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Sie schlagen ihre Kinder!

„Ich habe mitbekommen, dass ein Ehepaar aus unserer Kirchengemeinde seine Kinder (3 und 5 Jahre) schlägt, wenn sie ihnen nicht ‚gehorchen‘. Ich finde das total schlimm und würde gern etwas dagegen unternehmen – schließlich hat jedes Kind das Recht auf gewaltfreie Erziehung! Wie kann ich mich einmischen?“

Zunächst einmal möchte ich Sie in Ihrer Aufmerksamkeit für Ihr Umfeld bestärken. Kinder und Jugendliche sind darauf angewiesen, dass die Gesellschaft genau hinschaut, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Denn Sie haben völlig recht: Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Es ist verboten, Kinder zu schlagen.* Dazu gehören übrigens auch der berühmte „Klaps auf den Hintern“ oder die „Backpfeife“. Dabei handelt es sich nicht um harmlose Erziehungsmaßnahmen, sondern um Gewalt.

ELTERN MÜSSEN AUFGEKLÄRT WERDEN

Dass Eltern ihren Kindern Gewalt antun, hat mannigfaltige Ursachen. Manch einer weiß gar nicht, dass er Unrecht begeht, wenn ihm „die Hand ausrutscht“. Hier ist Aufklärung notwendig! Gleichzeitig entsteht Gewalt zumeist dann, wenn Eltern sich nicht anders zu helfen wissen. Kinder können in manchen Entwicklungsphasen sehr fordernd, für manche überfordernd sein. Wer Stress und Sorgen im Job hat, verliert nach einem langen Arbeitstag vielleicht schnell die Geduld, wenn das Kind zu Hause nicht das tut, was es soll. Auch Konflikte in der Partnerschaft können belasten. Ich bin sicher: Niemand schlägt sein Kind mit reinem Gewissen.

WAS SIE TUN KÖNNEN

Suchen Sie bei einer guten Gelegenheit des Gespräch mit den Bekannten. Machen Sie deutlich, dass Schläge inakzeptabel sind und das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und ihren Kindern zerstören. Vielleicht ergründen Sie, warum die Kinder gewaltvoll gezwungen werden, zu „gehorchen“. Bieten Sie Ihre Hilfe an oder machen Sie auf Hilfsangebote aufmerksam. Bei den Elternkursen des Kinderschutzbundes „Starke Eltern – Starke Kinder“ beispielsweise lernen Eltern, mit konfliktbehafteten Situationen anders umzugehen als mit Gewalt. Und sie lernen, dass in der Erziehung das „Gehorchen“ der Kinder nicht an allererster Stelle stehen sollte.

Sind die Eltern nicht zugänglich und reagieren abweisend, informieren Sie das Jugendamt. Das ist auch anonym möglich. Und immer gilt: Sollten Sie das Gefühl haben, dass die Kinder sich in akuter Gefahr befinden, verständigen Sie die Polizei. In so einer Situation können Sie nichts falsch machen – außer, gar nicht zu handeln.

Cordula Lasner-Tietze ist Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Sie hat selbst Elternkurse im Rahmen von „Starke Eltern – Starke Kinder“ geleitet und Trainer/innen ausgebildet.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

* In Deutschland und Österreich ist das Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung gesetzlich festgelegt, das Schlagen von Kindern somit strafbar. In der Schweiz gibt es keine klare gesetzliche Regelung.

Die Stimme erheben

Unsere Autorin Priska Lachmann hat am Wochenende in Berlin die Blogfamilia besucht, eine Konferenz für Elternblogger/innen. Besonders bewegt hat sie, wie sich starke Männer und Frauen für Kinder und Familien einsetzen.

Am Wochenende fand in Berlin die Blogfamilia statt, ein großes Treffen aller Familienblogger/innen in Deutschland. Jedes Jahr leistet das Organisationsteam Großartiges und lädt bekannte Sprecher, tolle Sponsoren und wunderbare Caterer ein, um diesen Tag zu einem der herausragendsten des Jahres zu machen. Jedes Jahr werden drei Awards verliehen. Die Preisgelder werden aus den Eintrittsgeldern generiert und an wohltätige Organisationen gespendet.

„Laut sein“ war das Grundthema der Konferenz in diesem Jahr. Laut und relevant sein. Den Familien eine Stimme geben. Neben Vorträgen von Sebastian Fitzek und Nicole Staudinger machten sich Katja Saalfrank und Nora Imlau  stark für eine gewaltfreie Kindheit. Und da in Deutschland laut Statistik 70 Prozent der Eltern das Wort „Kinderrechtskonvention“ bisher nur gehört, aber nicht verstanden haben, da Kinder schützenswert sind und wir unsere Stimme nutzen sollen für diejenigen, die keine Stimme haben, hat mich das Thema „gewaltfreie Kindheit“ besonders berührt und ich möchte die Impulse der Konferenz gern weitergeben.

Immer noch sind Kinder körperlicher und seelischer Gewalt ausgesetzt. Diese Gewalt zeigt sich in unterschiedlichen Formen des Machtmissbrauchs von uns Eltern und anderen Autoritätspersonen. Solche Demütigungen führen zu einem tiefen seelischen Schmerz. Dieser Schmerz wird irgendwann eingeschlossen im Gehirn, damit er ertragbar wird. Da das aber im selben Gehirnsystem passiert, in dem auch Mitgefühl und andere wunderbare Gefühle beheimatet sind, werden Kinder irgendwann zu harten, unnachgiebigen und nicht wertschätzenden Erwachsenen, so legte es Katja Saalfrank dar. Erwachsene, die dann sagen: „Es hat uns ja auch nicht geschadet“, haben genau diesen Schmerz als Kind erlebt. Und diesen Schmerz womöglich verdrängt.

Es ist mir wichtig klarzumachen, dass sowohl Katja Saalfrank als auch Nora Imlau und auch ich nicht darüber sprechen, dass es keine Grenzen geben darf. Natürlich müssen wir unsere Kinder vor Gefahren schützen. Natürlich dürfen wir sie leiten und lenken, damit sie starke Erwachsene werden können. Und ich habe persönliche Grenzen, die respektiert werden müssen. Aber auch unsere Kinder haben Grenzen, und im besten Fall formulieren sie diese auch deutlich. Es ist immer eine Frage des „wie“: Wie reden wir mit unseren Kindern? Respektvoll? Demütigend? Beschimpfen wir sie? Oder passiert es uns, dass wir die Nerven verlieren und schreien? Wie gehen wir im Nachhinein damit um? Entschuldigen wir uns? Erklären wir, dass Mama und Papa so viel Stress haben, dass wir nicht ruhig reagieren können?

Eltern machen Fehler. Niemand ist perfekt, und unser Alltag bietet unheimlich viel Stresspotenzial. Trotzdem sind unsere Kinder unser anvertrautes Gut, und es ist wichtig, dass wir uns als Eltern selbst reflektieren und ihnen respektvoll begegnen. Es ist ein Weg, und auch ich bin nicht perfekt. Aber mit unseren Kindern im Gespräch zu bleiben, das Beste aus uns herauszuholen, damit unsere Kinder wertschätzende und liebende Erwachsene sein können, das ist unsere Aufgabe.

Diese Aufgabe möchte ich mich euch teilen. Ihr lieben Mamas und Papas da draußen: Erhebt eure Stimme für mehr Fairness und Respekt!

Priska Lachmann lebt mit ihrer Familie in Leipzig und bloggt auf www.mamalismus.de.