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Fürsorge und Sicherheit: Worauf es bei bindungsorientierter Erziehung ankommt

Dass Kinder alle Wünsche erfüllt bekommen, ist eins der Vorurteile in Bezug auf bindungsorientierte Erziehung. Wie dieser Erziehungsansatz tatsächlich gedacht ist, erklärt Expertin Marina Hoffmann.

Viele Eltern wollen sich von den Erziehungsmethoden ihrer eigenen Kindheit distanzieren und suchen nach neuen Wegen der Erziehung. Wichtig dabei ist jedoch, sich nicht allein aus eigenen Kindheitswunden heraus leiten zu lassen, sondern einen klaren Blick dafür zu bekommen, was Kinder zum gesunden Aufwachsen brauchen.

Gefühlsausbrüche

Manche Eltern fühlen sich beispielsweise dazu bewegt, jede Träne oder Wut ihres Kindes zu vermeiden, um die Beziehung nicht zu belasten oder das Kind nicht zu verletzen. Und ja, die Gefühlswucht von Kindern, wenn sie Grenzen erleben, kann sehr schwer anzusehen sein. Man möchte sein Kind am liebsten davor beschützen – und vielleicht auch sich selbst. Es erfordert sehr viel Energie und die Fähigkeit zur Selbstregulation, um diese unangenehmen Gefühle auch halten und begleiten zu können.

Aus entwicklungspsychologischer Sicht schaden Gefühlsausbrüche und Tränen aber weder der Kind-Eltern-Beziehung noch dem Kind selbst, ganz im Gegenteil: Die Bindung zwischen Kind und Elternteil kann sogar gestärkt werden, wenn das Kind dabei die Erfahrung macht, dass seine Eltern diesen Gefühlen einen sicheren Raum geben und trotz des Wutanfalls weiterhin präsent und zugewandt bleiben. Ein Kind, das in seiner Wut gesehen wird und Co-Regulation erfährt, lernt, dem eigenen Frust einen gesunden Ausdruck zu geben. Langfristig lernt es, seine Gefühle besser zu regulieren. Es macht außerdem die Erfahrung, dass seine Eltern Werte und Grenzen haben, für die sie einstehen dürfen.

Führung und Fürsorglichkeit

Die Co-Regulation eines 3-jährigen Kindes kann beispielsweise so aussehen: 1 „Ja, du bist jetzt echt sauer. Das ist richtig ärgerlich.“ Sieh das Kind in seinem Frust mit einer annehmenden Haltung und benenne das Gefühl.

2 „Drück gegen meine Hände, zeig mir, wie viel Wut du in dir hast!“ Zeige eine Möglichkeit auf, wie das Kind seinen Frust herauslassen kann, ohne jemanden zu verletzen. 3 „Puh, das war heftig. Aber wir haben es geschafft. Komm, wir knabbern jetzt einen Apfel.“ Versichere dem Kind, dass die Beziehung keinen Schaden genommen hat. Besprich die Situation erst, wenn das Kind entspannt und wieder aufnahmefähig ist.

Entgegen manchen Vorurteilen unterstützt der bindungsorientierte Ansatz also weder eine partnerschaftliche Haltung gegenüber dem Kind noch eine Erziehung ohne Grenzen. Vielmehr brauchen Kinder einen fürsorglichen Erwachsenen, der Sicherheit ausstrahlt und bei dem sie sich fallen lassen können. Elterliche Führung, gepaart mit unerschütterlicher Fürsorglichkeit, sind die Voraussetzungen, dass das kindliche Nervensystem Sicherheit registrieren und zur Ruhe finden kann.

Marina Hoffmann ist Expertin und Coach für Bindungsorientierte Erziehung.