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Jetzt erst recht!

Gerade wenn wir von unseren Kindern enttäuscht sind, sollten wir sie lieben und unterstützen. Von Christine Gehrig

Irgendwie kamen eine Bekannte und ich auf das Thema „Liebe und Unterstützung für unsere großen Kinder“ zu sprechen. „Was auch immer das eigene Kind für einen Mist verzapft – und wenn es im Gefängnis sitzt – es hat ja nur die eine Familie. Wenn die sich abwendet, was soll dann werden? Durch Ablehnung hat sich ja noch nie jemand positiv verändert. Ich finde, gerade in Krisen brauchen unsere Kinder uns erst recht“, vertrat ich meine Ansicht. „Woher weißt du, dass mein Kind im Gefängnis war?“, fragte meine Bekannte. Ich sah sie überrascht an. Nein, davon hatte ich keine Ahnung gehabt. Trotz ihrer Enttäuschung hatte sie sich zu ihrem Kind gestellt. Dessen Leben verläuft heute in ruhigeren Bahnen. Vielleicht gerade wegen der Unterstützung durch die Mutter?

Unlogisch lieben

In der Regel wissen unsere Kinder, was sie falsch gemacht haben. Sie können einen vorwurfsvollen, harten Blick aus einem sorgenzerfurchten Gesicht nur schwer ertragen. Trotz ihrer Fehler oder ihres Versagens wollen sie sich in ihrer Person nicht abgewertet wissen. Ob es der Abbruch der Schule, des Studiums, der Ausbildung ist, das Driften ins Drogenmilieu, das Verharren in zerstörerischen Beziehungen, selbstverletzendes Verhalten, der leichtfertige Umgang mit Suchtmitteln, das Abrutschen in Kriminalität, die Schwangerschaft mit 14 …

Bei aller höchst verständlichen Schockiertheit, Verzweiflung und Wut – bleiben Sie nüchtern und besonnen! Niemals hat Ihr Kind Ihre Unterstützung dringender gebraucht. „Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie verdienen“, dieser Satz der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach geht unter die Haut. Machen Sie es wie Gott: Seien Sie völlig unlogisch, lieben Sie trotzdem und jetzt erst recht.

Welten aufeinandergeprallt

Ein Rückblick auf die eigene Jugend kann helfen, die Dinge klarer zu sehen. Tief unter der katastophenträchtigen Kratzbürsthülle hauste ein unsicheres, nach Anerkennung und Bestätigung hungerndes Teenagerwesen. Hinzu kam bei uns eine zeitgeschichtliche Besonderheit: In den 60er, 70er und auch noch in den 80er Jahren sind Welten aufeinander geprallt. Vertreter konservativer Wertvorstellungen und die 68er Bewegung standen einander als völlig unvereinbare, unversöhnliche Fronten gegenüber. Das schlug sich auf die Generationenbeziehungen in den Familien nieder.

Heute haben wir eine Art Baukastensystem – wir können aus allem das Positive herauspicken. Und vor allem: Das abweichlerische Kind gehört nicht mehr automatisch ins Feindeslager. Dennoch kann sein Verhalten als Bedrohung für die eigene, vielleicht mühsam zusammengezimmerte Welt empfunden werden. Alles Fremde macht zunächst Angst.

Herzförmige Brillengläser

Aber: Wenn wir unsere Herzen weit aufmachen, kommt nichts Schlimmes hinein, sondern Gottes Liebe hinaus zu unseren Kindern. „Liebe deckt alle Vergehen zu“ (Sprüche 10, 12). Wenn ich solche und ähnliche Sätze in der Bibel lese, bin ich wieder versöhnt mit Aussagen, die uns Menschen scheinbar klein machen. Diese Aussagen lesen sich wie durch eine richterliche Brille: Der Mensch ist ein zum Destruktiven neigendes Geschöpf und kriegt es einfach nicht richtig auf die Reihe, Eltern und Kinder inklusive.

Diese nüchterne Feststellung darf mal kurz sein – jetzt aber bitte die Brille mit den herzförmigen Gläsern aufsetzen, denn: Alles Strafende, Ablehnende, Verurteilende schafft Brüche, Distanzen und Abgründe in den Beziehungen zu unseren Kindern. Jahre später werden wir uns selbst dankbar sein, wenn wir unser Ding mit der Liebe durchgezogen haben.

Ich weiß von Eltern, deren Kind kaum einen Schlammassel ausließ. Zum Teil rieten Fachleute, das Kind auf Grundeis laufen zu lassen, es völlig abzuschneiden und den Folgen seines Handelns zu überantworten. Ja, Eltern sollen die Verantwortung für sein Handeln beim Kind lassen. Aber genauso ist es ihr Job, die Beziehung zu ihrem Kind niemals abreißen zu lassen. Eine Mutter hörte auf ihren Instinkt. Sie durchlebte Jahre des Hoffens und Bangens, ohne jemals den Kontakt und die offene Tür zu ihrem Kind aufzugeben. Nachdem dieses wieder Land gewonnen hatte, sagte es: „Danke Mama, dass du mich nie aufgegeben hast. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.“

Geduldig, geduldig, geduldig …

Setzen Sie immer wieder neu Ihre Brille mit den herzförmigen Gläsern auf: Welche altersangemessene Zuwendung braucht mein Kind jetzt? Freut es sich besonders über ein nettes Überraschungsgeschenk? Fühlt es sich durch eine bestimmte Unterstützung wertgeschätzt? Wirken anerkennende Worte, Anteilnahme und Verständnis wie Balsam auf seine Seele? Loben Sie im Zweifelsfall auch scheinbar Kleines und Selbstverständliches!
Bloß weil das Kind groß ist, bedeutet das nicht, dass es das alles nicht mehr braucht. Wir selber brauchen es ja auch. Und wenn das (spät)pubertierende Kind gerade sämtliche roten Knöpfe drückt? Was, wenn es mit uns so sehr auf Kriegsfuß steht, dass wir uns für unsere Existenz schon fast schuldig fühlen?

Dann arbeiten Sie als „verdeckter Ermittler“. Zum Beispiel, indem Sie für Ihr Kind und Ihre Beziehung zu ihm beten. Vielleicht fehlt Ihnen angesichts des schweren Wellengangs die Vorstellungskraft, dass es jemals wieder anders werden könnte. Seien Sie geduldig, geduldig, geduldig. Gott hat Vertrauen noch nie unbelohnt gelassen. Es kommen wieder ruhigere Fahrwasser. Kinder mit Besonderheiten in der Biografie sind die besten Lebenslehrmeister. Und: Behalten Sie die Zuversicht, dass Ihre guten, vorgelebten Werte wie Erbgut fest verankert in Ihrem Kind sitzen. Es wird nicht ausbleiben, dass Sie früher oder später etwas davon in irgendeiner Form erleben werden.

Christine Gehrig lebt mit ihrem Mann in Bamberg. Sie hat vier erwachsene Kinder und arbeitet als Nordic-Walking- und Gymnastik-Trainerin und als Lebe-leichter-Coach.

„Müssen wir das Studium finanzieren?“

„Unsere Tochter studiert und wohnt in einem Studentenwohnheim. Sie erwartet, dass wir ihre Miete übernehmen und den Lebensunterhalt finanzieren. Das bringt uns finanziell an unsere Grenzen. Ist es nicht normal, dass Studenten sich zum Teil selbst finanzieren durch entsprechende Jobs?“

Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber Kindern in der Ausbildung hat der Gesetzgeber in Deutschland und der Schweiz sehr genau geregelt. Denn der Staat hat ein Interesse daran, dass junge Bürger eine qualifizierte Ausbildung erhalten. Deshalb sind Eltern auch für volljährige Kinder unterhaltspflichtig, bis eine erste Ausbildung abgeschlossen ist. Ab dann ist das Kind in der Lage, sich selbst zu ernähren, und die Unterhaltspflicht ist beendet. Ab dem 18. Lebensjahr sind Eltern in Deutschland sogar zum Barunterhalt verpflichtet. Das heißt: Studierenden, die einen eigenen Haushalt haben, stehen monatlich 735,- Euro zu, davon sind 300,- Euro für die Warmmiete einkalkuliert. Gebühren für die Krankenversicherung und Studiengebühren sind noch nicht eingeschlossen. Der Gesetzgeber gibt auch vor, wie viel Geld Eltern als Eigenbedarf verbleiben muss. Orientierung bietet hier die sogenannte Düsseldorfer Tabelle (siehe Infokasten).

ZÜGIG STUDIEREN
Im Gegenzug verlangt der Gesetzgeber von den Studierenden, dass sie zügig und zielorientiert studieren. Außerdem sind sie den Eltern gegenüber zu Informationen und Nachweisen über den Fortgang des Studiums verpflichtet. Sollte das Einkommen der Eltern nicht ausreichen, können Studierende staatliche Unterstützung (D: BaföG, CH: kantonale Stipendien) beantragen. Ebenfalls kann sich die Recherche zu Stipendien diverser Stiftungen oder Organisationen lohnen! Nicht immer entscheiden nur die Noten. Sich um diese Informationen zu kümmern, liegt allerdings in der Verantwortung der Studierenden, nicht der Eltern.

DAZUVERDIENEN?
Viele Studierende verdienen etwas Geld dazu. Aber je nach Studiengang sind die Belastungen unterschiedlich. Bei manchen Studiengängen ist es gut machbar, nebenher zu arbeiten. Bei anderen ist man mit den Veranstaltungen und dem Lernpensum komplett ausgelastet. Geld ist ein sensibles Thema. Und Unterstützung schafft eine – mehr oder weniger spürbare – Abhängigkeit in einer Lebensphase, in der es gleichzeitig der Wunsch ist, sich hin zu einer gleichberechtigten Beziehung auf Augenhöhe zu entwickeln. Wie bei vielen anderen Themen auch, wird hier ein offenes und ehrliches Gespräch die Beziehung stärken und Sie einer einvernehmlichen Lösung näher bringen.

Michaela Schnabel ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Sie arbeitet als Sozialpädagogin und lebt in Witten.