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Großeltern: „Wir haben das früher anders gemacht“ – So funktioniert die Beziehung zwischen Generationen

Zwischen Eltern und Großeltern kommt es oft zu Konflikten über Erziehungsmethoden. Was früher galt, wird heute ganz anders gesehen und gehandhabt. Wie kann man mit solchen Unterschieden konstruktiv umgehen?

Tragehilfen, Familienbetten, moderne Stoffwindelsysteme, zuckerfreie Ernährung, Langzeitstillen, Bedürfnis- und Bindungsorientierung, kitafrei – all das sind Schlagworte unserer Zeit, die es früher in dieser Form nicht gab und die daher manchmal zu Unverständnis bei den Großeltern führen.

„In Diskussionen geht es darum, wie mit Wut umgegangen wird, mit dem Schreien von Kindern. Um Strenge, Konsequenz, Teilen, Schlafenszeiten. Meine Eltern drängen sehr darauf, dass man eine feste Struktur mit den Kindern hat. Mir liegt das nicht so, das ist bei uns manchmal etwas lockerer“, beschreibt eine Mutter Beispiele für Streitthemen. Auch Kleidung, Ernährung (Süßigkeiten), Sicherheit und Gesundheit, Grenzen setzen, Medienkonsum, die Frage, wie sehr man Kinder in Entscheidungen einbezieht und richtige Zeitpunkte für bestimmte Entwicklungsschritte des Kindes bergen Konfliktpotenzial.

Durch neue Forschungserkenntnisse, andere pädagogische Ansätze und aktuelle gesellschaftliche Umstände erziehen wir unsere Kinder heute anders als früher, bisweilen sogar konträr. Die Eltern von früher – die heutigen Großeltern – haben manchmal Probleme, das zu akzeptieren. Sie verstehen nicht, warum jetzt alles anders ist, und bekommen das Gefühl, ihre eigenen Kinder völlig falsch erzogen zu haben. Die Digitalisierung trägt ihren Teil dazu bei. Die heutigen Großeltern wuchsen komplett analog auf, sie verließen sich auf ihre Intuition und Erfahrungen. Den heutigen Eltern steht über das Internet sekundenschnell umfangreiches Wissen zur Verfügung. Früher hoch geschätztes Erfahrungswissen wirkt heute schnell veraltet und verliert in einer sich immer schneller verändernden Welt an Bedeutung. Bei dieser Geschwindigkeit mitzuhalten, ist für Großeltern nicht einfach. „Jungen Menschen fehlen heute oft innere Werte und das Selbstvertrauen, auf ihre eigene Intuition zu vertrauen“, schildert eine Großmutter ihren Eindruck.

Das Großelternprivileg

Vor allem der heute oft vertretene, nach außen scheinbar weniger strenge, bedürfnisorientierte Beziehungsstil scheint viele Großeltern zu irritieren. „Die Großeltern wollen, dass das Kind nach ihrem Willen funktioniert. Es wird eher wenig nach den Bedürfnissen gefragt oder diese werden ignoriert. Aus Sicht der Großeltern lassen wir Eltern zu viel Freiraum“, beschreibt eine Mutter die Sichtweisen. „Wir wünschen uns dagegen, dass sie mehr auf das Kind eingehen und nicht versuchen, es mit Belohnung gefügig zu machen“, fügt sie an.

Doch auch der umgedrehte Fall kann für Streit sorgen: Manche Großeltern sehen in ihren Enkeln eine zweite Chance, etwas aus der Erziehung der eigenen Kinder wieder gutzumachen oder Versäumtes nachzuholen. Oft genießen sie ihr „Großelternprivileg“, verwöhnen die Enkel voller Freude mit Spielzeug, Süßigkeiten, Fernsehen und erlauben ihnen mehr, als Mama und Papa das tun. Bis zu einem gewissen Maß ist das in Ordnung. Kinder können schon früh differenzieren, wenn Sachen bei den Großeltern anders laufen. Oft verhalten sich Kinder bei den Großeltern auch anders als bei den Eltern. Es stärkt ihre soziale Kompetenz und sie lernen, dass ein unterschiedlicher Umgang mit ihnen nicht automatisch ein unterschiedliches Level an Zuneigung bedeutet. Wer von uns kennt aus seiner Kindheit nicht das eine oder andere, was es nur bei Oma gab und worauf man sich immer freute?

Vom Kindsein in die Elternrolle

Mischen sich die Großeltern mit ihren Erfahrungen zu sehr in die Erziehung ein, fühlen sich die Eltern oft zurückversetzt in ihre eigene Kindheit, als sie von den Eltern kritisiert und bevormundet wurden. Manchmal kommen alte Themen und ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit wieder ans Licht. Vor allem bei unsicheren Erstlingseltern kann das Vertrauen in die eigene Intuition und in die elterlichen Fähigkeiten geschwächt und letztlich die Bindung zu den Kindern negativ beeinflusst werden. Sich mit den Prägungen durch die eigenen Eltern auseinanderzusetzen, kann helfen, sich in die Elternrolle einzufinden und einen eigenen Erziehungsstil zu entwickeln. Das gibt Stabilität und Sicherheit, auch in möglichen Konflikten mit den Großeltern. Hilfreiche Fragen können sein: Wie bin ich als Kind aufgewachsen? Welche Werte wurden mir vermittelt? Was tat mir gut von meinen Eltern, was möchte ich übernehmen? Was war nicht hilfreich, was möchte ich anders machen?

Letztlich muss jede Familie ihren eigenen Weg finden. „Man muss auch nicht jeden Punkt vor den Großeltern diskutieren. Dort, wo die Kinder auch mal von den Großeltern betreut werden, gibt es Sachen, die mir wichtig sind. Und es gibt Sachen, die Großeltern anders machen, und das ist auch gut. Als Elternteile hat man ja auch manchmal einen unterschiedlichen Umgang mit verschiedenen Sachen. Das Wichtige für Kinder ist der unterschiedliche Umgang mit verschiedenen Bezugspersonen, die sie trotzdem alle lieben“, meint eine Mutter.

Keine ungefragten Ratschläge der Großeltern

Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Großeltern sind normal und gesund. Sie erweitern den Horizont und die eigenen Erziehungsansichten. Die meisten Eltern sind auch durchaus interessiert an der Meinung der Großeltern. Diese wollen mit ihren Erfahrungen und Ratschlägen ja nicht bewusst verletzen, sondern helfen. Ihre Einmischungen zeigen ihr Interesse an den Kindern und Enkeln. „Großeltern würden sich wahrscheinlich wünschen, dass man mehr aus ihren Erfahrungen übernimmt. Sie meinen es ja im Grunde gut, nur muss jede Familie ihre eigenen Werte kreieren. Für beide Seiten ein Seiltanz“, schildert eine Mutter das Dilemma.

Hilfreich ist es, wenn Großeltern vorher fragen, ob die Eltern den Ratschlag hören wollen. Die Eltern fühlen sich so nicht bevormundet und können den Rat in Ruhe überprüfen. Großeltern sollten akzeptieren, wenn dieser nicht angenommen wird. Sie sollten den Eltern – ihren Kindern – das Recht auf eigene Ideen, Erfahrungen und Fehler zugestehen. „Es sind andere Zeiten, Lebenssituationen und Anforderungen“, meint eine Großmutter. „Unsere Werte und Methoden aus den guten alten 80ern waren sicher auch nicht immer richtig. Manches würde ich heute anders machen. Meiner Meinung nach muss eine junge Familie ein geschlossenes System sein. Mit der Möglichkeit, sich eigenständig zu entfalten und zu entwickeln.“

Ehrliche und klare Kommunikation

In manchen Situationen müssen sich Eltern als Erziehungsberechtigte klar positionieren und deutlich erklären, dass sie die Verantwortung für die Kinder tragen. Und dass sie genauso ihr Bestes geben wie früher die Großeltern bei den eigenen Kindern. Aber was wünschen sich die Großeltern von ihren Kindern? „Dass sie offen und ehrlich mit uns sprechen. Dass sie ihre Vorstellungen, Erziehungsschwerpunkte und -ziele, aber auch Probleme mitteilen. Dass sie offen sagen, wenn wir in ihren Augen Fehler machen“, drückt es ein Großvater aus. Durch frühzeitige, ehrliche Aussprachen wird Verständnis gefördert. Konflikte können vermieden werden. Frust herunterzuschlucken, lässt Situationen irgendwann eskalieren.

Besonders problematisch ist es, wenn Konflikte vor den Kindern ausgetragen werden. „Wenn wir streiten, geraten die Kinder zwischen die Fronten. Sie wissen nicht richtig, zu wem sie halten oder auf wessen Seite sie sich schlagen sollen“, schildert eine Mutter. Offene Konflikte zwischen Eltern und Großeltern können Kinder verunsichern. Manchmal bekommen sie unbewusst ein negatives Bild von einer Partei. Eine Mutter hat das erlebt: „Unser großes Kind hat bemerkt, dass es Spannungen zwischen uns gibt und ist jetzt nicht mehr so offen gegenüber den Großeltern.“ Daher sollten Konflikte lieber nicht im Beisein der Kinder ausgetragen werden.

Offenheit und Akzeptanz

Stattdessen können bei einem Gespräch in ruhiger Atmosphäre ehrlich und auf sachlicher Ebene Wünsche und Bedürfnisse besprochen werden. Gegenseitiger Respekt, Geduld, Wertschätzung sowie Offenheit und Akzeptanz für unterschiedliche Meinungen helfen dabei. Beide Seiten sollten aktiv zuhören und bei Unklarheiten nachfragen. „Dies bedeutet, dass ich mich in die Lage des anderen versetze und damit sein Tun und Handeln verstehe. Gute Kommunikation entsteht dann, wenn ich nicht wütend, nachtragend und verletzt bin. Deswegen ist Vergebung von gegenseitigen Kränkungen ganz wichtig“, erläutert eine Mutter.

Verallgemeinerungen durch Worte wie „immer“ oder „wieder“ sind eher ungünstig. Nützlicher als Vorwürfe sind Ich-Formulierungen, etwa: „Ich würde mir wünschen, dass ihr unseren Kindern weniger Süßigkeiten gebt, wenn sie bei euch sind.“ Erscheint ein direktes Gespräch zu schwierig, kann ein Brief helfen. Das gibt allen Beteiligten Zeit, sich zu beruhigen und in Ruhe nachzudenken.

Eltern und Großeltern: Liebe als gemeinsamer Nenner

Eltern und Großeltern erleben die (Enkel-)Kinder in verschiedenen Situationen und haben unterschiedliche Perspektiven auf sie, die sich zum Wohl der Kinder gut ergänzen. Eltern, Großeltern und (Enkel-)Kinder können so voneinander lernen. Letztlich wird die gesamte Familie bereichert und gestärkt. Ja, früher war vieles anders, aber nicht automatisch alles besser oder schlechter. „Großeltern hatten ihre Zeit zum Erziehen und sollten jetzt bei den Enkeln nur begleiten“, meint eine Großmutter. Manchmal lernen sie dabei selbst noch etwas Neues. Eltern wiederum dürfen vom reichen Erfahrungsschatz der Großeltern profitieren und ihre eigenen Lehren daraus ziehen.

Alle Generationen erzogen und erziehen ihre Kinder nach dem jeweils aktuell besten Wissen und Gewissen. „Ich höre von meiner Mama oft, dass sie denkt, dass sie vieles falsch gemacht haben“, erzählt eine Mutter. „Das möchte ich ihnen nicht vermitteln. Es war anders, und sie haben nach dem damaligen Kenntnisstand und Wissen so gut erzogen, wie sie konnten. Das Gleiche machen wir heute auch. Auch wenn sich einige Dinge geändert haben, ändert es nichts an der Liebe.“

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und Journalistin.

Wenn die Eltern altern – und meine Hilfe brauchen

Schlaganfall, Parkinson oder Altersschwäche – irgendwann brauchen die Eltern Hilfe. Besonders herausfordernd ist das für Einzelkinder. Kerstin Wendel berichtet, was stärkt und was hilft.

Wir Einzelkinder stehen allein da. Wieder mal. So sind wir es gewöhnt aus dem geschwisterlosen Leben. Dabei wartet eine Fülle von Herausforderungen auf uns, die ansonsten auf mehrere Schultern hätten verteilt werden können. Was kommt jetzt auf uns zu? Und schaffen wir das allein?

Wenn Eltern unterstützt werden müssen, ist manches zu organisieren. Wie ist dies oder das zu machen? Welche Hilfe bietet man an? Was muss delegiert werden? Wie geht es einem selbst mit den schwächer werdenden Eltern? Austausch mit Geschwistern über all diese Fragen gibt es nicht. Wenn vorhanden, können wir mit dem Ehepartner sprechen. Eventuell reicht uns das nicht. Wir fühlen uns zunächst allein und eventuell auch überfordert mit allem.
Idee: Gibt es Freundinnen oder Freunde, mit denen wir über unsere Herausforderungen sprechen können?

Konflikte mit den Eltern

Unterschiedliche Vorstellungen von Eltern und Kind prallen aufeinander. Es ist natürlich, dass Eltern und Kindern manches unterschiedlich handhaben im Alltagsleben. Kein Problem, solange jeder „nur“ für sein eigenes Leben zuständig ist. Jetzt aber heißt es, den Eltern und ihrer Alltagsgestaltung näherzurücken.

Ein Freund von mir musste sehr plötzlich die Krankenhaustasche seines Vaters packen. Er empfand Scham, weil die Kleidung nicht in Ordnung war. Eigentlich hätte er am liebsten erst einmal passende, saubere Schlafanzüge bestellt.

Anna* litt darunter, dass ihre Mutter so unbeweglich war. Jede Idee, den Alltag zu verändern, wurde abgelehnt. Alles sollte so sein wie immer. Da war kein Interesse, es sich leichter zu machen. Das alles sind Konfliktfelder.
Fragen: Was kann ich als Einzelkind anregen? Welche Entscheidung der Eltern muss auch einfach hingenommen werden?

Kommunikation ist manchmal nicht erwünscht. Manchen Eltern fällt es schwer, Vorkehrungen für das eigene Alter zu treffen. Sie möchten nicht darüber nachdenken oder darauf angesprochen werden. Da keine Geschwister da sind, kann man niemand anderen bitten, ein Gespräch zu übernehmen.
Idee: Ein Freund von mir hat deshalb den Hausarzt mit eingeschaltet, als er nicht mehr weiterwusste. So konnte im Dreiergespräch Wichtiges auf den Tisch kommen.

Alte Konflikte können belastend nachwirken, denn manche Familiengeschichte ist beschwert von früher. Vielleicht war es nie leicht, über Persönliches zu sprechen? Oder es wurden Grenzen überschritten? Vielleicht gab es nicht zu lösende Konflikte? Vielleicht haben Kind oder Eltern etwas nicht vergeben können? Diese Probleme werden unterschwellig mitlaufen. Wenn wir Kinder durchschauen, welche Themen „von früher“ noch mitschwingen, können wir versuchen, konstruktiv damit umzugehen.
Idee: Wir sollten abwägen, was wir überhören müssen. Wir werden außerdem lernen müssen, wie wir gut für unsere Seele sorgen können, damit wir innerlich frei helfen können. Unter anderem sicher dadurch, indem wir uns fokussieren auf die aktuell nötige Unterstützung.

Schatten der Vergangenheit – (un)ausgesprochene Vorwürfe

Manchmal ergibt es sich, dass das pflegende Kind zum Buhmann wird. Das liegt weder am jeweiligen Einzelkind noch an den Eltern, sondern häufig einfach an der Situation. Denn der alte Mensch muss sich sehr umstellen. Plötzlich mischt „das Kind“ sich in Alltagsentscheidungen ein. Das kann zu Wut, Ärger oder Ohnmachtsgefühlen bei den Eltern führen. Vielleicht tauchen Gedanken auf wie folgende: „Mir wird nichts erlaubt! Immer soll ich so viel bezahlen. Alles geht nach deiner Nase.“ Die werden vielleicht offen angesprochen und stehen als Vorwurf im Raum oder sie wirken unterschwellig. Da sich die Hilfestellungen nicht auf Geschwister verteilen können, landet alles auf der Einzelkind-Schulter. Das kann wehtun und frustrieren.
Frage: Wo und wie kann ich Dampf ablassen? Das eingeschränkte Einzelkind ist besonders herausgefordert. Einige meiner Einzelkinderfreunde sind wie ich nur begrenzt belastbar. Entweder sind sie selbst chronisch krank oder verheiratet mit einem chronisch kranken Menschen. Deshalb ist es nicht einfach, weise Entscheidungen zu treffen. Natürlich geht der eigene Ehepartner vor, aber die Verantwortung für die Eltern bleibt bestehen. Eventuell spürt das Einzelkind deshalb auch Enttäuschungen der Eltern, weil mehr an Hilfe nicht zu leisten ist.
Frage: Wie können wir uns als Paar und evtl. parallel die Eltern durch Hilfe von außen unterstützen lassen? (Tipps dazu siehe „Praktische Hilfen“)

Niemand redet mir rein

An einigen Stellen haben wir es auch leichter ohne Geschwister:
Es sind keine Absprachen nötig: Langwierige Telefonate mit den Geschwistern? Eventuell sogar Konflikte über unterschiedliche Ansichten, Geldausgaben oder Notwendigkeiten? All das kennen wir nicht. Das spart eine Menge Nerven und Zeit. Ich kenne einige Familien, in denen das Thema Elternpflege zur Belastung der Geschwisterbeziehungen wurde. Davon sind wir Einzelkinder verschont.

Neues Gemeinschaftsgefühl kann wachsen: Klaus* hätte gern schon viel früher seinen Vater unterstützt. Aber der lehnte ab. Erst als er zu schwach für vieles war, durfte Klaus ran: den Schuppen aufräumen, Unnötiges ausmisten. Nachdem die ersten Dinge erledigt waren, bekam Klaus einen dankbaren Vater zu spüren. Eine neue Erfahrung für ihn. Oder Ilse*. In ihrer Elternbeziehung war nicht alles rundgelaufen. Es gab unlösbare Konflikte. Die Schwäche eines Elternteils erwies sich als Entlastung. Plötzlich wurden andere Fragen wichtig, lenkten von früheren Auseinandersetzungen ab. In beiden Fällen wurde Familie wieder positiver erlebt. Dieses Gemeinschaftsgefühl kann Einzelkinder und Eltern stärken. Auf der letzten gemeinsamen Wegstrecke geht plötzlich noch etwas.
Keine Rivalitäten aufgrund dankbarer Eltern: Vielleicht zeigen sich Eltern plötzlich sehr dankbar für Hilfe und Unterstützung. Sie zeigen es verbal oder finanziell. Das könnte Neid unter Geschwistern hervorrufen. Dem Einzelkind tut es einfach nur gut.

Was praktisch hilft

Wie schon deutlich wurde: Es gibt Hilfen und Ideen, um sich in dieser Zeit unterstützen zu lassen. Neben den bereits genannten Anregungen gibt es weitere grundsätzliche Hilfen:
Emotionale Unterstützung: Seit meine Eltern schwächer werden, tut es mir gut, mit engen Freunden zu sprechen. Unter ihnen sind ebenfalls manche Einzelkinder. Manche Last wird plötzlich leichter, Gebetsanliegen werden ausgetauscht, hilfreiche Infos geteilt. Und es darf gelacht werden! Das baut Spannung ab, schenkt neue Kraft, manchmal auch den nötigen Abstand und macht vieles leichter.

Praktische/pflegerische Unterstützung: Das kann für Einzelkinder, die vor Ort leben, wichtig sein, erst recht aber für auswärtige. Schon lange, bevor meine Eltern pflegebedürftiger wurden (ich bin auswärtiges Einzelkind), haben wir uns zu dritt dafür entschieden, eine Ansprechperson vor Ort zu haben. Sie hat einen Schlüssel zum Haus meiner Eltern, weiß, wo die gepackte Krankenhaustasche steht und wo wichtige Dokumente liegen.

Nicht immer wird man sofort „springen“ können. Für diesen Fall ist vorgesorgt. Außerdem kann man die Infrastruktur des Ortes ausschöpfen: Welche Geschäfte können etwas liefern? Wo finde ich Unterstützung für Haus, Technik oder Garten? Hier helfen Kleinanzeigen in Zeitungen oder Geschäften sowie Kontakte über die Ortsgemeinde oder die Diakonie. Außerdem ist wichtig zu wissen: Welche Pflegedienste gibt es vor Ort? Wer bietet „Essen auf Rädern“ an?

Klar und eindeutig kommunizieren: Mir ist es wichtig, klar auszudrücken, was ich leisten kann und was nicht. Das schenkt Eltern Sicherheit und bewahrt das Einzelkind vor zu großen Schuldgefühlen.
Vorausdenken lernen: Wie schon angedeutet fällt es manchen Eltern schwer, über ihr Älterwerden nachzudenken. Sie verdrängen lieber. Andere denken häufig ängstlich und besorgt darüber nach. Für beide kann es entlastend sein, wenn das Einzelkind bereits Dinge durchdacht hat, am besten, bevor eine zu große Notlage entsteht. Das kann sich auf kleine Dinge wie Fensterputzen beziehen oder auf größere. Manche reservieren deshalb bereits einen Platz im Betreuten Wohnen oder Pflegeheim vor.
Loslassen lernen: Ich weiß um Zeiten in meinem Leben, in denen mir die Situation „Eltern brauchen Hilfe“ zu einer großen seelischen Belastung geworden war. Das liegt Jahre zurück. Als Christ hat es mir geholfen, diese Last zusammen mit meiner Seelsorgerin an Gott abzugeben. Das war ein längerer Prozess, aber ich habe erlebt, wie der Glaube mir Halt gegeben und in mir Heilung bewirkt hat.

Kerstin Wendel ist Autorin, Sprecherin und Seminarleiterin und lebt mit ihrem Mann in Wetter/Ruhr.

*Alle Namen geändert.