Entspannt durch die Ehe
Warum will er immer etwas anderes als ich?“ – Dass sie und ihr Mann in der Freizeit ganz andere Dinge tun wollten, hat D. Friese am Anfang ihrer Ehe ins Grübeln gebracht.
Manche Beziehungskonflikte lassen sich zuweilen ganz einfach durch die Einsicht lösen, dass jeder Mensch auf seine Art entspannt. Zumindest war es bei uns so. Nicht nur die Form, auch die Dauer und die Intensität unserer Auszeiten sind unterschiedlich. Warum darüber streiten? Sieben persönliche Erkenntnisse über das Entspannen in der Ehe.
1. ENTSPANNUNG IST ABSOLUT NOTWENDIG
Das tägliche Zur-Ruhe-Kommen ist notwendig und zwar besonders in der Rushhour des Lebens zwischen 30 und 40, in der wir uns befinden. Zwei Kleinkinder, Berufe, ein Haus, Ehrenämter und viele Kontakte zu Menschen lassen unser Leben sehr bunt, aber zuweilen auch kräftezehrend erscheinen. Ohne Auszeiten fänden wir nicht zu uns selbst, zu uns als Partnern und zu Gott. Was wäre das für ein Leben, in dem es nur Arbeit gäbe! Doch wie entspannt man sich in der Ehe am besten? Wir haben lange nach einem gemeinsamen Weg gesucht. Was aber haben Talkshows schauen und Unkraut jäten miteinander zu tun? Oder jagen und Gedichte schreiben?
2. GEMEINSAM ENTSPANNEN IST NICHT ALLES
In den ersten Jahren unserer Beziehung war ich fest davon überzeugt, dass wir möglichst allen Hobbys gemeinsam nachgehen müssten, um eine glückliche Ehe zu führen. Aber das klappte nicht. Jeder wollte am wohlverdienten Feierabend etwas anderes tun. Der eine wollte im Wald sein, der andere lieber zu Hause telefonieren, der eine wollte fernsehen, der andere lieber lesen. Für mich waren die getrennten Unternehmungen stets ein Zeichen dafür, dass wir zu unterschiedlich sind und schwer zusammenpassen. Als ich meinem Seelsorger einen ausschweifenden Vortrag darüber hielt, wie unterschiedlich unsere Abendgestaltung aussah und wie falsch mir das vorkam, hörte ich einen für mich weltbewegenden Satz: „Sie haben lediglich verschiedene Methoden der Entspannung!“ „Wie bitte?“, dachte ich. Sollten wir als Paar etwa nicht gemeinsam begeistert Gitarre spielen, gemeinsam schwimmen gehen – oder eben auch abends gemeinsam mit Begeisterung fernsehen?
Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich all diese Beschäftigungen überbewertet hatte. Schließlich haben wir genügend gemeinsame Glaubens- und Lebenseinstellungen, die weit tragender sind als bestimmte Vorlieben der Entspannung. Auf ihnen basiert in Wahrheit unsere Ehe, nicht auf den Hobbys. Wir können über sehr viele verschiedene Themen von Politik über Geschichte bis hin zu Religion diskutieren. Sei es beim Abendbrot, morgens nach dem Aufstehen oder auf einer langen Autofahrt. Meist haben wir ähnliche Ansätze und auch Moralvorstellungen, da wir nicht nur dasselbe studiert haben, sondern auch in einem ähnlichen sozialen Umfeld, als Christen in der DDR, aufgewachsen sind. Dieser Austausch verbindet uns sehr stark, mehr als jede Aktivität in der Freizeit es wohl könnte.
3. ENTSPANNUNG IST BEI JEDEM ANDERS
Ein Zeitvertreib meines Mannes war mir jedoch immer ein Dorn im Auge und sorgte folglich häufig für eheliche Debatten: der Fernseher. Stundenlang davorzusitzen, empfand ich als verlorene Zeit. Seine Begeisterung dafür konnte ich nur schwer nachempfinden. In Tagträumen malte ich mir aus, was passieren würde, wenn ich das Kabel des Fernsehers durchschneiden oder ihn einfach klammheimlich im Garten verstecken würde.
Eine gute Freundin, die den Medienkonsum nach der Arbeit auch eher den aktiveren Tätigkeiten vorzieht, ermutigte mich dann aber: „Lass ihn schauen und er wird entspannter. Du schneidest dir nur ins eigene Fleisch, wenn du ihn daran hinderst.“ Außerdem erklärte sie mir den populärwissenschaftlichen Begriff der „Höhle des Mannes“, der im Wesentlichen besagt, dass jeder Mann einen Ort des Rückzugs braucht. Was früher das Gasthaus war, ist heute eben der Fernseher. Nach und nach verstand ich, dass es in der Ehe dazugehört, sich gerade in der Andersartigkeit zu ergänzen, auch in der Freizeitgestaltung. Die Frage „Dürfen wir so verschieden sein?“, konnte ich schließlich mit einem aufrichtigen „Ja“ beantworten.
4. ENTSPANNUNG FÄNGT BEI DEN EIGENEN BEDÜRFNISSEN AN
Es ist jedoch nicht nur wichtig, seinen Partner zu kennen; man muss auch wissen, was einem selbst guttut. Selbstregulation wäre da wohl ein passendes Stichwort. Früher dachte ich, mein Mann wäre ein Stück weit zuständig für mein Entspanntsein. Ich musste erst lernen, zu erkennen und auch zu artikulieren, dass ich gerade müde und gestresst bin und Erholung brauche. In der intensiven Kleinkindzeit hatte ich völlig vergessen, wie das funktioniert. Erst durch eine Krise und Krankheit entdeckte ich meine Hobbys aus Schulzeiten wieder und erfuhr dabei, was Entspannung für mich bedeutet. Das schuf neue Optionen, und ich lernte, sie für mich gewinnbringend einzusetzen, ohne dabei in erster Linie auf andere Menschen angewiesen zu sein.
Natürlich kann mein Mann mich beim Herunterkommen unterstützen, zum Beispiel indem er mir den Rücken streichelt. Dafür muss ich mir aber zunächst des eigenen Bedürfnisses nach körperlicher Nähe bewusst sein. Außerdem muss ich ihm die Chance geben, einfach Nein sagen zu dürfen. Dann läge es wieder an mir, einen anderen Weg zu finden. Hat man seine ganz persönliche Entspannungsmethode erst einmal gefunden, muss man sie nur noch konsequent anwenden, gerade auch in schwierigen Momenten. Das haben mein Mann und ich inzwischen verstanden. Wenn ein Streit droht, hilft es uns beispielsweise, keine Grundsatzfragen aufzuwerfen, sondern getrennt „in die Wüste“ zu gehen: an einen Rückzugsort, ins Gespräch mit einem lieben Menschen oder am besten natürlich ins Gebet.
5. ENTSPANNUNG MUSS NICHT SINNVOLL SEIN
Was jeder Mensch sich letztlich als „Taktik“ sucht, ist wohl zweitrangig. Am Ende gilt doch: Hauptsache, es hilft, tut niemandem weh und führt nicht in eine Form der Abhängigkeit. Ob Briefmarken sammeln, am Motorrad basteln oder Cupcakes backen: Alles Mögliche kann uns Menschen aus dem Alltag herausholen. Das wenigste davon ist weltbewegend. Wieso sollte ich also bei meinem Mann die gleichen Maßstäbe in puncto Entspannung anlegen wie bei mir? Ich lese gern psychologische Ratgeber oder rede stundenlang mit meiner Freundin über Gefühle, wohingegen mein Mann sich lieber mit seinen Hunden beschäftigt oder alte Filme anschaut. Keines ist sinnvoller als das jeweils andere, im Gegenteil: Ist nicht gerade das ziellose Herumdümpeln ohne Sinn so wichtig für den gestressten Neuzeit-Menschen, der den größten Teil des Lebens hochgesteckten Zielen in Beruf und Glauben genügen will? Hat uns Gott nicht genau dafür das Gebot der Sonntagsruhe auferlegt? Einen Tag lang etwas ohne direkten Sinn zu tun, um einfach zu entspannen?
6. REGELMÄSSIG GEMEINSAM ENTSPANNEN IST WICHTIG
Wir haben in unserer Familie schon viel über diesen wichtigen Tag, den Sonntag, diskutiert. Inzwischen können wir sagen, dass er als unser gemeinsamer „Höhepunkt“ der Entspannung recht gut ausgetüftelt ist. Er vereint Elemente, die uns allen vieren Kraft geben, sodass sich jeder ein wenig ausruhen kann: Radfahren, leckeres Essen und bei Gott ankommen gehören mit dazu. Nach einem so schön verbrachten Tag ist es leichter, in die hektische Woche zu starten. Damit auch die Zweisamkeit nicht zu kurz kommt, versuchen wir, regelmäßig den entspannenden Austausch in Gang zu halten.
Inzwischen erkennen wir, wann wir einen „Abschaltmoment“ zu zweit planen müssen – nämlich wenn wir häufiger als sonst aneinandergeraten. Obwohl wir in solchen Momenten wenig Lust auf Gemeinsamkeit haben, lohnt es sich, einen Ausflug in eine andere Stadt oder einen Abend im Restaurant zu organisieren. Das ist jeden Aufwand wert, denn schließlich ist die Ehe der Motor der Familie. Natürlich beginnen unsere Ausflüge meistens mit Reibereien, dafür enden sie fast immer umso friedlicher. Uns fällt es nach solchen Auszeiten wieder leichter, die Unterschiede zu akzeptieren, die zwischen uns bestehen. So hat mein Mann zum Beispiel gelernt, dass eine Sport treibende Ehefrau am Ende des Tages ausgeglichener ist – auch wenn das bedeutet, dass sie ihn morgens um sechs weckt, weil sie zum Joggen aufbricht. Das rechne ich ihm hoch an. Dafür stört mich das Flimmern im Nebenzimmer weniger, Hauptsache, es baut ihn auf und er kann anschließend gut schlafen.
7. ENTSPANNUNG FÜR DEN ANDEREN MITDENKEN IST DIE HOHE KUNST
Wie weit man es mit viel Zeit, Liebe und Geduld in einer Beziehung bringen kann, habe ich kürzlich bei unseren Hauskreisleitern beobachtet. In ihrer Ehe haben sie beide das Gespür dafür entwickelt, wann der andere Entspannung dringend nötig hätte. So verriet sie mir, dass er ihr an besonders stressigen Tagen hin und wieder eine „Dosis Klavierspielen“ verordnet hat. Ein solch sensibles Verständnis für das Bedürfnis des Ehepartners ist wohl Gold wert.
Entspannt durch die Ehe zu gehen, ist also am Ende des Tages eine Frage der richtigen Balance. Manchmal gilt es das Gemeinsame zu suchen, und das kann bedeuten, bei den eigenen unmittelbaren Bedürfnissen zurückzustecken. Gleichzeitig ist jeder Mensch in seinen Kräften begrenzt und braucht regelmäßig eine Akku-Ladepause. Dann darf er gern auch einmal ganz allein entscheiden, was ihm gut tut. Wie sagte der Prediger schon so schön: „Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind.“ (Prediger 4,6).
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