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Die Kirschen in Nachbars Garten …

Oder: Warum Vergleichen keine gute Idee ist. Von Tabea Gruhn

So, da hätten wir ihn mal wieder: den Tag, an dem die Kirschen in Nachbars Garten saftiger, roter und üppiger sind! Ich habe zwar gar keinen Kirschbaum (hätte aber gern einen), trotzdem bin ich mir sicher, dass es hinterm Gartenzaun besser läuft als in unserem (Alp-) Traumschloss: Die Küche dort ist sauberer, die Kinder sind friedlicher, das Wohnzimmer ist traumhaft eingerichtet, in der Besteckschublade passt alles zusammen, hinter der akkurat gestutzten Hecke sind die Mama-Bäuche flacher, die Kleiderschränke spucken morgens das perfekte Outfit aus, die Kinder streiten harmonischer, die Männer sind philosophischer. Dazu sind sie auch noch handwerklich begabter (was mit Blick auf meinen Mann zwar gar nicht geht – aber trotzdem!).

DIE WURZEL ALLEN ÜBELS

Die Feste hinter der gepflegten Mauer sind bunter, fröhlicher, wundervoll organisiert, die Kinder der anderen schaffen es, im Gottesdienst die Predigt über allerliebst und ruhig auf ihren Plätzen zu sitzen. Die freundlichen Nachbar-Eltern engagieren sich im Elternbeirat, schaffen es neben der Berufstätigkeit, die kunstvollsten Muffins zu kreieren und finden die Zeit, dem Kindergartenpersonal auch noch einen kleinen, selbstgemachten Gruß aus der heimischen Traumküche mitzubringen. Ach ja, und das Worship-Team im Gottesdienst wäre um einiges ärmer ohne ihren Einsatz!

Hört sich toll an! Ja, eben. Und ich? Kann nicht mithalten. Aber ich suhle mich in meinen Vergleichen, die nur ein Ergebnis haben können: Es geht mir schlecht, ich fühle mich jämmerlich und die Welt ist gegen mich! Vergleichen ist die Wurzel allen Übels. Ja, weiß ich, nützt aber nichts. Ich bin drin in der Spirale, meine Gedanken haben sich selbstständig gemacht und präsentieren mir immer wieder neue Ansichten der ach-so-perfekten Welt um mich herum.

DAS GEDANKENKARUSSELL STOPPEN

In meinen Gedanken gefangen schaue ich auf mein Handy. Und was präsentiert mir der Status: die wunderschöne Geburtstagstorte einer Bekannten für ihre Tochter. Na also, ich sag’s ja! Und trotzdem: Ich finde den Kuchen so schön, dass ich der anderen Mama das schreibe und sie für ihre tolle Arbeit lobe. Ihre Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Sie war dem Nervenzusammenbruch nahe, weil sie die Zuckerverzierung schon am Abend davor draufgemacht hatte und am Morgen war sie total zerlaufen. Das kenne ich … Und die Bilder, die sie mir von der verunglückten Torte schickt, lassen mich mitfühlen – aber auch aufatmen. Ich schreibe ihr aufmunternd, dass mir das auch schon passiert ist und das Kunstwerk heute neu verziert noch viel schöner aussieht – was tatsächlich so ist. Und dann? Nichts. Ruhe. Gedankenkarussell gestoppt!

Eine Gelassenheit macht sich breit. Und auch Erleichterung, jemand anderem sagen zu können, dass nicht immer alles läuft, wie wir uns das vorstellen. Und das beruhigende Gefühl (für uns beide), dass der Blick ins scheinbare Schloss der anderen uns ein ganz normales Zuhause mit Höhen und Tiefen präsentiert.

Tabea Gruhn lebt mit Mann und fünf Kindern zwischen 4 und 13 Jahren in Augsburg.

„Er macht jetzt seinen Doktor!“

Früher waren es die ersten Schritte. Die ersten Wörter. Die mehr oder weniger kunstvollen Bilder der Kinder. Nun ist es das Abi. Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung. Das Diplom, der Bachelor, der Master, der Doktor, der Meisterbrief …

Viele Eltern sind stolz auf ihre großen Kinder. Das dürfen sie auch. Das sollen sie sogar. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass es gar nicht so sehr um die Kinder geht. Schwingt nicht oft der Gedanke mit: „Sehr her, ich bin eine gute Mutter, weil mein Sohn jetzt den Doktor macht.“?

Wir Eltern schmücken uns gern mit den Erfolgen unserer Kinder. Ist ja auch okay. Besser jedenfalls, als nur auf das Negative zu sehen: „Ja, er hat sein Studium in Mindestzeit absolviert, aber er hat immer noch keine feste Freundin.“ „Ja, sie hat eine feste Stelle, aber ich hatte gedacht, sie würde studieren …“ Hier sollten Eltern mal ganz schnell ein bisschen stolzer werden.

Aber wenn wir Erfolge in Schule, Ausbildung, Beruf oder Studium so stark hervorheben, kann das problematisch sein. Zum einen, wenn es bei den eigenen Kindern vielleicht doch mal nicht so gut läuft. Wenn der Einser-Abiturient plötzlich das Studium abbricht. Oder die erfolgreiche Uni-Absolventin keinen passenden Job findet. Schließlich muss unser Sohn, unsere Tochter auch in solchen Situationen sicher sein können, dass ihnen unsere Liebe und Wertschätzung gilt. Dass sie nicht abhängig ist von guten Noten und üppigen Gehaltsabrechnungen.

Und andererseits: Für Eltern, deren Kinder keine „Überflieger“ sind, ist es oft schwierig, wenn in ihrem Umfeld immer wieder von den Erfolgen der Kinder die Rede ist. Worüber soll ich reden, wenn mein Sohn keine Lehrstelle findet? Wenn die Tochter einen Beruf gewählt hat, der wenig Anerkennung erntet? Deshalb ist es wichtig, sensibel mit dem Stolz auf die eigenen Kinder umzugehen. Das wissen wir ja eigentlich schon seit Krabbelgruppenzeiten. Aber wir wissen auch: Jedes Alter der Kinder bringt neue Herausforderungen mit sich. Und gerade die Phase der beruflichen Orientierung und Ausbildung ist eine Steilvorlage für Eltern, in die Stolz-Falle zu tappen. Wie heißt es so schön: „Augen auf bei der Berufswahl!“ Ich würde sagen: „Eltern: Augen auf beim Reden über die Berufswahl!“

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT.