Beruflicher Neustart: Praktische Tipps für deine Bewerbung
Wer sich für einen beruflichen Neustart entschieden hat, steht vor praktischen Herausforderungen. Wie du eine Stelle findest und wie die Bewerbung funktioniert, erklärt Businesscoach Carmen Gladhofer.
Auf der Suche nach der passenden Arbeitsstelle kann man erst einmal die einschlägigen großen Online-Jobportale sichten. Hier sind aufgrund der Anzeigenkosten tendenziell eher mittelständische und größere Unternehmen zu finden. Die Portale bieten viele Filtermöglichkeiten wie Umkreissuche, Pendelzeit, Arbeitszeitmodell, Berufsfelder, (Sprach-)Fähigkeiten, gewünschte Anstellungsart, bevorzugte Bewerbungsart …
Wenn es eher um eine Stelle bei kleineren und lokalen Arbeitgebern geht: Bitte andere, die Augen und Ohren offen zu halten. Frage auch selbst bei interessanten Firmen nach. Dies gilt insbesondere, wenn das Unternehmen keine eigene Website hat. Oft vernachlässigt, aber dennoch bei der lokalen Suche hilfreich: Die Angebote bei der Bundesagentur für Arbeit. Diese sind ebenfalls online verfügbar und mit etlichen Filtermöglichkeiten ausgestattet. Auch Anzeigen in der lokalen Presse, in Fachzeitschriften oder spezifische Kongresse bieten die Möglichkeit, themen- oder branchenspezifisch von möglichen offenen Stellen zu erfahren.
Was für große und kleine Arbeitgeber gilt: Hast du ein bestimmtes Unternehmen im Auge, bei dem du dich bewerben willst, dann schau zunächst (sofern vorhanden) einmal auf der Website vorbei. Du hast dich bisher gegen einen Social-Media-Account entschieden? Überlege dir dennoch, dir zeitweise einen Account anzulegen. Das heißt nicht, dass du dort aktiv posten oder kommentieren musst. Zu den Social-Media-Portalen gehören längst nicht nur Instagram, Facebook oder TikTok. Über spezifische Portale mit einem starken Fokus auf Business-Themen wie LinkedIn und (in gewissen Teilen) XING kann man zukünftige Arbeitgeber finden oder zumindest weitere Informationen generieren.
Die richtige Stelle?
Gerade in der Lebensmitte sind viele unsicher, wie denn ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt aussehen. Überspitzt gesagt: Es sollte sich von selbst verstehen, dass man sich als Einsteiger ohne Berufserfahrung eher nicht auf eine Stelle als Geschäftsführer mit entsprechender Berufserfahrung bewerben sollte. Gleichzeitig ist mangelnde Erfahrung für eine Aufgabe auf der nächsten Hierarchiestufe nicht gleich ein No-Go.
Denn aktuell gibt es im Vergleich zu früheren Krisen einen Vorteil für Bewerberinnen und Bewerber: die schrumpfende Gesamtmenge an Arbeitnehmern. So müssen die Unternehmen im Hinblick auf erwartete Qualifikationen und Erfahrungen zwangsweise durchlässiger werden.
Mit der Analyse deiner Situation, die ich dir in Teil 1 und Teil 2 dieser Serie vorgestellt habe, sollte eine Entscheidung, ob du dich auf eine Stelle bewerben willst, deutlich einfacher für dich sein. Beim Lesen der Ausschreibung kannst du folgendes identifizieren:
- Welcher Ausbildungsgrad durch eine Ausbildung/Studium/Weiterbildung oder erste/mehrjährige Berufserfahrung ist gefordert?
- Was erwartet dich inhaltlich?
- Nach welcher Persönlichkeit wird gesucht?
- Welche Kompetenzen werden benötigt? Achte dabei besonders auf die Formulierung derjenigen Aufgaben, die mit deiner Persönlichkeit einhergehen. Zum Beispiel:
„Mit Ihrer offenen Art gewinnen Sie schnell das Vertrauen der Kunden.“
„Das Finden von pragmatischen Lösungen motiviert Sie.“
„Die sorgfältige Erstellung der täglich anfallenden Dokumentation.“
„Erste Führungserfahrung ist wünschenswert.“
Sollte die Stellenbeschreibung sehr kurz gehalten sein, wie zum Beispiel: „Sie erstellen die täglich anfallende Dokumentation“, dann überlege, welche (deiner) Kompetenzen für diese Anforderung hilfreich sind.
Die Bewerbung
Wie das Bewerben genau funktioniert, hängt vom Unternehmen ab. Inzwischen bevorzugen nur noch wenige und eher kleinere Unternehmen die Unterlagen schriftlich als Mappe oder per Mail. Der Grund: Es gibt dort keinen Personaler oder gar ein webbasiertes Bewerbermanagementsystem. Gibt es ein solches aber, sollte dir das keine Sorgen bereiten. Diese Systeme sind recht benutzerfreundlich.
Zum Teil findest du dort Quick-Bewerbungsformulare mit extrem wenigen Fragen. Manchmal sind zu Beginn noch stellenspezifische Fragen vorgeschaltet. Am Ende erhältst du aber in den allermeisten Fällen die Möglichkeit, entweder ein Anschreiben und die individuellen Dokumente wie Lebenslauf (CV) und passende Zeugnisse hochzuladen oder die Informationen in entsprechende Masken einzutragen. Bei allen technischen Möglichkeiten: Arbeite sorgfältig und mache es dem Leser möglichst leicht durch verständliche Dateinamen, Seitensortierung etc.
Du fragst dich vielleicht: Kann ich die Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um ein passendes Anschreiben für meine Bewerbung zu erstellen? KI kann hilfreich sein, die wesentlichen Aspekte einer Stelle herauszufiltern und mit dir und deiner Vita zu verknüpfen. Das Ergebnis „einfach abzusenden“ empfehle ich aber nicht. Denn der im Hintergrund arbeitende Algorithmus nimmt darauf maßgeblich Einfluss und kann wichtige Aspekte anders werten.
Die Vorteile, wenn du selbst schreibst:
- Du bereitest dich gleichzeitig auf ein potenzielles Bewerbungsgespräch vor.
- Du lieferst eine passgenaue Bewerbung, mit der du auffällst. Denn ein Personaler merkt, ob jemand sich mit einer konkret formulierten Stellenanzeige auseinandergesetzt hat.
Deshalb:
- Pick dir die aus deiner Sicht wesentlichen Aspekte einer Aufgabe heraus und begründe über deine Ausbildung/Studium/Weiterbildung, deine (ggf. auch fachfremden) Erfahrungen, deine Persönlichkeit und damit einhergehenden Kompetenzen, warum genau du mit viel Freude zum (nicht nur monetären) Erfolg des Unternehmens beitragen kannst.
- Benenne, warum du genau bei diesem Arbeitgeber arbeiten möchtest (und nicht bei der Konkurrenz). Hier hilft ein Blick auf die Website, um etwas über das Selbstverständnis, die Vision und Werte eines Unternehmens zu erfahren. Mit der in Teil 1 und 2 beschriebenen Analyse deiner Werte kannst du einen Bezug zwischen dir und dem Unternehmen herstellen. Du findest dazu nichts? Überlege, was mögliche Werte eines Arbeitgebers in dieser Branche sein könnten.
- Der Lebenslauf ist noch immer ein wichtiger Bestandteil einer Bewerbung. Er sollte die von dir im Anschreiben gemachten Angaben (auch Ehrenamt oder Hobbys) aufgreifen und sich selbstverständlich mit den Angaben aus den Zeugnissen decken. Vorherige Stationen mit Aufgaben oder Kompetenzen, die auch für den zukünftigen Job nützlich sind, können dabei ein wenig umfangreicher dargestellt werden.
Die Zeit des Abwartens
Ist die Bewerbung abgeschickt, heißt es Abwarten. Dies kann leider dauern. Wie die Auswertung von Bewerbungen abläuft, unterscheidet sich zum Teil auch innerhalb eines Unternehmens erheblich. Eine häufige Frage lautet: „Soll ich den Personaler anrufen und den Stand der Dinge erfragen?“ Die Antwort heißt: „Es kommt darauf an – auf die einstellende Person, die aktuelle Situation im Unternehmen und die konkrete Frage.“ Anders ausgedrückt: In der Regel sind die Personaler mit ihrer täglichen Arbeit gut ausgelastet. Wichtige Fragen werden aber, auch im Sinne der Arbeitgeberattraktivität, immer gern beantwortet. Was sind nun wichtige Fragen?
- Rückfragen, um herauszufinden, ob die zu erfüllenden Aufgaben oder erwarteten Anforderungen zueinander passen könnten
Organisatorische Details abklären (zum Beispiel zur Vakanz einer Stelle) - Rückfragen zum Stand der Bewerbung mehrere Wochen nach dem Ende der Bewerbungsfrist
Von Anrufen, um sich „ins Gespräch zu bringen“ oder Überzeugungsreden in eigener Sache würde ich absehen. Sie sind meist leicht zu enttarnen und hinterlassen schlimmstenfalls einen schalen Beigeschmack.
Die Zeit des Wartens ist anstrengend und nervenaufreibend – gerade, wenn du auf deine vermeintliche Traumstelle gestoßen bist. Ich rate dennoch davon ab, den Bewerbungsprozess jetzt einzustellen. Denn: Bis es zu einer Einstellung kommt, sind noch einige Hürden zu nehmen. Schlimmstenfalls ist viel Zeit verloren, wenn du abwartest, ob diese eine Bewerbung wirklich zum Erfolg führt. Also nutze die Zeit! Du kannst nur gewinnen.
Hier geht es zu Teil 2: Wie du eine gute berufliche Entscheidung triffst
Carmen Gladhofer ist Ökonomin, Trainerin und arbeitet in Dortmund als Systemischer (Online-)Coach. Sie bietet Businesscoachings mit dem Schwerpunkt „berufliche Zufriedenheit“ an.








