6 bis 10 – Verbunden bleiben

Elternfrage: „Mein Sohn ist neun Jahre alt, und ich vermisse das Alter, in dem er noch mehr meine Nähe gesucht hat. Wie schafft man es, eine tiefe Verbundenheit zu Kindern zu halten, die einen immer weniger brauchen?“

Bindung ist von Anfang an eins der größten Grundbedürfnisse von Kindern. Das Bedürfnis verschwindet nicht, wenn sie älter werden. Es ändert sich jedoch mit der Zeit die Art, wie Eltern die Verbindung zu ihren Kindern leben und vertiefen. Ich habe drei Ideen für den Alltag gesammelt, die dabei helfen können, eine tiefe Verbundenheit zu unseren Kindern zu fördern.

1. Den Moment nutzen

Kinder, die selbstständig werden, verändern ihren Alltag: Sie gestalten die Nachmittage eigenständiger als zuvor, sind länger in der Schule und oft nicht mehr zu den gewohnten, festen Zeiten zu Hause. Umso wichtiger ist es als Eltern, die wenigen Verbindungsmomente wahrzunehmen, die uns das Leben schenkt. Die Herausforderung dabei ist, dass es sich für uns Eltern häufig nicht nach einem günstigen Moment anfühlt, weil wir gerade das Geschirr spülen, eine E-Mail schreiben oder die Zähne putzen wollten. Wir dürfen lernen, die Momente zu erkennen und zu nutzen, in denen unsere Kinder offen für Verbindung sind. Auch wenn dabei etwas anderes erstmal liegen bleibt.

2. Interesse zeigen

Wenn unsere Kinder größer werden, ändern sich oft auch ihre Interessen. Es kommt vielleicht auch ein neues Hobby hinzu, das nicht zu unseren eigenen Vorlieben gehört. Für eine gute Verbundenheit ist es wichtig, dass wir genau dafür Interesse entwickeln. Wir können lernen, nicht nur nach der Schule zu fragen, sondern nach dem, was gerade wirklich wichtig für das Kind ist – auch, wenn wir das womöglich nicht verstehen. Frag nach, wie der YouTuber heißt, den dein Kind toll findet und erkundige dich, was es an ihm so mag. Lass dir seine liebsten Videos zeigen oder die Lieblingsmusik vorspielen. Setz dich daneben, wenn es zockt und lass dir erklären, wie das funktioniert.

3. Körpernähe anbieten

Nichts fördert die Bindung so sehr wie positiver Körperkontakt. Bei Berührungen wie einer Umarmung schüttet der Körper Oxytocin aus. Dieses Hormon wird auch als Bindungshormon bezeichnet. Es intensiviert die Verbundenheit, verstärkt das Vertrauen zueinander, baut Stress ab und löst Ängste. Sind unsere Kinder klein, entstehen Kuschelzeiten meist von allein. Das ändert sich jedoch oft, wenn sie älter werden. Trotzdem ist diese Art der Nähe wichtig. Wir dürfen auch unseren großen Kindern Körperkontakt anbieten, zum Beispiel durch eine Umarmung, eine Massage oder ein nahes Beieinandersitzen auf dem Sofa.

Zum Schluss noch ein kleiner Gedanke: Genauso wichtig, wie die Verbundenheit zu deinen Kindern ist die Verbundenheit zu dir selbst, deinem Partner und Gott. Vielleicht darfst du erleben, dass dafür jetzt, wenn dein Kind größer wird, wieder mehr Zeit und Raum entsteht. Ich wünsche dir, dass du das ganz bewusst für dich nehmen und genießen kannst.

Judith Oesterle ist Mama von drei Kindern, Pädagogin, Künstlerin und Coach.