Was tun? Plötzlich benutzt Sohn (13) Beleidigungen seines Lieblings-YouTubers
Influencer beeinflussen Jugendliche ganz natürlich. Aber was tun, wenn sie sich auch schlechte Angewohnheiten abschauen?
„Mein Sohn (13) nutzt häufig Redewendungen, die er sich scheinbar von seinen Lieblings-YouTubern abgehört hat. Das sind zum Teil aber Formulierungen, die ich nicht okay finde, weil sie zum Beispiel abwertend sind. Wie kann ich da passend reagieren?“
Ich kann gut verstehen, dass Sie die eine oder andere kopierte Formulierung Ihres Sohnes als abwertend oder verletzend wahrnehmen. Und dass Sie sich wünschen, dass Ihr Sohn so nicht mit Ihnen oder anderen Menschen redet. Ich finde allerdings als ersten Schritt wichtig zu verstehen, dass er das vermutlich nicht macht, um jemanden bewusst abzuwerten, sondern um so zu sein wie sein Vorbild.
Kinder brauchen Vorbilder
Vorbilder sind für Teenager extrem wichtig, um eigene Positionen entwickeln zu können. Neben uns Eltern, die wir automatisch als Vorbild für unsere Kinder dienen, suchen sich Kinder spätestens mit dem Schulstart weitere Vorbilder. Das ist normal, gut und wichtig. Bei der Auswahl eines Vorbildes spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: eine wahrgenommene Ähnlichkeit, der wahrgenommene Erfolg des Vorbildes und die Überzeugung, dem Vorbild nacheifern zu können. Natürlich werden auch Sätze und Verhaltensweisen und häufig auch der Kleidungsstil und das Styling des Vorbildes kopiert.
Gleichzeitig lernen Teenager auch, sich mit ihrer eigenen Meinung gegen andere, wie auch ihre Vorbilder, abzugrenzen. Diese Fähigkeit, eine eigene Meinung zu haben, diese zu äußern und das eigene Verhalten zu reflektieren, muss sich Stück für Stück entwickeln. Dabei können Eltern ihre Kinder unterstützen, aber bitte nicht mit der Brechstange oder mit Verboten, sondern liebevoll und geduldig.
Gemeinsam Videos schauen
Eine Möglichkeit, mit Ihrem Sohn ins Gespräch zu kommen, wäre es, mit ihm gemeinsam ein Video seines Lieblings-YouTubers zu schauen. So zeigen Sie Interesse an dem, was Ihrem Sohn wichtig ist. Und Sie können herausfinden, in welchem Zusammenhang die Formulierungen im Original verwendet werden. Nach dem gemeinsamen Anschauen könnte folgende Frage ein Gespräch eröffnen: „Was fasziniert dich so an [Name vom Lieblings-YouTuber]?“ Jetzt gilt es, zuzuhören und die Meinung Ihres Kindes stehen zu lassen. Schätzen Sie wert, was Ihnen selbst imponiert hat.
Im Anschluss könnten Sie fragen: „Gibt es auch irgendwas, was du an [Name] oder an seinen Videos blöd oder komisch findest?“ Diese Frage führt dazu, dass Ihr Sohn die Videos seines Vorbildes bewusst reflektiert. Und selbst wenn er keine Antwort darauf hat oder alles gut findet, stößt es einen wichtigen Reflexionsprozess an. Anschließend können Sie selbst sagen, was Sie an dem Video irritiert hat, wie zum Beispiel die abwertenden Formulierungen.
Greifen Sie aber nicht das Vorbild Ihres Sohnes an, sondern helfen Sie Ihrem Sohn, seine eigene Meinung zu bilden und sein Verhalten zu reflektieren. Das ist sicherlich ein langsamerer Weg, als bestimmte Aussagen zu verbieten, aber gleichzeitig eine große Hilfe für Ihren Sohn, sich zu einer eigenständigen und selbstbewussten Person zu entwickeln.
Johannes Krupinski ist Referent für Teenager in einem Gemeindeverband.