Glaube und Weihnachten: In der Familie über große Fragen sprechen

Während Plätzchen, Glühwein und Geschenke heute die Weihnachtszeit dominieren, liegt der Ursprung für das Fest in der biblischen Geschichte um Christ Geburt. Das Kind in der Krippe löst in Familien aber auch Diskussionen rund um den Glauben aus. So können Eltern damit umgehen.

„Also naja, so ganz kann die Geschichte ja nicht stimmen!“, ruft die kleine Nele entschlossen, „Denn Engel gibt es doch nicht in echt.“ Hanno schluckt. Gemütlich sitzt er neben seinen Kindern am Küchentisch, mit Lebkuchen und Waffeln, und war gerade dabei, die Weihnachtsgeschichte vorzulesen. Schon ist der Glaube im Gespräch.

Der Kommentar seiner sechsjährigen Tochter erwischt ihn kalt. „Mhm, meinst du …?“, bringt er verunsichert hervor, „Woher weißt du denn das?“

Gespräche auf Augenhöhe

Kinder sind keine leeren Gefäße, in die wir Erwachsenen vorgefertigte Inhalte gießen sollten. Kinder sind nicht einfach Lernende und Zuhörende, sondern sie machen sich eigene Gedanken und Vorstellungen – auch und gerade über Gott und die Welt. Diese Vorstellungen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von dem, was wir als Erwachsene glauben und annehmen. Und das ist gut so!

Wenn wir als Erwachsenen mit Kindern über Fragen des Lebens und des Glaubens sprechen, sollten wir darauf achten, das nie von oben herab zu tun. „Ich weiß, dass ich nichts weiß“, wusste schon Sokrates und selbst der Apostel Paulus rief die Gläubigen zur Bescheidenheit über die eigenen Erkenntnisse auf: „Denn unser Wissen ist Stückwerk“ (1. Korinther 13,9).

Wir sollten es also für möglich halten, dass auch unsere vermeintlichen Wahrheiten nur begrenzte Erkenntnisse sind. Und das sollten wir auch den Kindern gegenüber zugeben. Wichtig ist, Interesse zu zeigen an den Ansichten der Kinder und unsere Ideen nicht als alleingültige Wahrheiten präsentieren. Eine solche Haltung kann zum Beispiel deutlich werden in Formulierungen wie:

„Also, wir haben natürlich beide noch nie einen Engel gesehen, du und ich, oder? Und ich glaube auch persönlich nicht, dass sie so aussehen wie die kleinen Porzellanfiguren, die Oma Hilde sammelt. Und vieles können wir uns nicht so vorstellen. Aber so wie ich die Bibelgeschichten verstehe, gibt es doch so etwas wie Botschafter, die Gott immer mal wieder zu den Menschen geschickt hat.“

Oder:

„Oh wirklich, du glaubst, dass es gar keine Engel gibt? Das finde ich interessant. Was meinst du denn, wie das alles damals stattdessen gewesen sein könnte?“

Und auch ein ganz schlichtes: „Ehrlich gesagt, ich bin mir auch nicht sicher.“ ist völlig legitim. Das macht uns Erwachsene zu einem guten Vorbild darin, nicht immer alles (besser) wissen zu müssen.

Fragen stellen und notfalls korrigieren

Wir Erwachsenen dürfen offen kommunizieren, wenn wir selbst etwas nicht wissen oder zwischen verschiedenen Ansichten stehen. Für Kinder kann es sehr wertvoll sein, zu erfahren, welche unterschiedlichen Ideen es zu einem bestimmten Thema gibt, im Sinne von:

„Ich weiß es selbst nicht genau. Manche Menschen glauben fest daran, dass jeder Mensch einen Schutzengel hat oder sogar mehrere. Andere sagen, das mit den Engeln ist nur so symbolisch gemeint, um zu zeigen, dass Gott nah bei uns Menschen ist. Vielleicht gibt es auch doch Engel, aber die sind ganz anders, als wir sie uns vorstellen. Was denkst du denn? Was erscheint dir am logischsten?“

Gelegentlich kann es wichtig sein, dass Erwachsene doch korrigierend eingreifen, wenn Kinder zum Beispiel religiöse Inhalte auf eine bedrohliche und beängstigende Art verstanden haben. Das sollte aber behutsam und zurückhaltend geschehen, zum Beispiel:

„Du hast also in dem Film einen bösen, gefährlichen Engel gesehen und kannst jetzt nicht schlafen? Ich bin mir sehr sicher, dass Gott uns niemals solche bösen Engel schicken würde. In allen Geschichten der Bibel schickt Gott immer gute Engel, die den Menschen helfen. Denn Gott ist gut und genauso auch die Botschafter, die für ihn arbeiten.”

Auch mit kritischen Fragen können wir das Denken der Kinder herausfordern: „Hast du schonmal in einer Bibelgeschichte gelesen, dass Gott einen bösen Engel schickt? Kannst du dir vorstellen, dass Gott so etwas tut? Was meinst du, wer ist stärker – ein böser Engel, wenn es so einen überhaupt gibt? Oder Gott?“

Von den Kindern lernen

Ebenso dürfen aber auch wir Erwachsenen von den eigenen Vorstellungen der Kinder lernen. Oft staunen Eltern über die theologischen Ideen ihrer Kinder und fühlen sich davon ganz unerwartet inspiriert. Das dürfen wir dann auch ruhig verdeutlichen – damit fördern wir die Freude der Kinder, sich Gedanken zu machen und auszudrücken.

Grundsätzlich sollten Erwachsene versuchen, Fragen nicht immer gleich zu beantworten, sondern die Kinder mit Gegenfragen und kleinen Hinweisen selbst zum Nachdenken herauszufordern. Auch am Ende eines Gesprächs muss keine Einigung auf die eine richtige Antwort stehen.

Anders ist das mit Sachfragen zur Bibel, zum Beispiel: „Aus wie vielen Büchern besteht die Bibel?“ Aber auch hier lohnt es sich, nicht gleich zu antworten, sondern gemeinsam mit den Kindern zu recherchieren. Das fördert ihre Fähigkeit, sich Informationen zu beschaffen und diese eigenständig zu verarbeiten.

Glaube und Zweifel

Je nach eigener religiöser Prägung und Einstellung mag es Eltern leichter oder schwerer fallen, kindliche Zweifel an Glaubensinhalten zuzulassen. Die Prämisse sollte immer sein, Kindern wertvolle, stärkende Impulse mit auf den Weg zu geben, ohne sie zu einer bestimmten Weltsicht zu zwingen.

Wenn Sie selbst dem Glauben skeptisch gegenüberstehen und lieber über den Weihnachtsmann als über Jesus sprechen, wird es Ihnen vielleicht manchmal nicht behagen, wenn in der Kita christliche Weihnachtslieder gesungen werden. Doch Ihrem Kind tun Sie den größten Gefallen, wenn Sie Glaubensfragen offen und urteilsfrei gegenüberstehen. Sie müssen ihrem Kind nichts vorspielen. Sie dürfen Zweifel und Bedenken altersgerecht äußern – aber lassen Sie Ihr Kind seinen eigenen Weg finden. „Ich bin zwar nicht gläubig, aber mein Kind soll trotzdem zum Konfirmationsunterricht gehen“, sagte mir mal ein Bekannter, „Wenn er den Glauben auch ablehnt, soll er wenigstens wissen, wogegen er sich entscheidet.“ Diese Haltung empfand ich als stark und beeindruckend.

Weitergeben, was uns wichtig ist

Gönnen Sie ihrem Kind das Kennenlernen vieler verschiedener Ansichten und auch das Ausprobieren und Testen von unterschiedlichen Herangehensweisen und Einstellungen. Das ist die beste Voraussetzung für eine gelingende Identitätsentwicklung!

Und wenn Sie selbst den Glauben als wertvolle Ressource erleben, dann ist es nur verständlich, dass Sie diese Erfahrung auch Ihrem Kind wünschen. Erzählen Sie ihm von dem, was Sie am Glauben begeistert. Beten Sie gemeinsam, lesen Sie die Weihnachtsgeschichte und was Ihnen sonst am Herzen liegt. Doch auch in diesem Fall gilt – ein von den Eltern aufgezwungener Glaube hält selten den Stürmen des Lebens stand.

Und wenn Zweifel und Kritik immer im Keim erstickt werden, empfinden viele Kinder oder Jugendliche den Glauben irgendwann als enges Korsett, das sie nur noch abstreifen wollen. Deshalb lassen Sie als Erwachsene Einwände und Zweifel zu, stehen Sie zu Ihren Ansichten, aber seien Sie auch offen für andere Meinungen und seien Sie bereit, dazuzulernen – auch und gerade von Ihrem Kind.

Mit einer solchen Haltung kann die Weihnachtszeit uns im Alltag mit Kindern viele spannende, lebendige und inspirierende Gespräche bescheren.

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Autorin.