6 bis 10 – Mein Kind hat Legasthenie
Elternfrage: „Bei meinem Kind (8) wurde Legasthenie diagnostiziert. Wird es ihm trotz dieser Diagnose möglich sein, ein normales Leben zu führen und etwas zu erreichen? Wie kann ich es dabei unterstützen?“
Die Diagnose Legasthenie kann erst einmal beängstigend sein. Aber es ist wichtig zu bedenken, dass Legasthenie in erster Linie eine Lernstörung ist. Das bedeutet, dass das Lernen schwerer fällt, zum Beispiel dauert das Lesen deutlich länger, lautes Lesen ist stockender und es passieren deutlich mehr Fehler beim Schreiben. Das wirkt sich dann aber auch auf die Noten aus.
In Mathe ist es aufgefallen
Eine betroffene Mutter berichtet, dass ihre Tochter mit 12 Jahren durch einen Test die Diagnose erhielt. Ihr war es aufgefallen, weil sie in einer Klassenarbeit in Mathe, die nur aus Textaufgaben bestand, größere Probleme hatte, obwohl das Rechnen ihr nicht schwerfiel. In der Rechtschreibung hatte sie hauptsächlich Probleme mit kleinen Worten, wie „dann“, „wenn“ oder Bindeworten, während sie „Marathon“ richtig schrieb. „Das Hauptproblem war allerdings, dass Nicole (Name geändert) sich dumm fühlte und nicht mehr gern in die Schule ging“, sagt Nicoles Mutter. Wenn sich schon so früh ein solches Gefühl einstellt, ist das für den Rest der Schulzeit natürlich schlecht und kann psychische Probleme zur Folge haben. Daher ist es wichtig, die Situation anzugehen. Denn mit Intelligenz hat Legasthenie nichts zu tun; diese spezielle Störungist in der Regel angeboren.
Als Eltern fragt man sich, wie man sein Kind am besten unterstützen kann. „Üben, Wörter richtig zu schreiben, bringt überhaupt nichts“, berichtet Nicoles Mutter. „Sie hat am nächsten Tag wieder dieselben Fehler gemacht.“ Stattdessen gibt es verschiedene schulische und außerschulische Förderprogramme, die gezielt und professionell mit den Kindern arbeiten. „Das hat vor allem den Vorteil, dass Eltern sich ganz auf die persönliche Unterstützung konzentrieren können und zu Hause weniger Konflikte beim Üben entstehen“, berichtet Nicoles Mutter.
Förderprogramme von Schule und Jugendamt
Es gibt eine Reihe von schulischen und außerschulischen Fördermaßnahmen. Insbesondere Programme jenseits der Schule müssen zwar organisiert werden, aber es lohnt sich. Und sie werden, je nach Land, teilweise auch vom Jugendamt finanziert, sodass auf die Eltern zwar der organisatorische, aber nicht der finanzielle Aufwand zukommt. Zudem gibt es in der Schule, bei Vorlage entsprechender Tests, einen Nachteilsausgleich. Dadurch erhalten die Kinder bei Tests und Klassenarbeiten mehr Zeit und die Rechtschreibung wird weniger streng bewertet. „Auch da muss man als Eltern manchmal sehr hinterher sein, denn Lehrerinnen und Lehrer oder die Schulleitung haben das nicht immer auf dem Schirm“, sagt Nicoles Mutter. Aber letztlich gibt es die Möglichkeit bis zum Abitur und darüber hinaus. Viele Ausbildungen, Hochschulen und Universitäten gewähren mittlerweile ebenfalls einen Nachteilsausgleich.
Alle Wege stehen offen
„Nicole ist mittlerweile 19. Sie hat das Abitur geschafft und studiert an einer Fachhochschule. Ihren Alltag kann sie ohne Probleme bewältigen“, berichtet die glückliche Mutter. „Das Wichtigste war, ihr zu vermitteln, dass wir sie unterstützen und an sie glauben, und sie zu motivieren. Wir haben das Problem erkannt, es angenommen und das Beste daraus gemacht.“ Wegbegleiter haben Nicole und ihrer Mutter ebenfalls Mut gemacht, sich nicht unterkriegen zu lassen. Prinzipiell stehen einem Kind mit Legasthenie alle Wege offen. Sicher sind manche Wege etwas schwieriger, aber ein normales Leben ist ohne Einschränkungen möglich.
Marcus Beier ist Redakteur bei Family und Family NEXT.