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Wenn gut nicht gut genug ist

Die Perfektionismus-Falle schnappt immer häufiger zu. Warum ist das so? Und wie kann man sich daraus befreien?

Unser Garten macht mich nervös, weil er „wilder“ aussieht als die gepflegten Gärten unserer Nachbarn. Die Staubmäuse unter dem Sofa muss ich noch wegsaugen, bevor meine Schwiegereltern da sind. Die Muffins für das Schulfest backe ich heute Abend selbst, weil niemand mit gekauften Sachen aufkreuzt. Viel zu oft überkommt es mich: Alles muss perfekt sein. Und das stresst mich. Ich habe dann keine Zeit, eine Pause einzulegen, mich entspannt mit meinen Kindern zu beschäftigen oder andere, schönere Dinge zu tun, weil ich so hohe Ansprüche an mich selbst stelle. Vor allem möchte ich vor anderen den Eindruck vermitteln, dass bei mir alles perfekt läuft. Und ich entdecke den zwanghaften Wunsch, alles perfekt machen zu wollen bei vielen Menschen meiner Generation: Wohnung, Job, Ehe, Kinder. Alles perfekt durchgestylt.

Ist Mittelmaß besser?
Zwei Drittel der Menschen haben – in unterschiedlichen Ausprägungen – perfektionistische Tendenzen. Ungefähr die Hälfte davon lässt sich als „funktionale Perfektionisten“ bezeichnen. Der funktionale Perfektionismus ist die gesunde Variante. Ich würde mich in diese Kategorie einordnen. Mittlerweile müssen die Staubmäuse nicht mehr ausziehen, wenn sich die Mutter meines Mannes ankündigt. Nur die Muffins backe ich noch selbst. Ich will zwar richtig gut sein in dem, was ich tue, habe aber keine Angst, auch mal einen Fehler zu machen. Passiert mir ein solcher, stelle ich mich und meine Fähigkeiten nicht in Frage. Meistens merke ich rechtzeitig, wenn ich übertreibe und eine Erholungspause brauche. Perfektionismus ist nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Ich möchte nicht von einem Chirurgen operiert werden, der in seinem Beruf das Mittelmaß okay findet. Es gibt aber auch den „dysfunktionalen Perfektionismus“. Menschen, die an diesem ungesunden Perfektionismus leiden, setzen sich unerreichbare Standards für alles, was sie tun. Für dysfunktionale Perfektionisten ist es nicht vorstellbar, dass man geliebt wird, wenn man keine perfekte Leistung bringt. Wenn sie einen Fehler machen, geben sie sich selbst die Schuld. Sie zweifeln an sich und ihrer Leistungsfähigkeit. Folglich geben sie immer mehr, und am Ende sind sie ausgebrannt.

Höhere Anforderungen
Warum wird der Perfektionismus zusehends zum Problem für viele Menschen? Wir sind nicht unbedingt perfektionistischer als unsere Eltern und Großeltern, aber die Anforderungen haben sich gewandelt. „Früher hatte ein Mann perfekt im Beruf zu sein und eine Frau perfekt im Haushalt. Er draußen, sie drinnen. Heute müssen alle überall perfekt sein“, schreibt Florentine Fritzen in ihrem Buch „Plus minus 30. Oder die Suche nach dem perfekten Leben“. Wir befinden uns auf Rollensuche und im Rollenstress: fürsorgliche Mutter, gut ausgebildete Karrierefrau, gleichberechtigte und gleichzeitig aufregende Ehefrau, aufmerksame Freundin und ordentliche Haushälterin. Für die Männer ist es nicht einfacher: Versorger und Ernährer der Familie, engagierter Vater, unterstützender Ehemann. In allen Rollen haben wir den Anspruch an uns, perfekt zu sein. Es mangelt aber an Rollenvorbildern, die uns zeigen, wie wir das gemanagt bekommen. Wo klar definierte Standards fehlen und gleichzeitig viele verschiedene Erwartungen an uns gestellt werden, kommt schnell Unsicherheit und Angst auf, etwas falsch zu machen. Man will einfach alle Erwartungen erfüllen und perfekt sein. Und das kann fast nur scheitern.

Oasen des Perfektionismus
Doch was mache ich, damit mir mein Streben nach Perfektion nicht zu viel wird? Ich habe mir bewusst einige Wege aus dem Streben nach Perfektion gesucht: Ich nehme mir Auszeiten zum Durchatmen. Unser Körper und unser Geist brauchen Pausen, um Kraft zu tanken. Im Kleinen reichen da verschiedene Entspannungstechniken „für zwischendurch“: zurücklehnen, kurz die Augen schließen, vielleicht etwas Lieblingsmusik hören. Für längere Pausen kann man sich ein Hobby suchen, das entspannt. Aber Vorsicht! Das Hobby soll der Entspannung dienen und nicht zusätzlich Druck aufbauen, perfekt zu sein. Deshalb habe ich mir „Oasen des Perfektionismus“ geschaffen. Ich habe mir regelrecht antrainiert, nicht überall perfekt zu sein: Meinen Unterricht bereite ich perfekt und detailliert vor – für meine Steuererklärung suche ich jedes Jahr die Unterlagen wieder mühsam zusammen. In meinem Bücherregal herrscht Ordnung – in meinen Kleiderschrank nicht. Ich höre auf mein Bauchgefühl, vor allem da, wo Standards fehlen, zum Beispiel bei der Erziehung meiner K inder. Ich versuche, m ich n icht mehr von dem, was man hört oder liest, verunsichern zu lassen, sondern vertraue vor allem auf meinen Instinkt.

Mehr Ehrlichkeit
Außerdem versuche ich, ehrlich zu sein. Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie nicht zu Krabbelgruppen geht. Sie fühle sich dort schlecht, weil alle anderen Mütter ihren Alltag problemlos zu meistern scheinen. Aber wenn nicht in so einer Gruppe, wo sonst könnte man ehrlich sagen: „Ich gehe gerade auf dem Zahnfleisch! Mein Kind schläft schlecht und ich bin total übermüdet!“ Ich wette, wenn eine der Mamas damit anfängt, platzt es auch aus den anderen heraus. Das gilt auch, wenn die Kinder schon groß sind: „Mein Sohn hat die Ausbildung abgebrochen.“ – „Ach tatsächlich? Meiner hat das Studium geschmissen …“ Mein bester Weg aus der Perfektionismus-Falle ist allerdings mein Vertrauen auf Gott. Denn er liebt mich genau so wie ich bin, mit all meinen Fehlern. Wenn ich mir bewusst mache, dass ich vor Gott Fehler machen darf, dass es ihm egal ist, was andere von mir denken, nimmt mir das den Druck. Da darf das Unkraut im Vorgarten auch mal etwas mehr sprießen.

Tanja H. ist in der Erwachsenenbildung tätig und lebt mit ihrer Familie in Norddeutschland.

Machen Babys unglücklich?

Etwa 70 Prozent der Eltern sind im ersten Jahr nach der Geburt ihres ersten Kindes weniger glücklich als in den zwei Jahren vorher. Das hat eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung ergeben. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass Eltern sich seltener für ein zweites Kind entscheiden, wenn sie nach der Geburt des ersten unzufrieden waren.

Mikko Myrskylä, Demograf und Direktor des Instituts, betont aber: „Trotz der Unzufriedenheit nach dem ersten Kind wirken sich bis zu zwei Kinder insgesamt und langfristig eher positiv auf das Lebensglück aus.“

Auch wenn die hohe Zahl von 70 Prozent Unzufriedenen auf den ersten Blick überraschend scheint, ist das gar nicht so schwer zu erklären. Wer nach einer durchwachten Nacht nach seiner Zufriedenheit befragt wird, ist vielleicht nicht immer objektiv. Und immerhin fünf bis zehn Prozent der Mütter sind im ersten Jahr nach der Geburt von einer postpartalen Depression betroffen. Trotzdem sollte die Studie Anlass sein, darüber nachzudenken, wie Eltern nach der Geburt eines Kindes besser unterstützt und entlastet werden können. Vielleicht entscheiden sich dann wieder mehr Eltern für ein zweites oder gar drittes Kind.

Bettina Wendland

Family-Redakteurin

Wo leben die glücklichsten Kinder?

Kinder erleben große Unterschiede. In europäischen Ländern sind sie zufriedener mit ihren Freundschaften, während Kinder aus afrikanischen Ländern tendenziell glücklicher mit ihrem Schulleben sind. Das ist ein Ergebnis der Children´s Worlds Studie.

Mehr als 50.000 Kinder wurden in 15 verschiedenen Ländern zu Erfahrungen, Perspektiven und Wohlbefinden befragt. Die Mehrheit der 53.000 befragten Kinder in allen 15 Ländern bewertet ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn in der Gesamtheit als positiv. Allerdings variiert der prozentuale Anteil der Kinder mit sehr hohem Wohlbefinden: Demnach rangieren die Türkei mit 78 % sowie Rumänien und Kolumbien mit 77 % ganz vorne, während in Südkorea nur 40 % ein hohes Wohlbefinden haben.

Für die deutschen Ergebnisse hebt Studienleiterin Sabine Andresen von der Goethe-Universität Frankfurt hervor: „Kinder in Deutschland sind im hohen Maße mit ihren Freundinnen und Freunden zufrieden. Mit Blick auf die Erwachsenen ist ihnen wichtig, dass sie ernst genommen und einbezogen werden. Generell sinkt das Wohlbefinden bei den Zwölfjährigen, vor allem Mädchen sind weniger zufrieden mit ihrem Aussehen. Im Vergleich zu anderen Ländern zeigt sich außerdem, dass Kinder in Deutschland weniger über ihre Rechte und die Kinderrechtskonvention wissen.“

Auch die Wohn- und Familienformen sind international vergleichend interessant: Während mehr als die Hälfte der Kinder in Nepal (61 %) in einem Haushalt, der aus mindestens einem Elternteil und einem Großelternteil besteht, wohnen, berichten in England, Norwegen und Israel weniger als 10 % von einem Drei-Generationen-Haushalt. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass Kinder einiger europäischer Länder zwei Wohnsitze als ihr Zuhause bezeichnen. Dies trifft auf über 10 % der Kinder in Norwegen, England und Estland zu – solch ein Familienmodell ist nur selten in anderen Ländern dieser Studie aufzufinden.

Zwischen den Ländern wurden beachtliche Unterschiede gefunden, auf welche Weise Kinder ihre Zeit verbringen. Zum Beispiel bringen Kinder in Estland mehr Zeit für ihre Hausaufgaben auf als in Südkorea und England. Kinder in Polen, Norwegen und Israel widmen sich eher sportlichen Aktivitäten. Kinder in einigen Ländern, einschließlich Algerien, Nepal und Südafrika, verbringen hingegen sehr viel mehr Zeit damit, sich um ihre Geschwister oder andere Familienmitglieder zu kümmern als in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, in der Türkei und in Südkorea.


Quelle: bildungsklick.de