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Warum sagt einem das vorher keiner?

In der Family 5/21 schrieb Simone Oswald darüber, wie viel Realität Schwangere ertragen können und wie ehrlich Mütter ihnen gegenüber sein sollten. Darauf haben uns zwei Rückmeldung erreicht.

OHNE ANGSTMACHEN, OHNE SCHÖNREDEN

Carina Nill hat gute Erfahrungen mit einer mutigen Ehrlichkeit gemacht.

Meine Schwägerin erwartet ihr zweites Kind. Als ich bei der Verkündigung freudig frage, wie es war, es zu erfahren, ob der Schwangerschaftstest aufregend war und die Warterei bis dahin auszuhalten, antwortet mein Schwager irritiert und kühl: „Hä, ne – es war ja geplant!“ Mein Herz zieht sich leicht zusammen – wie schön wäre es, wenn es immer so einfach wäre.

Ich habe es so erlebt: Elternsein im Kopf und im Herzen beginnt schon, bevor man das eigene Baby im Bauch oder auf dem Arm trägt. Elternsein beginnt oft schon mit dem Kinderwunsch. Spätestens jetzt wachsen Vorstellungen, Vorhaben und Vorurteile … Und ja, es stimmt: Es verlangt viel Weisheit, mit diesen eigenen Ideen und denen im Familien- und Freundeskreis umzugehen – egal, ob in der Kinderwunschzeit, der Schwangerschaft, der Kleinkindoder der Kindergartenkindphase.

TROST SUCHEN UND SPENDEN

Aber die Zeit unseres Wunsches, Eltern zu werden, ist zu lange her, um bei meinem Schwager präsent zu sein. Und meine Schwägerin kam erst danach in unsere Familie. Sie erkennt mein Schlucken und zaghaftes Lächeln und fragt nach. Und ich erzähle – obwohl sie frisch schwanger ist. Ich erzähle, weil ich es immer schon erzählt habe. Ich erzähle, obwohl es mich manchmal alles kostet: Mut, Kraft, Ehrlichkeit. Aber ich erzähle auch, weil ich an diesem Mut anderer Frauen gewachsen bin und getröstet wurde.

Bevor wir unseren ersten Sohn bekamen, haben wir eine kleine Bandbreite der Möglichkeiten erlebt, die es auf diesen Wegen zu erleben gibt: Fehlgeburt, Eileiterschwangerschaft, Windei, Blutungen und Sorgen in der Schwangerschaft bis hin zum Notkaiserschnitt. Hoffnung und Enttäuschung, Schmerz und Wut, Fragen und Zweifel und neues Vertrauen.

Und ich habe es immer erzählt. Unter Tränen, hoffnungslos und hoffnungsvoll, Trost suchend oder Trost spendend. Es war mir immer eine Hilfe und ein Anliegen, dass unsere Freunde und Familie darüber Bescheid wussten. Viele waren zeitgleich schwanger. Manche erlebten schließlich ähnliches, und so war unsere Ehrlichkeit ein großer Gewinn. Und es war ein Segen, uns gegenseitig zu haben, voneinander zu wissen, miteinander zu fragen und zu verarbeiten. Ich finde, dieser Mut, von unseren Erfahrungen zu erzählen, hat sich ausgezahlt. Ich war dankbar, vor meinen eigenen Verlusten von Frauen zu wissen, die ähnliches erlebt hatten, und mich bei ihnen verstanden zu fühlen. Hätten andere Frauen diese Realität, so schwer und herausfordernd sie ist, nicht mit mir geteilt, hätte ich mich oft einsamer und hilfloser gefühlt.

ERFOLGE FEIERN, ERSCHÖPFUNG ZUGEBEN

Auch später, beim schmerzhaften Stillen, habe ich mich dankbar an eine Kollegin erinnert, die sich vor Jahren beim Stillen ihres Babys die Tränen wegwischte und gestand: „Das tut so weh!“ Und als mir der Große das erste Mal „Du dumme Mama“ vor die Füße knallte, war ich erleichtert, dass eine Mama aus dem Hauskreis schon vor Monaten das Gleiche (mit dem gleichen Entsetzen) zu berichten hatte.

Diese Erfahrung nehme ich durch die Jahre bis heute mit. Ich möchte all das Gute und Schöne, die vielen kleinen Freuden, die großen Entwicklungsschritte, Erziehungserfolge und Glücksmomente des Elternseins teilen: aufrichtig und unübertrieben. Aber ich wünsche mir auch, dass es erlaubt ist, in meinem Hier und Jetzt erschöpft zuzugeben, dass Junior immer noch nicht durchschläft, dass Zähneputzen zu einer choreografischen Meisterleistung werden muss oder dass ich ratlos Rat suche, weil die Streitereien zwischen den Brüdern einfach nicht aufhören.

Inzwischen gehen beide Jungs in den Kindergarten. Beim Abgeben am Tor frage ich mich gelegentlich, ob eigentlich andere Mütter auch schon 17 Nervenzusammenbrüche erleiden, bis sie hier ankommen. Natürlich teilt man seine Geschichten und seinen Alltag nicht mit allen, dennoch nicken wir Mütter uns scheinbar wohlwissend zu.

SICH VERLETZBAR MACHEN

Auch unter Freunden kostet es mich oft alles, mir und anderen gegenüber einzugestehen, dass ich in vielem gern geduldiger, belastbarer und humorvoller wäre. Auch hier nehme ich oft unter Tränen meinen Mut zusammen und vertraue Freundinnen oder Familie – mit Kindern in unterschiedlichem Alter – meine Gegenwart an: Sorgen, Versagen, Unzulänglichkeiten und mein „Das wollte ich eigentlich anders machen“. Manchmal verändert es Freundschaften, wenn man erkennt, dass man unterschiedliche Erziehungsstile oder Ansichten hat – dann schmerzt diese Ehrlichkeit, zu der man sich durchgerungen hat. Manchmal fühle ich mich nach so einer Offenbarung auch beobachtet oder bewertet. Aber manchmal ernte ich nach den ersten unverständlichen Blicken jüngerer Mütter ein paar Monate später ein seufzendes: „Jetzt weiß ich, was du meintest! Das war gut zu hören.“ Und dann bin ich froh, dass ich darüber gesprochen habe und nicht hinterher um Mitgefühl oder gute Ratschläge ringen muss.

Also doch: Obwohl es mich immer wieder so viel kostet, mich mit dem Teilen meiner Gegenwart verletzbar zu machen, ist es vielleicht das Kostbarste, was wir miteinander teilen können: aufrichtige Ehrlichkeit – ohne Angstmachen, aber auch ohne Schönreden. Ich jedenfalls bin dankbar für alle, die ihr „So ist es gerade“ miteinander teilen – egal, wer von uns gerade die (un-)realistischeren Vorstellungen hegt.

In diesem Sinne: Seid mutig, seid ehrlich und „helft euch gegenseitig bei euren Schwierigkeiten und Problemen, so erfüllt ihr das Gesetz, das wir von Christus haben“. (Galater 6,2)

Carina J. Nill arbeitet als Kunst- und Lerntherapeutin und „künstlert“ Bilder und Bücher, z. B. „Count your Blessings: Mein kreatives Segen-Sammelbuch“. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei wunderbaren wilden Söhnen in Deizisau bei Esslingen.

 

AUFKLÄREN UND AUF DAS GUTE HOFFEN

Dorothee Spengler möchte ihren Freundinnen ihre Erfahrungen nicht vorenthalten.

Der Artikel von Simone Oswald hat mich auch Wochen später immer wieder gedanklich beschäftigt. Ich kenne diese Situation, da ich vor sechs Jahren zu den Ersten im Familien- und Freundeskreis gehört habe, die schwanger waren und dementsprechend „Erfahrungsvorsprung“ hatten, als später Freundinnen schwanger wurden.

Ein wichtiger Aspekt, der im Artikel auch erwähnt wird, ist, dass ich mein eigenes Erleben ehrlich teile, mit Höhen und Tiefen, Herausforderungen und Erfolgen. Und wenn ich das „tagesaktuell“ mache, ist das schon eine ganze Menge „Präventionsarbeit“ gegen allzu unrealistische Erwartungen, noch ehe die Freundinnen selbst schwanger sind. Eine meiner besten Freundinnen sagt, dass sie von dieser Art „Mit-Erleben“ noch heute in ihrem Mama-Alltag zehrt. Und ich bin mir sicher, dass meine Schwägerin, die in den letzten Jahren regelmäßig unseren Familienalltag erlebt hat, mit weniger realitätsfernen Vorstellungen in ihr erstes Babyjahr starten wird, wenn es so weit ist.

STRESS VERMEIDEN

Dieses „Basiswissen“, das vor einigen Jahrzehnten aufgrund größerer Familien noch deutlich präsenter war, sollte aus meiner Sicht unbedingt im Freundeskreis weitergegeben werden. Insofern kann ich mich in dem Absatz „Nicken und lächeln“ in Simone Oswalds Artikel nicht so ganz wiederfinden. Natürlich ist jedes Kind und jede Mutter individuell. Und ich stimme zu, dass ich anderen nicht meine ganz persönlichen Probleme prophezeien muss. Aber wenn es um Entwicklungserwartungen (z. B. Beikostreife mit fünf Monaten) geht, die wissenschaftlich und allen Erfahrungswerten nach eher die Ausnahme als die Regel sind, würde ich gute Freundinnen unbedingt darauf hinweisen.

Gerade wenn konkrete Planungen, wie zum Beispiel die Jobrückkehr der Mutter, darauf fußen, dass ein Kind zum Zeitpunkt X nicht mehr gestillt wird, lässt sich dadurch sehr viel Stress vermeiden. Bei anderen Themen, wie dem Supermarkt-Szenario, würde ich bei passender Gelegenheit (die sich vielleicht auch erst beim Eintritt des Kindes in die Autonomiephase bietet) auch etwas sagen und auf gute Podcasts oder Literatur zu dem Thema verweisen. Schließlich gehört die Autonomiephase zur gesunden Entwicklung eines jeden Kindes – auch wenn nicht jedes Kind schreiend auf dem Supermarktboden liegt. Ein gutes Verständnis der Hintergründe kann den Eltern und Kindern jede Menge unnötigen Stress ersparen. Diese Art von „Aufklärung“ steht für mich nicht im Widerspruch dazu, „auf das Gute zu hoffen“, wie es im letzten Absatz beschrieben ist.

TROTZDEM TRÄUMERISCH

Selbstverständlich male auch ich mir lieber harmonische Familienurlaube aus als pubertären Zickenalarm oder Teenager-Eskapaden, aber ich weiß, dass letztere nicht gänzlich ausbleiben werden. Bei den anderen Beispielen (Geldprobleme oder Unzufriedenheit im Alter) würde ich es übrigens anders sehen: Hier gehört es nicht zur üblichen Entwicklung, dass sie auftreten, und entsprechend „träumerisch“ gehe ich da für das Leben meiner Kinder heran – und wenn die Probleme kommen, können wir sie ja immer noch meistern.

Dorothee Spengler ist aktuell in Elternzeit. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern zwischen 0 und 6 Jahren in Albstadt.

Den Artikel von Simone Oswald aus Family 5/21 könnt ihr hier nachlesen: www.family.de/warum-sagt-einem-dasvorher-keiner/

Ein Jahr was anderes machen

378 amazing days of my life

Im Sommer 2014 begann mein Au-pair-Abenteuer in den USA im Bundesstaat Connecticut. Au-pair heißt, als Kindermädchen bis zu 45 Stunden pro Woche für eine Familie zu arbeiten und auch im Haus der Familie zu wohnen. Einmal etwas ganz anderes als Schule zu erleben, war für mich einer der Gründe, Au-pair zu werden. Außerdem reizte mich der neue Kontinent und Zeit mit Kindern verbringen zu können. Meine Gastfamilie habe ich durch die Agentur Intrax gefunden. Ich habe mich sehr gut betreut gefühlt. „378 amazing days of my life“ waren es aber in erster Linie dank meiner fantastischen Gastfamilie und den tollen neuen Freunden, die ich fand. Klar läuft nicht immer alles rund, aber wenn man zeitnah die Dinge anspricht und gemeinsam eine Lösung sucht, müssen Probleme gar nicht erst zu Dramen werden. Da ich mich um drei Kinder unter fünf Jahren gekümmert habe, war eine Auszeit mit Freunden oder beim Tanzen ein super Ausgleich. Ein eher praktischer Vorteil des Au-pairs ist der Verdienst: mit 200 Dollar die Woche zur eigenen Verfügung (Kost und Logis sind inklusive) hat man viele Möglichkeiten zu reisen oder sich (neue) Hobbys zu suchen. Das Geld ist aber nichts im Vergleich zu der Liebe, die ich erfahren habe! Meine Au-pair-Zeit bleibt mir unvergessen, ich würde sie gegen nichts eintauschen wollen. Man kommt definitiv selbstständiger und erwachsener wieder nach Hause!
Hier noch ein paar Tipps:

  • Werdet nur Au-pair, wenn Ihr Kinder und die Arbeit mit ihnen wirklich mögt. 45 Stunden pro Woche sind lang, wenn sie keinen Spaß machen.
  • Entscheidet euch für die Gastfamilie, bei der Ihr ein gutes Gefühl habt, anstatt auf Biegen und Brechen eine bestimmte Region zu bevorzugen.
  • Nutzt die Zeit, um etwas Neues zu erleben! Wer nur macht, was er von daheim kennt oder nur Au-pair- Freunde der gleichen Nationalität hat, verpasst etwas.
  • Zu jedem Au-pair gibt es die richtige Gastfamilie und andersherum, lasst euch also von Au-pair- Horrorgeschichten nicht abschrecken.

Tamara Mayer (21) studiert Englisch und evangelische Theologie auf Lehramt an der Uni Heidelberg und kehrt immer wieder
gerne nach Connecticut zurück.

Eine Riesenchance

Micha war derjenige unserer drei Söhne, der meinen Mann und mich die meisten Nerven gekostet hat: quengelig, unselbstständig, fordernd, laut und oft egoistisch seinen Brüdern gegenüber, allerdings anderen Kindern gegenüber immer der mit der größten Sozialkompetenz. Das Abi kam und Micha flüchtete sich in die Idee, erstmal ein FSJ zu machen, um sich noch nicht für eine Ausbildung oder ein Studium entscheiden zu müssen. Da er viel Spaß in der Kinderarbeit unserer Kirchengemeinde hatte, lag es für ihn nahe, sich in diesem Bereich etwas zu suchen. Ein Schulpraktikum, das Micha in seiner ehemaligen Grundschule absolviert hatte, brachte ihn auf den Gedanken: Dahin will ich wieder. Obwohl ich selbst an dieser Schule unterrichte, war dies, trotz unserer konfliktgeladenen Beziehung, kein Hinderungsgrund für ihn. Mein Mann war skeptisch: So nah an seinem Zuhause? In der eigenen Grundschule? Und die Mutter als „Kollegin“? Ob das gut gehen würde? Wir haben Michas Entscheidung trotzdem nicht beeinflusst und ihn nur bei organisatorischen Fragen unterstützt. Die FSJler der Grundschule werden durch den Bund der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) betreut. Micha fühlte sich hier von Anfang an gut aufgehoben. Und wie erleben wir unseren Sohn nun nach einem guten halben Jahr FSJ? Total verändert. Micha ist nach meinem Empfinden unglaublich gereift in dieser Zeit. Statt unerquicklicher Diskussionen führen wir nun häufig ernsthafte Gespräche über Verhaltensweisen von Kindern und ihre Ursachen, über Elternverhalten und seine Rolle zwischen Kumpel und Lehrkraft. Micha übernimmt nun auch zu Hause freiwillig Pflichten. Ich höre plötzlich Fragen wie: „Mama, soll ich einkaufen fahren?“ oder „Was soll ich kochen?“ Es scheint Micha gut zu tun, einen Grad an Verantwortung zu tragen, den er schultern kann, mit Aufgaben betraut zu sein, die ihm liegen und ihn herausfordern. Die positiven Rückmeldungen, die er immer wieder erhält, stärken sein Selbstbewusstsein. Der fest geregelte Tagesablauf scheint ebenfalls Halt zu bieten. Nun überlegt Micha, ob er auch Grundschullehramt studieren möchte. Wir sind als Eltern sehr glücklich über die Möglichkeit, die unser Sohn mit dieser Aufgabe hat und empfinden das Jahr als segensreich für ihn und die ganze Familie.

Antje Seeger ist Mutter von drei Söhnen und Grundschullehrerin in Südhessen.