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Der einsame Wolf hat ausgedient

Männer kommen schon alleine klar? Christof Matthias hat festgestellt, dass er nur in Beziehungen wachsen kann.

Die ersten Anmeldungen für unseren Männertag kommen immer von Frauen. Sie wollen ihren Männern etwas Gutes tun und ihnen Begegnungen und Beziehungen ermöglichen. Der Leidensdruck scheint bei ihnen höher zu sein als bei ihren Männern selbst. Eine Anruferin fragte, ob sie ihren Mann denn schicken dürfe, denn er hätte ja gar keine Freunde. Viele Männer, die ich kenne, mich selbst eingeschlossen, kommen ganz gut alleine klar und empfinden das auch nicht als Mangel. Manche wünschen sich auch Freunde, wissen aber nicht, wie sie es anstellen können. Aber warum sollte Mann etwas ändern, wenn er doch scheinbar gar nicht leidet? Aus meiner Sicht gibt es dafür drei Gründe: Der Horizont erweitert sich, Freundschaften bieten Chancen zu persönlichem Wachstum und machen das Leben schöner. Wo immer ich den Weg des einsamen Wolfes verlassen und die Gemeinschaft zu anderen Männern gesucht habe, konnte ich mich mit anderen Sichtweisen auseinandersetzen und dazulernen. Jedermann erlebt und beschreibt die Welt aus anderen Augen und hat persönliche Erfahrungen gemacht. Die Geschichten, die dahinter liegen, sind immer spannend und bereichernd. Ich habe den Kontakt und den Austausch mit anderen Männern noch nie bereut. Ganz egal, ob es dabei um das Gespräch mit einem Nachbarn auf der Straße ging oder den Austausch am Lagerfeuer nach einer Motorradtour in der Wüste Arizonas. Wenn wir bei unseren Eheseminaren die Paare in Männer- und Frauenrunden aufteilen, reden die Männer meist länger als die Frauen. Ich habe den Eindruck, dass alle froh sind, ihrer inneren Einsamkeit zumindest für diese Zeit entflohen zu sein. Mir fällt es nicht zu, mein Herz sofort für andere zu öffnen. Aber wenn es gelingt, empfinde ich Entlastung, Freude und inneren Frieden. Hier scheint das innere Bedürfnis nach Anteilnahme und Verständnis befriedigt zu werden. Das ist für mich ein Stück Lebensqualität. Dazu kommt, dass uns die Bibel dazu auffordert, charakterlich zu reifen und geistlich zu wachsen (Epheser 4,13+14). Wäre es nicht bedauerlich, wenn dich ein alter Freund nach vielen Jahren mit den Worten begrüßt: „Du bist ganz der Alte geblieben“? Wo erfährt der einsame Wolf eine Reflexion seiner Schwächen? Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, ist jede meiner Veränderungen in einem Beziehungskontext begründet. Wir sind aufgefordert, einander zu ermutigen, zu korrigieren und zu ermahnen. Korrigieren lasse ich mich aber eher von Menschen, denen ich vertrauen kann. Ich musste und muss mich deshalb immer fragen: Wo sind denn meine Vertrauten? Vertraute wachsen nicht an Bäumen, Vertrauen muss vorsichtig und langsam entwickelt werden, braucht Zeit und Pflege. Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht einsam alt werden möchte und nicht als Wolf Angst und Schrecken verbreiten will. Deshalb nehme ich den Kalender in die Hand, schaue frühzeitig nach freien Zeiten, schreibe Einladungsmails oder telefoniere. Wenn ich die Pflege von Beziehungen nicht bewusst einplane, ist am Ende oft keine Zeit mehr übrig. Ich weiß gewiss: Gott hat mich nicht als Einzelgänger geschaffen, aber um mit jemandem zusammen ein Stück zu gehen, muss ich auf ihn zugehen.

 

Christof Matthias ist in der Leitung von Team.F und freiberuflicher Supervisor, Vater von drei leiblichen Söhnen, einem mehrfach behinderten Pflegesohn, zwei Schwiegertöchtern und Opa von zwei Enkeltöchtern.

Die Sorgenkralle bezwingen!

Stefanie Diekmann ist anfällig für Sorgen.

Das Gemeine an der Sorgenkralle in meinem Leben ist: Sie krampft sich unvermittelt um mein Herz. Ich gebe mein Schulkind zum Segeln ab und realisiere den erstaunlichen Größenvergleich von Frachter und Segeljolle mit meinem Kind (das sehr fröhlich winkt). Dann auf einmal gibt die Sorgenkralle ihr Bestes: „Wenn sie kentert? Und was ist, wenn sie dann unter dem Boot bleibt?“ Eng wird es mir und vor Sorge bleibt fast die Luft weg. Die Sorgenkralle scheint auch meine wunden Punkte zu kennen. Beim Klaviervorspiel hat meine Tochter besonders großes Herzklopfen und möchte sich am liebsten drücken. Sie drückt sich sogar tatsächlich! Und ich spüre von einem Moment auf den anderen zermürbende Sorgen: Wieso traut sie sich so wenig zu? Was habe ich vermittelt, was ihr nicht guttut und sie bremst? An einigen Tagen bin ich sehr vertraut mit der Sorgenkralle und komme kaum dazu, einen Blick auf etwas anderes zu werfen. Ich sorge mich rein in ein Gefühl der Machtlosigkeit und der groben Erziehungsfehler und bin mehr und mehr gefangen in einer rostigen Kralle der „Wenns“ und „Achs“ … Jesus kennt unsere Anfälligkeit zum Sorgen und hat eine Idee: „Sorgt nicht!“, sagt er wiederholt. Was zu banal klingt, übe ich täglich. Spüre ich den Druck der Enge im Herzen, habe ich eine Art Spezialöffner für Sorgenkrallen. Ich schüttele ab, was sich für Szenarien in mir abbilden wollen und atme betend durch. Ich richte mich auf, als Mutter, als Frau, als Ich. Manchmal entweicht mir ein kleines: „Herr, segne du!“ oder ein „Jesus, hilf mir!“, manchmal nutze ich die scheinbare Enge, um über Freiheit und Mut zu beten. Das mag die Sorgenkralle gar nicht. Wenn ich bei Bekannten mitbekomme, wie sie in ihrer Ehe um Vorteile zerren, reagiert die Sorgenkralle verzögert. Erst nicke ich beim Zuhören zustimmend, wenn eine Frau über ihren Mann schimpft. Doch dann will mir die Sorgenkralle das Gefühl von Beziehungsmüdigkeit und von lieblosen Missverständnissen vor Augen führen. Bis ich meine eigene Ehe sorgenvoll betrachte. Auch hier will ich mich schneller aus dem Zugriff der Sorgenkralle befreien. Ich versuche, Gutes über meinen Mann und unser Miteinander zu sagen. Ich strecke der Sorgenkralle die Zunge raus, denn ich übe mich darin, meinem Mann direkt einen fast unaussprechlichen Wunsch an unsere Beziehung zu nennen. Was mir in letzter Zeit aufgefallen ist: Die Zeit in der Sorgenkralle verbringe ich allein, und sie kostet mich viel Kraft. Wenn ich mich herauswinde, habe ich die Chance, Gestalterin zu sein und nicht ausgelieferte Untätige. Ich setze mich zum Bügelperlen bezwingenden Kind dazu. Oder ich mache meinem Jugendlichen, der einen Studienort sucht, einen Tee. Ich bin Teil ihrer Gedanken, anstatt mich in der Distanz zu sorgen. Ich richte meinen Blick auf das Jetzt und das Miteinander. Ich lebe, sehe in die Augen des anderen, lache, schimpfe, höre zu. So wird mein Herz stark und lebendig. Die Sorgenkralle passt gar nicht mehr richtig drum … Beim Segeln ist übrigens nie etwas passiert.

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.