ein Designer-E-Bike und deshalb mit dem bloßen Auge nicht als E-Bike erkennbar!“, erkläre ich stolz und zeige ihm meine neueste Errungenschaft.

ANGEBER-LEDERSATTEL

Ein holländischer Hersteller hat ein E-Bike für Hipster auf den Markt gebracht. Es sieht wirklich stylisch aus. Es ist mit digitaler Diebstahlsicherung ausgestattet und verfügt über jede Menge smarter Funktionen. Ich kann das Fahrrad von einer App aus ab- und aufschließen und die Gänge steuern. „Das ist schon cool!“, muss mein Kumpel zugeben. Ich habe mir sogar einen handgefertigten Angeber-Ledersattel eines bekannten britischen Herstellers zugelegt. Die bauen die Teile schon seit über 100 Jahren. Das Design des Fahrrads und der Vintage-Look meines Sattels lassen meinen Freund murmeln: „Das sieht wirklich schick aus!“

In der Stadt fahre ich jetzt fast nur noch Rad und wenn ich mal mit dem Zug irgendwo hin muss, parke ich mein Schätzchen in einer der Mietradboxen am Bahnhof. Ich find’s genial. „Jetzt braucht nur noch deine Frau so ein Teil“, sagt mir mein Freund. Das ist ein wichtiger Punkt. Denn in der Tat waren gemeinsame Radtouren von Katrin und mir bisher ein echtes Problem. Während sie mit hochrotem Kopf nicht hinterherkam, fühlte ich mich permanent unterfordert. Richtig schöne Radtouren machte ich allein oder mit unserem Sohn. Das sollte sich mit der Anschaffung von E-Bikes endlich ändern. Wenn wir beide ein Pedelec haben, könnten wir endlich zu zweit im gleichen Tempo durch die Gegend düsen. „Ja, Katrin hat auch eins“, antworte ich kurz angebunden. „Aber …“, buchstabiert mein Freund, der ahnt, dass längst nicht alles in Ordnung ist. „Naja, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, nehme ich meistens mein altes Fahrrad“, sage ich und erzähle ihm von unseren neuen Schwierigkeiten.

„ECO“ STATT „SPORT“

Katrin hatte sich sofort in ein Fahrrad mit roten Streifen verliebt. Eine 26-Zoll-Version mit starkem Mittelmotor und Rücktritt. Dann kam es zu unserem ersten gemeinsamen Ausritt. Ich düste vorneweg und merke erst an irgendeiner Ampel, dass Katrin nicht mehr da war. Interessanterweise hatte sich durch die Anschaffung eines E-Bikes noch immer nicht Katrins Geschwindigkeit an meine angepasst. Statt die gesetzlich möglichen 25 km/h auszureizen, cruiste sie mit gemütlichen 15 Stundenkilometern über den Radweg. „Du weißt aber, dass du nicht im ‚Eco-Modus‘ fahren musst, sondern ruhig auch mal auf ‚Sport‘ schalten darfst?“, fragte ich und verwies auf die Schülerinnen und Schüler, die sie auf ihren Kinderrädern überholt hatten.

„Eco fühlt sich sicherer an und spart Strom!“, erklärte sie mir, während wir gemeinsam auf Grün warteten. Auf den nächsten Kilometern unserer Tour schaltete ich meinen Motor einfach ab, und es wurde doch noch ein schöner Ausflug. Inzwischen machen wir immer mal wieder gemeinsame Radtouren. Allerdings fährt Katrin E-Bike mit Motor, und ich steige auf mein altes klappriges Herrenrad mit Dreigang-Narben-Schaltung. Dann ist es halbwegs fair – zumindest am Berg. Mein E-Bike, das mit Smartfunktion und dem tollen Design – das steht währenddessen in der Garage.

Christian Rommert ist Autor, Redner und Berater und Fan des VfL Bochum. Er ist verheiratet mit Katrin und Vater von drei erwachsenen Kindern. Regelmäßig spricht er das Wort zum Sonntag in der ARD.
Foto: Wolfgang Wedel

„Kann ich mir Zeit wünschen?“

„Ich feiere bald einen runden Geburtstag. Meine Kinder wollen mir gerne etwas Besonderes schenken, aber ich finde, ich habe schon alles. Was ich mir sehr wünsche, ist, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen. Kann ich mir das wünschen?“

Natürlich können Sie! Es stimmt ja, ab einem gewissen Alter und Einkommen hat man immer weniger materielle Bedürfnisse, die mit Geschenken befriedigt werden können. Aber gemeinsame Zeit wird immer kostbarer, vor allem, wenn die Kinder verstreut wohnen und gemeinsame Termine schwierig zu realisieren sind. Diese Zeiten gut zu gestalten und positive Erinnerungen zu schaffen, dazu eignen sich Anlässe, an denen die Familie sowieso zusammenkommt, besonders gut. Planen Sie auch ein, Fotos oder Videos von dem gemeinsamen Erlebnis zu machen.

WENN SIE ZU HAUSE BLEIBEN WOLLEN
Haben Sie früher gern gemeinsam gespielt? Dann holen Sie die altvertrauten Spiele wieder heraus. Oder lassen Sie sich ein neues Spiel schenken, das Sie zusammen ausprobieren.

Wann haben Sie das letzte Mal gemeinsam in alten Fotoalben gestöbert? Liegen irgendwo noch Fotos, die darauf warten, eingeklebt zu werden? Stellen Sie gemeinsam ein Album zusammen!

Haben Sie schon mal als ganze Familie gemeinsam gekocht? Es gibt Kochideen, die so aufwändig sind, dass sich eine gemeinsame Vorbereitung anbietet: Tapas, Frühlingsrollen mit verschiedenen Füllungen, Sushi, ein mehrgängiges Menü …

Eine auf den ersten Blick etwas schräge Idee ist ein gemeinsames Fußbad. Es vereint Entspannung und Geselligkeit mit Gemütlichkeit. Falls es passt, sitzen alle gemeinsam um die Badewanne, ansonsten brauchen Sie genügend Plastikwannen. Mit ausreichend Handtüchern, Badezusätzen, kalten Getränken und Musik wird das bestimmt eine einzigartige Erfahrung.

WENN SIE AUSSERHALB NACH IDEEN SUCHEN
Was haben Sie früher als Familie gern unternommen? Vielleicht eine Radtour, wandern, gemeinsam schwimmen, bowlen, minigolfen, Drachen steigen lassen? Tun Sie es einfach mal wieder! Waren Sie schon mal Tourist in Ihrer Heimatstadt? Machen Sie eine Stadtführung, besuchen Sie eine Ausstellung oder den botanischen Garten, besichtigen Sie eine Brauerei, buchen Sie eine Kanutour oder verbringen Sie einen Wellnesstag in der Sauna.

Wollen Sie etwas tun, das Sie noch nie gemacht haben? Gehen Sie gemeinsam Blut spenden. Spaß macht auch ein Fotoshooting. Oft gibt es Rabattaktionen, und es werden verschiedene Accessoires (von Seifenblasen bis zu Verkleidungen) zur Verfügung gestellt.

Trauen Sie sich in einen Escape Room. Hier handelt es sich um ein Team-Spiel, bei dem in der Gruppe mit Hilfe von Gegenständen und Hinweisen Rätsel gelöst werden müssen, um aus einem unbekannten Raum zu entkommen.

Und falls Sie jetzt doch „nur“ essen gehen wollen, erkundigen Sie sich nach einem „Erlebnis-Dinner“: Gruseldinner, Mittagessen unter Wasser, Gourmetstadtrundfahrt, Krimidinner, Ritteressen, Dinner in the Dark – eine dieser Möglichkeiten wird es auch in Ihrer Nähe geben.

Michaela Schnabel ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Sie arbeitet als Sozialpädagogin und lebt in Witten.

 

Kreative Familien-Action

„Wir würden gern mehr Zeit mit unseren Jugendlichen (16 und 18) verbringen. Habt ihr Ideen, was wir tun können?“

Uns macht es viel Spaß, gemeinsam etwas Neues auszuprobieren. Ein Besuch im Klettergarten ist herausfordernd und gemeinschaftsstärkend. Wir lieben es, ein Kanu für einen Tag zu mieten und damit über einen Fluss zu schippern. Toll, wenn auch nicht ganz billig, ist der Besuch einer Kartbahn oder eines Bogenschießclubs. Gemeinsame Wanderungen kann man aufmotzen durch gegenseitige Fotoshootings mit spektakulären Sprungbildern vorm Sonnenuntergang. Da machen sogar ansonsten fotoscheue Jungs gern mal mit.

Tag am Fluss

Unser Familienfavorit bei schönem Wetter ist aber ganz eindeutig der „Tag am Fluss“. Bepackt mit Decken, Picknick, Taschenmessern, Kordeln, Gitarre usw. suchen wir uns ein schönes, sonniges Plätzchen irgendwo an einem Fluss. Nach dem Aufbau des „Lagers“ ist den ganzen Tag über nichts wichtiger als Dämme aufschichten, Steinmänner bauen, schnitzen, lesen, träumen, essen und trinken und als Krönung ein abendliches Feuer mit singen und in-die-Sterne-gucken. Eine Variante ist es, den Tag mit einem Spiel zu beginnen: Jeder baut aus Naturmaterialien ein kleines Floß, das man um die Wette schwimmen lässt. Der Sieger ist „König“ und darf sich den Tag über von den anderen bedienen lassen. Unsere „Männer“ lieben es auch, über irgendein technisches Problem zu fachsimpeln. Beim letzten Mal haben sie ein voll funktionstüchtiges Wasserrad gebaut – herrlich sinnfrei und doch so erfüllend.

Outdoor-Spiele

Für „Straßenmühle“ werden kleine runde Steine gesucht und verschieden angemalt (einfache Filzstifte reichen aus). Dann malt man mit Kreide das Spielbrett auf eine Straße oder Asphaltfläche und los geht’s. Ähnlich geht das mit dem „Mensch-ärger-dich-nicht“ in Lebensgröße. Da sind wir selbst die Spielfiguren, die über das mit Kreide gemalte Straßen-Spielbrett gehen (gegenseitiges Rausschmeißen selbstverständlich inbegriffen!). Auch „Montagsmaler“ oder die guten alten „Galgenmännchen“ kann man wunderbar auf der Straße spielen.

Puddingparty

Sollte das Wetter noch ungenießbarer sein als die Launen unserer Jugendlichen, planen wir gerne die nächste Puddingparty. Jeder darf einen Freund einladen, und dann werden viele verschiedene Desserts gemacht. Zur Puddingparty gehören bei uns jede Menge Spiele. Am Abend ist uns schlecht vom Puddingessen und vielen Lachen. Schön ist auch der Familien-Galaabend. Jeder ist für einen Gang beim Menü zuständig, und alle erscheinen in festlicher Garderobe. Beim Essen erzählt jeder ein Erlebnis, das noch kein anderer kennt – witzig oder nachdenklich –, egal, Hauptsache, man lernt sich wieder von einer neuen Seite kennen. Krönen kann man den Abend mit einem Vintage- Schrottwichteln, bei dem jeder ein Schrottgeschenk mitbringt, das irgendwie witzig ist. Dann wird der Reihe nach gewürfelt und bei jeder Sechs wird ein Paket ausgepackt und später, wenn alle ausgepackt, sind, muss man bei einer Sechs mit einer anderen Person sein Geschenk tauschen. Wenn der Wecker nach genau zwanzig Minuten klingelt, behält jeder sein Geschenk. Eigentlich braucht es keinen Anlass zu so einem Fest, warum sollte man sich nicht einfach mal so zwischendurch als Familie feiern und etwas ganz Neues oder Verrücktes ausprobieren?

Valerie Lill ist Mutter von drei Söhnen zwischen 16 und 19 Jahren. Sie arbeitet als Musikerin und Musiktherapeutin und lebt mit ihrer Familie in Meinerzhagen.