Besorgte Eltern
Zwei Klassenpflegschaftssitzungen innerhalb einer Woche liegen hinter mir. So schlimm, wie sie gern in Blogs und Kolumnen beschrieben werden, waren sie nicht. Im Gegenteil. Ich habe engagierte Lehrer und nette Eltern erlebt. Aber ich habe auch viele besorgte Eltern erlebt. Eltern, die sich Sorgen machen, dass ihr Kind den Anschluss verliert. Dass es vielleicht erst gar nicht in der Schule ankommt, weil es nun mit dem Bus fahren muss. Oder dass es trotz Inklusion nicht genug Förderung bekommt.
„Eltern haben keine Sorgen, sie machen sich welche“ – diesen Satz habe ich vor kurzem aufgeschnappt. Natürlich stimmt er so nicht. Denn viele Eltern haben in der Tat ernsthafte Sorgen. Aber es stimmt schon, dass wir Eltern manchmal dazu neigen, uns Sorgen zu machen, wo es gar nicht nötig wäre.
Als es in der 8. Klasse darum ging, dass im Rahmen der Berufswahlvorbereitung eine Potenzialanalyse mit den Kindern durchgeführt werden soll, spürte ich, wie manche Eltern fast erschraken: „Mein Kind wird getestet. Was, wenn es nicht gut genug ist?“ Dabei handelte es sich ja nicht um einen Einstellungstest, sondern lediglich darum festzustellen, in welchen Bereichen das Kind gute Fähigkeiten und ausbaufähiges Potenzial hat. Da kommen möglicherweise Aspekte zu Tage, die Eltern bisher nicht im Blick hatten. Vielleicht hat das Lehrerkind gute Voraussetzungen für einen handwerklichen Beruf? Oder der Künstlersohn eher das Potenzial zum Ingenieur?
Manchen Eltern machte es aber offensichtlich Angst, dass ihr Kind „getestet“ werden sollte. Fürchteten Sie in der Bewertung Ihres Kindes auch eine Bewertung ihrer eigenen „Leistung“? Machen wir Eltern unser Selbstwertgefühl vielleicht manchmal zu sehr vom „Wohlgeratensein“ unserer Kinder abhängig?
In der 5. Klasse ging es stärker darum, wie die Eltern nachvollziehen können, was die Kinder in der Schule gerade lernen. In unserer Schule gibt es keine Hausaufgaben. Und es wird großer Wert gelegt auf selbstständiges Arbeiten. Gerade für Fünftklässler eine große Herausforderung. Aber offensichtlich auch für ihre Eltern. Eine Mutter meinte, ob es nicht besser sei, dass die Kinder übers Wochenende Hausaufgaben bekämen, damit die Eltern wüssten, was sie gerade durchnehmen.
Ich fühlte mich einen Moment schlecht. Denn ich bin so froh, dass wir diese leidigen Hausaufgaben am Wochenende los sind, die uns in der Grundschulzeit so manche Nerven geraubt haben. Aber Moment mal: Kann es sein, dass man die sehr durchdachte Arbeitsstruktur der Schüler ändert und ihnen ihr freies Wochenende verdirbt, nur damit die Eltern wissen, ob sie gerade Bruchrechnen oder Statistik machen?
Ich verstehe, dass Eltern sich sorgen, dass ihr Kind mit dem selbstständigen Lernen nicht klar kommen könnte. Und es dann irgendwann in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist. Leider gibt es ja auch genug Eltern, die sich viel zu wenig dafür interessieren, was ihr Kind den ganzen Tag so macht. Aber ich würde mir an dieser Stelle mehr Vertrauen wünschen. Vertrauen in das eigene Kind, dass es seinen Weg machen wird. Vertrauen in die Lehrer, die oft mit viel Herzblut ihren Job machen. Und nicht zuletzt auch Vertrauen in Gott, dem wir unsere Kinder anvertrauen können.
Gerade heute bekam ich eine Pressemeldung von einer Firma, die verschiedene technische Geräte für Familien anbietet. Zum Beispiel eine WLAN-Monitoring Kamera fürs Baby, die gleichzeitig auch die Temperatur misst (allerdings nur die Raumtemperatur, nicht die Körpertemperatur des Babys – da ist noch Luft nach oben). Oder einen Luftbefeuchter fürs Kinderzimmer, den man mit dem Smartphone steuern kann (wieder was für die Kategorie „Dinge, die die Welt nicht braucht“). Außerdem bietet die Firma ein Gerät für Grundschulkinder an, das dem Kind vermittelt, ein Smartphone light zu sein – es kann damit übers Internet Musik hören und Videos schauen. Eigentlich handelt es sich aber um ein Überwachungsgerät: Die Eltern können nicht nur ständig kontrollieren, welche Inhalte ihr Kind nutzt, sondern auch, wo es sich gerade aufhält.
Aber wie sollen unsere Kinder zu selbstständigen und selbstbewussten Erwachsenen werden, wenn wir sie krampfhaft festhalten – und sei es auch „nur“ digital? Richtet so ein Überwachen nicht mehr Schaden an als eine verpatze Mathearbeit? Loslassen fängt nicht erst an, wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Es ist ein langer Prozess. Der ist für uns Eltern oft schwer. Aber für uns und vor allem unsere Kinder notwendig.
Bettina Wendland
Family-Redakteurin
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