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„Führten sogar seine Beerdigung gemeinsam auf“: Das erlebt ein Klinikclown

Peter Spiel ist Klinikclown. Er begleitet Kinder und Senioren beim Heilen – und Abschiednehmen. Ein Besuch im Münchner Kinderspital.

Rote Nase, geschminkte Bäckchen, etwas Kajal um die Augen und eine Mütze auf dem Kopf – das ist das Arbeitsstyling von Klinikclown Peter Spiel. Er winkt in den Bildschirm des Laptops und ruft seinem Gegenüber Grüße zu, dann stellt er die Kamera aus. Die positive Energie schwebt auch nach der Clownsvisite durch den Büroraum. Normalerweise geht er mit seiner Kollegin Barbara Draeger auf Kinderstationen und besucht seine Patienten an den Betten. In Pandemiezeiten ist nichts mehr normal und so müssen auch die Clowns ihre Visite virtuell absolvieren.

„Virtuelle Besuche machen vieles möglich“, sagt Peter Spiel. „Wenn wir ein Kind besuchen, schalten sich Geschwister dazu oder die Eltern sind per Smartphone dabei. Wir mussten uns neue Tricks überlegen, um die Kinder zu überraschen. Zum Beispiel bitten wir die Eltern, eine Clownsnase im Schubkasten oder unter dem Kopfkissen ihres Kindes zu verstecken. Dann kündige ich einen großen Zauber an und werfe die Clownsnase über meinen Bildschirm. Die Überraschung ist groß, wenn das Kind die Nase findet. Für uns ist es auch immer aufregend, ob Neues gelingt. Einmal reagierte ein Kind nur mit ‚Na endlich, da ist ja meine Nase‘. Für kleine Kinder ist es selbstverständlich, dass wir zaubern können.“

Die Mission: Ein schöner Moment

Professor Dr. Roger Paletti alias Peter Spiel und Rhabarber Rosella alias Barbara Draeger besuchen nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und Erwachsene auf Palliativstationen. Sie gehen in Behinderteneinrichtungen und Seniorenheime. Als Paar können sie besser interagieren und sich auf die Bedürfnisse ihres Publikums einstellen. Ihr Auftrag: einen schönen Moment verschenken!

Peter Spiel ist Schauspieler, Regisseur und Clown. Er sucht nicht die große Bühne, sondern die Begegnungen mit den Menschen. Für seine Arbeit in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hat er eine spezielle Ausbildung absolviert. „Als Clowns können wir nichts an der Situation verändern, aber wir können das Jetzt gestalten. In meiner Arbeit zählt immer der Moment.“

Auch rausgeschmissen werden gehört dazu

Der Moment zählt, selbst wenn dieser traurig, frustrierend oder enttäuschend ist. Peter Spiel fragt sich, was ein Mensch genau in dieser Situation braucht. Dabei kann er keine Liste abarbeiten. „Es gibt Jugendliche, die mich nicht sehen wollen, weil sie alles zum Kotzen finden. Sie liegen im Bett, haben Schmerzen, sehen ihre Freunde nicht und müssen ständig tun, was man ihnen sagt, aber mich können sie rausschmeißen.“ Peter lacht, und er meint es ernst. Als Clown gibt er ihnen ihre Selbstbestimmung zurück. Roger Paletti kann weggeschickt oder ermahnt werden, kann angemotzt oder belehrt werden. Der Clown versteht und urteilt nicht, und häufig ergibt sich dann doch ein Miteinander, weil sich die Anspannung gelegt hat.

Vor (und hoffentlich auch nach) der Pandemie öffnen die Clowns das Krankenzimmer und lassen den Raum auf sich wirken: Wie ist die Stimmung? Wer ist da? Was passiert gerade? Übrigens ist das eine Empfehlung an uns alle: nicht gleich loslegen und sprechen, sondern erst einmal den Raum und den Moment wahrnehmen. Dann ergibt sich die Rolle, die Roger Paletti einnimmt, von allein. Peter erzählt von einem Kind, dessen Unterschenkel amputiert werden musste. Damit die zukünftige Prothese passt, wurde die Ferse an das Knie fixiert. „Ja mei, was haben die Doktoren für einen Schmarrn gemacht. Sie haben deinen Fuß falsch angenäht“, rief Roger Paletti. Das Kind war stolz, dass es dem Clown erklären konnte, wieso das gemacht wurde, und dass es bald wieder laufen kann. Kinder lieben es, wenn sie mehr wissen als der Clown. Wenn Roger Paletti in den Kleiderschrank geht, weil er denkt, das sei die Tür, ist die Freude groß.

Eine Wohltat für die Eltern

Die Clownsvisiten sind für die ganze Familie eine Wohltat. Manche Eltern gehen dann Kaffee trinken und haben endlich Zeit für sich. Andere bleiben und freuen sich am Lachen ihrer Kinder. Häufig sind auch Geschwisterkinder dabei. „Gerade sie müssen viel zurückstecken, denn alles dreht sich um das kranke Kind. Wenn die Hygieneregeln es erlauben, folgen sie uns in mehrere Zimmer.“ Lachen ist gesund, sagt der Volksmund, inzwischen bestätigen es auch Studien. Wer lacht, atmet tiefer, spürt sich besser und nimmt Schmerzen weniger intensiv wahr. Ängste und Sorgen verlieren etwas von ihrer Kraft. Humor hilft heilen und Clowns spüren ihn auf. So wie bei Claudia. Die Zwölfjährige war allein in ihrem Zimmer und wirkte abweisend. „Zuerst schaute ich mich einfach um“, erzählt Peter. „Auf ihrem Schlafanzug waren rote Punkte. Ich begann, weitere Punkte an ihr und im Zimmer zu suchen, bis ich eine rote Clownsnase fand. Über diese roten Punkte kamen wir ins Spiel und Claudia begann zu reden.“

Clowns haben Zeit

Die Welt des Clowns ist schön, faszinierend und bunt. Er betrachtet die Welt in seiner Naivität und kann über alles staunen. Ein Kleidungsstück, ein Foto, ein Schokoriegel oder eben rote Punkte geben dem Clown Einstiegsmöglichkeiten. Immer ist der Mensch der Gradmesser, ob etwas lustig ist oder nicht.

In der Arbeit mit Seniorinnen und Senioren steht die Kommunikation im Vordergrund. „In unserer Anfangszeit hatte man Sorge, dass wir uns über die Bewohner lustig machen. Doch darum geht es nie! Der Clown lacht mit und nicht über jemanden.“ Schabernack und Slapstick funktionieren an diesen Orten nicht. „Wenn ich gegen die Wand laufe, machen sich die Seniorinnen eher Sorgen um mich, ob ich mich verletzt habe. Wir reden und singen Lieder. Die Menschen entspannen sich, fühlen sich weniger einsam. Das Personal sagt, dass der Umgang mit den Bewohnern leichter ist, wenn wir da waren. Wir haben etwas, das andere leider nicht haben: Zeit.“

Spielerische Beerdigung

Die Clowns zelebrieren die Langeweile. Sie haben eine lange Weile Zeit, um den Menschen zu begegnen und zu spüren, was sie bewegt. Dabei sind die Clowns ehrlich. Sie kennen ihre Grenzen, sie versprechen nichts, was sie nicht halten können. Sie werden nichts verheimlichen und nichts beschönigen. „Wir wissen, dass manche Kinder todkrank sind. Wir können ihnen nicht sagen, dass alles wieder gut wird. Aber wir wollen bei ihnen sein.“

Peter erzählt, wie sie monatelang ein Kind besuchten und alle wussten, dass der Abschied bevorstand. „Häufig fällt den Kindern das Loslassen leichter als den Erwachsenen. Wir hatten lange einen Jungen begleitet. Er war zehn Jahre alt. Bei unseren letzten Begegnungen wollte er alle Szenen nachspielen, die wir gemeinsam erlebt hatten, sogar seine Beerdigung führten wir gemeinsam auf. Spielerisch schloss er mit seinem Leben ab.“

Clownstränen

Wenn man einen Menschen über einen langen Zeitraum begleitet, bewegt es auch den privaten Peter Spiel. „Manchmal fließen auch bei mir Tränen und dann spreche ich mit meiner Frau darüber. Ich muss immer wieder lernen, mich abzugrenzen. Roger Paletti ist eine Rolle und sie hilft mir, innerlich auf Distanz zu gehen. Dann konzentriere ich mich auf den nächsten Menschen und den nächsten Moment.“

„Auch mein Glaube hilft mir, aufzutanken“ erklärt Peter. „Im Gebet kann ich alles, was mich belastet, abgeben. Und wenn ich Menschen beobachte, finde ich neue Inspirationen.“ Zu gern sitzt er in einem Café und sieht Menschen zu, wie sie sich bewegen, gestikulieren oder laufen. Wenn man Peter zuhört, spürt man, dass der Clown ein Menschenfreund ist. Er staunt, bewundert, ermutigt und hält so vieles für möglich. „Wer gehen kann, kann auch tanzen. Wer reden kann, kann auch singen.“ Wie meint er das? „Erziehung hat uns verzogen. Ständig zog man an uns – das macht man nicht, das tut man nicht, das sagt man nicht. Wir trauen uns vieles nicht zu, weil wir uns sorgen, was andere über uns denken. Als Clown habe ich gelernt, mich von der Zerrerei zu befreien. Ich habe den Rückzug in das Leben angetreten, auch wenn ich manchmal durchs Leben stolpere.“

Susanne Ospelkaus lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München, bloggt unter susanne-ospelkaus.com und arbeitet als Autorin und Therapeutin.

Angst vor dem Tod

„Vergangenes Jahr ist die Mutter der Freundin unserer Tochter (16) an Krebs gestorben. Seitdem hat unsere Tochter große Angst, dass entweder sie oder wir an Krebs erkranken und sterben. Wie können wir ihr helfen, einen Umgang mit dieser Angst zu finden?“

Es ist wunderbar, dass Sie Ihre Tochter so aufmerksam im Blick haben und dass Sie mit ihr im Gespräch sind. Die gemeinsame Verarbeitung von Trauer kann als positive, gemeinsam erlebte Zeit wahrgenommen und abgespeichert werden.

Verlässliche Beziehungen

Einen Trauerfall in einer befreundeten Familie oder in nahen Beziehungen mitzuerleben, ist sehr schwer auszuhalten und kann eine junge Frau überfordern. Dass wir endlich sind, ist eine Wahrheit, die Heranwachsende verständlicherweise weniger vor Augen haben. Vielmehr sind lebensfrohe Gedanken, wie das Leben zu genießen und Freude zu erleben, stärker vorhanden – und das ist auch gut so.

Sie können Ihrer Tochter helfen – wenn auch mit 16 Jahren sehr früh –, in die erwachsene Realität zu kommen. Es ist realistisch, dass tragische Ereignisse wie Krankheit und Tod in unser Leben treten. Trauernde Kinder und Jugendliche brauchen in erster Linie verlässliche und tragfähige Beziehungen zu für sie bedeutungsvollen Erwachsenen. Gehen Sie als Eltern offen und ehrlich mit eigenen Verlusterfahrungen um. Diese Offenheit und eigene Bewältigungsstrategien können Ihrer Tochter helfen. Vielleicht gibt es noch weitere Menschen in Ihrem Umfeld, mit denen Ihre Tochter über ihre Sorgen sprechen kann. Möglicherweise können auch diese Bezugspersonen auf Erfahrungen zurückgreifen, in denen sie mit Verlust umgehen lernen mussten.

Im „Hier und Jetzt“ leben

Gerade in der Zeit, in der Endlichkeit spürbar ist, ist es aber auch wichtig, sich der persönlichen Realität bewusst zu werden. Diese heißt: Im Moment haben wir uns noch. Es gibt keinen Anlass für Schreckensfantasien in unserer Familie, und es ist keine lebensbedrohliche Erkrankung vorhanden. Wenn es Ihnen gelingt, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen, geben Sie Ihrer Tochter Sicherheit. Erinnern Sie sie daran, bewusst im „Hier und Jetzt“ zu sein. Das bedeutet: Ohne schlechtes Gewissen die Dinge zu genießen, die sie hat; bei ihrer eigenen Familiensituation zu bleiben; sich vor Augen zu führen, an was sie sich erfreuen kann. Dadurch lernt sie, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die schönen Dinge zu lenken und sich daran zu freuen. Ermutigen Sie sie, sich mit Freunden zu treffen, auszugehen und sich durch Orte oder Zeiten der Entspannung „Freiräume“ ohne Angst und Sorgen zu schaffen – wenn auch anfangs nur für ein paar Stunden.

Darüber hinaus kann es für Ihre Tochter hilfreich sein, Tagebuch zu schreiben, Gedichte zu verfassen, Musik zu hören, selbst zu musizieren oder Internetforen nach Umgangsstrategien zu durchforsten. Vielleicht ist für Sie als Familie auch die Ressource des Glaubens vorhanden und kann hilfreich in Anspruch genommen werden durch Gebet, Lobpreislieder oder biblischen Zuspruch. Für den Fall, dass diese Strategien nicht greifen, ermutigen Sie Ihre Tochter, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, in der geschulte Gesprächspartner sie im Prozess der Trauerbewältigung unterstützen können.

Sandra Schreiber ist Beraterin und systemischer Elterncoach in der christlichen Beratungsstelle „LebensRaum Gießen“.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Die Freu-Challenge

Nachdem die Ice-Bucket-Challenge wieder etwas abgeflaut ist, lebt eine eigentlich schon ältere Challenge wieder neu auf: die Positivity-Challenge. Wer sich dieser Herausforderung stellt, postet sieben Tage lang jeden Tag drei positive Dinge, über die er sich freut.

Man mag ja von solchen Challenges halten, was man will. Ich jedenfalls habe eigentlich eine Abneigung gegen jede Art und Abwandlung von „Kettenbriefen“, die einen mehr oder weniger zwingen, irgendetwas zu tun oder zu schreiben. Aber in dieser Challenge steckt für mich eine gute Idee: aufzuschreiben, was mich an diesem Tag freut, was mich glücklich macht. Ich muss es ja nicht gleich bei Facebook oder Twitter posten. Wobei: Heute lasse ich Sie gern mal teilhaben an meinen drei Freu-Momenten von gestern:

  1. Auf dem Weg zur Straßenbahn „belausche“ ich drei Achtjährige, die über Fußball fachsimpeln. Wie drei alte Männer am Stammtisch. Einfach großartig!
  2. Mein Sohn spielt stundenlang mit seinem Freund ohne größeren Streit.
  3. Eine schwierige Situation im Fußballverein meiner Tochter hat sich geklärt.

Wollen Sie mitmachen? Überlegen Sie doch heute mal, worüber Sie sich freuen können!

Bettina Wendland
Family-Redakteurin