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Wir können etwas bewirken!

Die Herausforderungen unserer Welt – wie Klimawandel oder Ungerechtigkeit – können uns lähmen. Tamara von Abendroth lenkt den Blick auf das, was Menschen erreichen und verändern können. Und dabei sind auch kleine Schritte von großer Bedeutung.

Richten wir unser Augenmerk auf den Klimawandel, das Artensterben, die andauernden Kriege und das Leid vieler geflüchteter Menschen, könnte man fast vergessen, wie viele positive Wendungen die Menschheit schon erleben durfte. Ohne Frage, es gibt noch viel zu tun. Aber es wurde auch schon vieles erreicht.

Mit Blick auf die Menschheitsgeschichte waren die Menschen weltweit noch nie so gesund, noch nie war die medizinische Versorgung besser als in der heutigen Zeit. Noch nie gab es so wenige Menschen, die an Hunger gestorben sind. Und noch nie waren der Anteil an Menschen, die in absoluter Armut leben, und die Kindersterblichkeitsrate so niedrig. Noch nie war der Anteil an Analphabeten so gering. Noch nie waren Menschen weltweit so gebildet. Die Verwendung der Substanzen, welche die Ozonschicht angreifen, wurde erfolgreich reduziert. Das Ozonloch schließt sich wieder. Flüsse wie der Rhein, der Main und die Elbe konnten von schweren chemischen Verunreinigungen gesäubert werden. Drei Viertel aller Atomsprengköpfe wurden vernichtet. Die Liste der positiven Wendungen ist lang und könnte mit weiteren Fakten fortgeführt werden. Der verstorbene schwedische Wissenschaftler Hans Rosling hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diese Daten und Fakten zusammen mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter in dem Buch „Factfulness“ zu veranschaulichen.

Viele kleine Schritte

Wenn man sich dieser positiven Errungenschaften bewusst wird, steht es ganz gut um die Aufträge, die Gott uns anvertraut hat: die Schöpfung zu ordnen, sie zu bewahren und weiterzuentwickeln. Mit anderen Worten: sich für eine zukunftsfähige und gerechte Welt einzusetzen. Eine Welt, in der alle Menschen ihr Leben in Würde leben können.

Eine Welt, in der die ökologischen Grenzen respektiert werden und die Umwelt für zukünftige Generationen bewahrt wird. Eine Welt des friedlichen Zusammenlebens, der demokratischen Teilhabe und ohne Diskriminierung. Eine Welt, in der die Wirtschaft den Menschen dient, mit fairen Arbeitsbedingungen und gerechter Entlohnung. Die entsprechenden Aufgaben für solch eine Welt kosten Kraft, Einsatz und Mut. Im Lauf der Menschheitsgeschichte haben sich schon viele Menschen diesen Aufgaben gewidmet. Und widmen sich ihnen bis heute. Es sind die vielen kleinen Schritte, die etwas bewirken. Unsere Schritte. Ein Blick in das Buch von Hans Rosling macht deutlich, dass unsere Anstrengungen, die Schöpfung zu bewahren, absolut lohnenswert sind. Denn wir können etwas bewirken.

Es lässt sich festhalten, dass der Fortschritt, den die Menschheit in den letzten Jahrzehnten erreicht hat, enorm ist. Es wird deutlich, dass der Mensch das nötige Handwerkszeug von Gott geschenkt bekommen hat, um die Schöpfung zu bewahren. Wir können die Fortschritte und positiven Wendungen erhalten. Sie weiter ausbauen und weiterentwickeln.

Wir können aber die Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden, auch wieder verkommen lassen. Sie sind nicht selbstverständlich.

Chancen und Elend

Wir leben in einer globalisierten Welt, sind weltweit miteinander vernetzt. Familie und Freunde können sich gegenseitig besuchen, obwohl sie auf zwei verschiedenen Kontinenten wohnen. Ich darf die landschaftliche Fülle Indonesiens kennenlernen und dort vor Ort die Sprache lernen, weil es eine Kooperation zwischen den Universitäten in Deutschland und in Indonesien gibt. Ich darf die Schönheit und Vielfalt der Menschen in Paraguay kennenlernen, weil junge Menschen aus Deutschland und Paraguay ein Freiwilligenjahr in dem jeweils anderen Land absolvieren dürfen.

Wie so oft im Leben hat auch die Globalisierung zwei Seiten: Eine schöne Seite voller Chancen und neuen Perspektiven. Und eine Kehrseite voller Elend und Ungerechtigkeit. Fest steht, dass die Dinge, die ich im Hier und Jetzt kaufe, anziehe und esse, Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt weltweit haben. Diese Auswirkungen können die Schöpfung bewahren oder zerstören. Chancen und Elend liegen nah beieinander.

Die Chancen der Globalisierung werden deutlich, wenn ich an meine Freundschaften denke, die ich in Paraguay gewonnen habe. Oder wenn ich an die medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse denke, die weltweit eingesetzt werden können. Ich gewinne neue Perspektiven, wenn ich die atemberaubend schöne Pflanzenvielfalt in Indonesien sehe, Schildkröten und Delfine in freier Natur. Und wenn ich die Worte der dort lebenden Menschen höre, die mit wenig Besitz ein zufriedenes und erfülltes Leben führen.

Das Elend wird deutlich, wenn ich an die Tagelöhner in Indonesien denke. Ihnen wurde die Existenzgrundlage als Kleinbauern genommen, weil ausländische Investoren Anbauflächen gekauft haben, um auf diesem Land Pflanzen für den Export anzubauen. Die Ungerechtigkeit wird deutlich, wenn ich an die Menschen denke, die unter lebensgefährlichen Bedingungen Rohstoffe für unsere Handys aus den Kobaltminen im Kongo fördern. Oder die in Bangladesch für einen Bruchteil des Existenzminimums in Zwölf-Stunden-Schichten Kleidung für uns nähen.

Gleichgewicht herstellen

Es gibt ein Ungleichgewicht in dieser Welt. Das Ungleichgewicht zwischen dem Globalen Norden (den sogenannten Industriestaaten) und dem Globalen Süden (den sogenannten Entwicklungsländern) wird an ganz alltäglichen Dingen deutlich. Zum Beispiel an den Bananen im Supermarkt. Zu jeder Jahreszeit bekommen wir die süßlich gelbe Frucht. Die Banane ist so alltäglich, dass man fast vergessen könnte, dass sie eine rund 10.000 Kilometer lange Reise hinter sich hat, bevor sie in unserem Supermarktregal landet. Am Anfang der Reise stehen Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen ihr Geld verdienen müssen, um zu überleben. Sie arbeiten zumeist als Tagelöhner und verdienen zwischen acht und zwanzig Dollar pro Tag. Sie sind durch synthetische Düngemittel und Pestizide ohne Schutzkleidung einem großen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Bis heute berichten Nichtregierungsorganisationen über Arbeitsrechtsverletzungen auf den Bananenplantagen – etwa wegen Pestizidvergiftungen und der Unterdrückung von Gewerkschaften.

Das Ungleichgewicht, welches in der Welt existiert, lässt sich nicht allein durch Konsumverhalten steuern. Das Konsumverhalten eines jeden Menschen ist aber ein wichtiger Hebel gegen das Ungleichgewicht, denn der Bedarf steuert das Angebot. Wir leisten einen großen Beitrag, wenn wir überwiegend lokale und saisonale Produkte wählen. Und wenn wir fair gehandelte Produkte bevorzugen. Wenn wir die Wegwerfmentalität von Mode nicht unterstützen und auf bewussten Konsum achten.

Für ein weltweites Gleichgewicht braucht es die Kombination aus bewusstem Konsumverhalten und politisch nachhaltigen Entscheidungen auf struktureller Ebene. Beispielsweise müssen politische Entscheidungen dafür sorgen, dass Wirtschaftskonzerne, die im Ausland produzieren, in ihren Arbeitsbedingungen Menschen- und Arbeitsrechte wahren. Viele Menschen sind durch vielfältige Ideen auf dem Weg, die Schöpfung zu bewahren. Diverse Organisationen setzen sich für Themen ein, die Menschenrechte stärken und die Umwelt schützen. Diese Organisationen kann man unterstützen, meist bieten sie Newsletter und Arbeitsgruppen an.

Fürchtet euch nicht!

Eine Ursache für das Ungleichgewicht in dieser Welt ist wohl die Angst, zu wenig zu bekommen, zu wenig bedeutsam zu sein. So entstehen Rücksichtslosigkeit, Unterdrückung, Machtgier und Ausbeutung. Gott hat uns ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben, um dem etwas entgegenzusetzen: „Fürchtet euch nicht. Ich bin allezeit bei euch.“ Wir brauchen keine Angst zu haben! Eine der für mich stärksten Zusagen Gottes. Mit dieser Zusage im Gepäck dürfen wir mit einer begründeten Hoffnung den stillen Wundern auf die Sprünge helfen.

Tamara von Abendroth arbeitet in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Berlin.

 

Nur noch kurz die Welt retten

Was kann ein Einzelner bewirken, um die Welt zu verändern? Mehr, als viele denken, meint Ruth Weißenborn und fängt an, müllarm zu leben.

Ich träume davon, dass wir den leisen Gedanken zuhören, die Gott uns manchmal zuflüstert und die zu einer großen Sache werden können. Ich glaube, dass jeder von uns sie hat, diese kleinen Ideen und Träume. Denn so fängt Veränderung an. Mit einer Idee, einem, der sie umsetzt und dem nächsten, der sich anstecken lässt. Ich träume davon, dass wir anfangen zu tun. Dass wir selber wagen, anstatt auf andere zu warten. Ohne Rücksicht auf Perfektion, die uns nur aufhält. Wir können viel bewirken mit einer Idee, etwas Idealismus und einer Spur Blauäugigkeit, die uns etwas riskieren lässt. Das ist in der Theorie einfacher als in der Praxis. Können wir trotzdem heute zusammen etwas wagen? Und sei es nur, unseren Traum zu Ende zu träumen: Was möchte ich verändern, verbessern, verschönern? Was liegt mir auf dem Herzen? Was würde ich tun, wenn ich nicht scheitern könnte? Und was brauche ich, um meine leisen Gedanken in die Tat umzusetzen?

ZERO WASTE
Werner Boote hatte die Idee, einen Film über die katastrophalen Auswirkungen von Plastik zu machen. Sein Großvater war in den 60er Jahren Geschäftsführer der deutschen Interplastikwerke. Sandra Krautwaschl aus Österreich war von dem Film so bewegt, dass sie mit ihrer Familie beschloss, einen Monat lang komplett ohne Plastik zu leben und Online-Tagebuch darüber zu führen. Das war 2009, und Familie Krautwaschl lebt heute noch plastikfrei. Bea Johnson aus Kalifornien dachte, sie lebe umweltbewusst, weil sie ja ihren Müll ordentlich trennt. Bis sie durch Bücher und Dokumentationen anfing „zu verstehen, nicht nur, wie stark unser Planet gefährdet ist, sondern auch, wie sehr unsere alltäglichen, gedankenlosen Entscheidungen alles noch schlimmer machten für unsere Erde und die Welt, die wir unseren Kindern hinterlassen“. Sie lebt seitdem nicht nur plastik- sondern fast müllfrei: Ihre vierköpfige Familie produziert etwa ein Weckglas Restmüll pro Jahr. 2014 eröffneten in Deutschland die ersten Lebensmittelläden ohne Einwegverpackungen. Mittlerweile gibt es etwa 40 Unverpackt-Läden, weitere sind in Planung.

MÜLL HALBIERT
Vor zwei Jahren entdeckte ich beim Youtube-Surfen Werner Bootes Dokumentation „Plastic Planet“. Nach der Hälfte des Films wusste ich, dass ich nicht mehr ruhigen Gewissens weitermachen kann wie bisher. Ich musste etwas ändern – und zwar sofort. Ich habe mich im Netz informiert und schrittweise Plastik aus unserem Haushalt entfernt. Dann stieß ich auf Bea Johnsons Buch „Zero Waste Home“. Deutsche Literatur gab es Anfang 2015 kaum. Mittlerweile sind aber diverse Bücher und noch mehr Blogs erschienen. So fing ich an, unsere Wohnung zu entrümpeln und die Müllquellen in unserem Fünf-Personen-Haushalt durch müllfreie Alternativen zu ersetzen. Was wir aussortierten, wanderte ins soziale Kaufhaus oder in die Kleinanzeigen. Überrascht stellte ich fest: Für fast jeden Wegwerf- oder müllproduzierenden Artikel gibt es eine wiederverwendbare, aufladbare, auffüllbare oder DIY-Alternative. Zurück zur guten alten Pfandflasche und einem simplen, unverpackten Stück Seife. Manchmal ist etwas Kreativität gefragt, um zum Beispiel herauszufinden, dass man aus Joghurt und einer Prise Salz Labneh herstellen kann, der uns Frischkäse und Quark ersetzt. Innerhalb von ein paar Monaten halbierte ich unseren M üll. U nkompliziert u nd o hne großen A ufwand, weil ich eine Sache nach der anderen umstellte und nur das wählte, wo mir die Alternative leicht fiel: Auf dem Wochenmarkt kann ich mir Oliven und Schafskäsecreme direkt ins Bügelglas füllen lassen. Für Butter ist mir noch keine geeignete Alternative begegnet, deshalb kaufe ich sie weiterhin konventionell. Genau wie Zahnpasta. Die kann man zwar wunderbar selber machen, aber nach meinem Zahnpasta-Experiment wollte mein Mann mich nicht mehr küssen.

EIGENE VERPACKUNGEN
Die größte Müllersparnis brachte die Umstellung unserer Einkaufsgewohnheiten: Wir kaufen Getränke und Milchprodukte in Pfandflaschen und kaum noch Fertigprodukte. Auf dem Wochenmarkt besorge ich Käse und Wurst (Edelstahldosen), Honig (Pfandglas), Brot (Brotbeutel), Obst und Gemüse (waschbare Gemüsenetze). Alle Utensilien warten in meiner Markttasche auf den nächsten Einkauf. Auf freundliche Nachfrage wurde mir die Bitte, meine eigene Verpackung benutzen zu dürfen, bisher nur selten abgeschlagen. Ein guter Kompromiss ist, den Behälter nur auf die Theke zu stellen, sodass der Verkäufer die Ware hineinlegen kann. Laut Verbraucherzentrale NRW gibt es branchenspezifische Leitlinien, aber letztendlich entscheidet jeder Marktleiter, ob eigene Behälter benutzt werden dürfen. Die Bäckereien sind bei mir auf Platz eins in der Müllfrei-Beliebtheitsskala: Mein Brotbeutel war immer sofort willkommen. Zwischendurch kaufe ich im Supermarkt ein. Leider ist dort meistens das konventionelle Obst und Gemüse lose, während bio eingeschweißt ist. Mein Mann bevorzugt bio, ich entscheide mich eher für plastikfrei. Zum 17 Kilometer entfernten Unverpackt-Laden fahre ich nur alle paar Monate, um einen Großvorrat an trockenen Lebensmitteln zu kaufen. Oder ich teile mir mit Freunden Großgebinde in Papierverpackung, die wir online bestellen. Ich lagere alle Lebensmittel in Bügelgläsern, in denen man auch hervorragend einfrieren kann, wenn man sie maximal zu drei Vierteln füllt.

ENTSPANNUNG STATT PERFEKTION
Mit „heiter bis wolkig“ lässt sich die Begeisterung meiner Familie zusammenfassen. Die erste Reaktion meines Mannes zum Thema Zero Waste war: „Ja okay, mach das. Drei Monate lang sag ich nichts dazu.“ Daran hat er sich gehalten, sogar sechs Monate lang, und dann angefangen zu protestieren. Nach einigen Runden verbalen Armdrückens haben wir unseren Mittelweg gefunden und entschieden, dass beispielsweise Chips für uns, trotz Plastikverpackung, dazugehören. Mir fällt es leicht zu verzichten, wenn es keine unverpackte Alternative gibt. Über die plastikverpackten Käufe meiner Familie hinwegzusehen, fällt mir schwerer. Ich versuche, mich dennoch mit meinen Töchtern über ein neues Shampoo und superniedliche Polyestertierchen mit Riesenaugen zu freuen. Aber zwischendurch werde ich rückfällig und bin die nervige Ehefrau und Mama mit Müll-Spleen und erhobenem Zeigefinger. Als Familie funktioniert nur der Weg, den alle gerne gehen. Unsere Zero-Waste-Reise ist von Chipskrümeln gesäumt und riecht nach Pfirsichblüten. Entspannung statt Perfektion.

AUGEN AUF!
Plastik hält eine Ewigkeit und wird oft nur für wenige Augenblicke benutzt. Ich möchte dazu beitragen, dass wir die Augen öffnen für das, was um uns herum selbstverständlich geworden, aber der helle Wahnsinn ist. In Deutschland landen pro Stunde 320.000 To-Go-Becher im Müll, und wir verbrauchen zwei Milliarden Kaffeekapseln im Jahr. Zwei von vielen Beispielen, die wir im Handumdrehen ändern könnten. Erfreulich ist die Entwicklung beim Thema Plastiktüten: Durch die Einführung von Gebühren ist der Verbrauch von 5,6 Milliarden Tüten jährlich auf 3,6 Milliarden gesunken. Das sind ein Drittel weniger Plastiktüten als im Vorjahr. Mein Ziel ist „zero waste“, aber wir sind eine normale Familie mit unterschiedlichen Wünschen und Interessen. Ein Weckglas Restmüll im Jahr werden wir vermutlich nie erreichen. Doch wenn wir „Normalen“ uns zusammentun und jeder seinen Müll ein wenig reduziert, dann können wir zusammen viel verändern. Meine Hoffnung ist, dass einige anfangen und viele mitmachen. Der berühmte kleine Stein, der ins Wasser fällt und Kreise zieht. Jetzt kennen Sie meinen Traum. Wovon träumen Sie?

Ruth Weißenborn arbeitet in einer Freiwilligenagentur und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in einem kleinen Dorf bei Hannover.