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Kommunikation ohne Eskalation: Expertin gibt Tipps

Unbedachte Worte in der Partnerschaft können tief verletzen. Beziehungs- und Kommunikationsexpertin Piroska Gavallér-Rothe erklärt, wie achtsame Kommunikation einfach gelingen kann.

Gerade war noch alles gut, doch plötzlich kippt die Kommunikation und ein Satz schießt um die Ecke und bohrt sich wie ein spitzer Pfeil in Thomas’ Herz. Thomas’ Kopf weiß: „Das ist nicht böse gemeint!“ – dennoch kann er nicht anders und zieht sich verletzt zurück. Den Rest des Abends muss Lea allein verbringen.

Auch bei Hannah und Jonas nimmt der Abend eine abrupte Wendung: Jonas macht einen unbedachten Kommentar – schon wird Hannah laut. Schneller als sie gucken können, haben sie sich wieder in einen Streit verstrickt.

In der Tat sind es oft Kleinigkeiten, an denen sich in Partnerschaften Streitigkeiten entzünden. Viele Paare stehen dann hilf- und ratlos da und fragen sich, woran es liegt. Es gibt verschiedene Gründe, die zu solchen Situationen führen. In diesem Artikel möchte ich vier Aspekte herausgreifen, die mir in meiner Arbeit mit Paaren regelmäßig begegnen:

1. Formulierungen mit Eskalationspotenzial

Auch wenn wir es selten böse meinen – aus kommunikationspsychologischer Sicht verwenden Menschen erschreckend viele dysfunktionale Sprachmuster. Mit ihnen bringen wir direkt oder indirekt zum Ausdruck, unser Gegenüber habe etwas falsch gemacht oder sei nicht okay.

Zu den dysfunktionalen Sprachmustern zählen insbesondere Urteile und Bewertungen wie zum Beispiel:

  • Du bist einfach viel zu empfindlich!
  • Das war mal wieder eine deiner vorschnellen Aktionen.
  • Vielleicht solltest du erst mal den Kopf einschalten und erst dann sprechen.

Aber auch Vergleiche bergen ungute Botschaften über unser Gegenüber in sich und können daher schnell zu einer Eskalation der Situation führen:

  • Du bist schon so wie deine Mutter!
  • Warum bloß hat niemand außer dir ein Problem mit dem, was ich sage?
  • Früher hast du nicht alles gleich auf die Goldwaage gelegt!

Eine subtile Form dysfunktionaler Sprachmuster ist das Leugnen von Verantwortung. In diesem Fall klingt das Gesagte so, als sei unser Gegenüber für die angesprochene Misere verantwortlich – während man selbst bequem aus dem Schneider ist:

  • Du könntest mittlerweile wirklich wissen, wo meine wunden Punkte liegen …
  • Wenn du nicht immer so empfindlich wärst, hätten wir weitaus weniger Probleme!
  • Wieso soll ich jetzt freundlich bleiben, wenn du mich gerade so angefahren hast?

Frühe Prägung

Die meisten von uns wurden schon seit frühester Kindheit von solchen Formulierungen geprägt. Wir haben sie so oft und selbstverständlich gehört, dass wir sie unbewusst übernommen haben. Heute verwenden wir sie selbst – meistens ohne es überhaupt zu merken! Genau deshalb ist es oft schwer nachvollziehbar, wenn das Gegenüber unleidig reagiert oder sich verletzt zurückzieht.

Dysfunktionale Sprachmuster wirken wie Tretminen in der Kommunikation. Besonders gilt das für Beziehungen, in denen Menschen in einem Näheverhältnis zueinander stehen – also in der Partnerschaft, aber auch in der Eltern-Kind-Beziehung oder der Beziehung zwischen Geschwistern. Das hohe Maß an Intimität macht die beteiligten Menschen verletzlich, denn nirgendwo tut Ablehnung so weh, als in Beziehungen, in denen wir uns nach Liebe sehnen.

2. Empfindliche Ohren in der Kommunikation

Auch empfindliche Ohren können dazu führen, dass Gespräche aus dem Ruder laufen. Oft sind sie das Ergebnis dysfunktionaler Erziehungsbotschaften. Kritische Urteile wie zum Beispiel „Du bist zu neugierig!“, und negative Vergleiche wie beispielsweise „Nimm dir mal ein Beispiel an deinem Bruder!“, können das Selbstvertrauen von Kindern ebenso erschüttern wie der Vorwurf, für unerwünschte Gefühle anderer Menschen die Verantwortung zu tragen: „Mama ist jetzt ganz traurig, weil du immer noch nicht schlafen willst.“ Schnell entsteht so die kindliche Überzeugung, „schuldig“ oder „nicht richtig“ zu sein.

Ohne positive Gegenimpulse gräbt sich dieses negative Selbstbild tief ins eigene Erleben ein und beeinflusst auch im Erwachsenenalter unsere Wahrnehmung und unsere Reaktionen. Auch positiv gemeinte Äußerungen wie zum Beispiel: „Ich bin wirklich froh, dass du heute Abend so entspannt bist!“, können dann leicht als persönlicher Vorwurf gehört werden und zu gekränkten Reaktionen führen: „Sag doch gleich, dass es dich nervt, dass ich in letzter Zeit so gestresst bin!“

Ungute Paarung

Treffen dysfunktionale Sprachmuster auf empfindliche Ohren, ist das Unglück vorprogrammiert. Meistens fehlen nämlich auf beiden Seiten Fertigkeiten, um das Gespräch zurück in konstruktive Bahnen zu lenken: Die sprechende Person vermag es nicht, über ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Selbst wenn sie Ich-Botschaften zu verwenden versucht, verbirgt sich oft noch eine vorwurfsvolle Du-Botschaft in ihren Worten („Ich bin traurig, weil du mich mal wieder nicht ernst nimmst.“).

Der empfangenden Person fehlen wiederum die Fähigkeiten, in vorwurfsvollen Aussagen die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen, ohne sich dadurch selbst angegriffen oder schuldig zu fühlen („Bist du traurig, weil es dir wichtig ist, ernst genommen zu werden?“).

3. Störungen der Beziehungsebene

Dass es in Beziehungen zu Unstimmigkeiten kommt, ist normal und im Grunde auch nicht schlimm. Schlimm wird es nur, wenn sie nicht aufgelöst werden – weil man zum Beispiel keine Zeit darauf verwenden mag oder es nicht vonnöten erscheint. Dann kommt es zu Verwerfungen auf der Beziehungsebene. Wie bei tektonischen Platten führt das zu Spannungen. Kommen weitere unaufgelöste Unstimmigkeiten hinzu, verstärken sich die Spannungen. Schließlich kann die Spannung so stark werden, dass sie sich selbst bei kleinen Dingen in heftigen Erschütterungen entlädt.

Verbindungslücke

Die herkömmliche Form unserer Kommunikation ist nicht geeignet, Unstimmigkeiten in verbindender Weise auflösenzu können. Stattdessen fördert sie zermürbende Diskussionen, in denen man sich im Kreis dreht und am Ende doch nichts klärt.

4. Biografische Verletzungen

Es gibt immer wieder Situationen, in denen so starke Emotionen zu wirken beginnen, dass wir sie nicht richtig zu steuern vermögen. Dann übernimmt ein Autopilot das Ruder und wir tun oder sagen Dinge, die wir später bereuen.

Ein aktivierter Autopilot zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass gerade tiefgreifende und noch immer schmerzende Verletzungen in uns berührt werden. Die Heftigkeit der emotionalen Reaktion weist darauf hin, wie groß der stimulierte Schmerz in Wirklichkeit ist.

Verdrängt und abgespalten

Besonders schmerzhaft oder gar traumatisch erlebte Erlebnisse – insbesondere aus der Kindheit – werden sehr häufig aus dem Bereich des bewusst Zugänglichen in den Bereich des Unbewussten verschoben. Die emotionale Reaktivität bleibt jedoch erhalten. So schlittern wir immer wieder in reaktive Verhaltensweisen, können aber nicht wirklich nachvollziehen, weshalb.

Lichtblick

Eskalierender Streit in der Kommunikation als Paar – das muss kein Schicksal bleiben! Als Paar kann man sehr wohl einiges tun, um entspannter miteinander auszukommen:

Kommunikation

Hierbei geht es weder um Rhetorik noch um kommunikative Tipps und Tricks, sondern um die Fähigkeit, anders zu sprechen und anders zu hören.

Anders sprechen bedeutet: Sich aus dysfunktionalen Sprachmustern zu befreien und stattdessen Worte wählen zu können, mit denen wir wertschätzend und klar zum Ausdruck bringen, was wir fühlen und was wir brauchen.

Anders hören bedeutet: Einfühlsam und bedürfnisorientiert unserem Gegenüber zuhören zu können – sogar dann, wenn es gerade dysfunktionale Sprachmuster nutzt.

Dialog

Der Dialog ist der Gegenentwurf zur Diskussion. Kommunikatives Kräftemessen und die Durchsetzung der eigenen Meinung wird ersetzt durch einen verbindenden Austausch auf Augenhöhe. Die dialogische Gesprächsführung folgt klaren Abläufen und verbindet die neue Form des Sprechens und des Hörens zu einem lebendigen Ganzen.

Heilung

Möchten wir auch in Situationen mit einer hohen emotionalen Last angemessen agieren können, kommen wir nicht umhin, uns um unsere tiefliegenden Verletzungen zu kümmern. Kümmern bedeutet nicht, die Situation psychologisch analysieren oder kognitiv erklären zu können. Vielmehr geht es darum, sich der eigenen Verletzung liebevoll anzunehmen und sie damit zu versorgen, was sie braucht, damit es weniger schmerzt – auch und insbesondere dann, wenn sie einen schmerzvollen Impuls durch das Außen erfährt. Erst durch unsere fürsorgliche Zuwendung wird der Anteil nach und nach entspannen und durchatmen können, anstatt sich durch reaktive Automatismen zu schützen zu versuchen.

Am besten gelingt eine solche Heilungsarbeit in einem professionell begleiteten Kontext. Sich einfühlsam den eigenen Verletzungen zu widmen, stärkt nicht nur die persönliche Resilienz, sondern ermöglicht auch die Versöhnung mit der eigenen Biografie. Und wer versöhnt ist mit sich selbst, kann auch versöhnlich mit dem Partner sein.

Piroska Gavallér-Rothe ist Trainerin für Konflikt- und Kommunikationskompetenz und Paartherapeutin. Weitere Informationen unter: gavaller-rothe.com