An Herausforderungen wachsen
Ingrid Jope hält sich raus und hilft damit ihren Kindern.
Das Temperament unserer Kinder macht den Familienalltag oft wuselig und wild. Seit der Mittagsschlaf abgeschafft ist, haben wir deshalb eine Mittagspause eingeführt. Jedes der Kinder spielt (relativ) ruhig in seinem Zimmer, während ich in Ruhe einen Kaffee trinken oder Schlafreste nachholen kann.
Auch an diesem Tag ist Zeit für die Mittagsruhe, aber es gibt ein Problem. Im Laufe des Vormittags ist das prächtige Bahnhofsgebäude aus Lego-Duplo-Steinen einem familieninternen „Erdbeben“ zum Opfer gefallen. Joshua (3) ist total unglücklich. Seine große Schwester verspricht ihm, ein noch schöneres Bahnhofsgebäude mit ihm zu bauen – allerdings erst nach den Hausaufgaben. Als ich Joshua in die Mittagspause schicke, ist er ziemlich wütend. Nur widerwillig schließt er seine Zimmertür. Dahinter höre ich ihn schimpfen: „Will wieder ein Bahnhof!“ Ich lege mich aufs Sofa, um dem Schlafmangel der hustenbedingt schlechten Nacht zu Leibe zu rücken. Aber ich werde wach gehalten. Eine Etage höher schimpft mein Sohn wie ein Rohrspatz. Ich frage mich, ob ich mich doch lieber vor der Mittagspause hätte erbarmen und schnell einen neuen Bahnhof bauen sollen. Da lässt das Schimpfen nach und noch im Eindösen höre ich Lego-Steine klackern. Als ich nach der Pause an die Kinderzimmertür klopfe, wird sie von einem strahlenden Kerlchen geöffnet: „Guck mal, hab ein Bahnhof baut!“ Ich bin begeistert. Der kleine Baumeister ist stolz wie Oskar. Auch die große Schwester findet anerkennende Worte. Wie gut, denke ich mir, dass ich ihm nicht vorher schnell ein neues Haus gebaut habe. So hat er es selbst geschafft und ist durch das Erfolgserlebnis gefühlte zehn Zentimeter gewachsen.
Wir Mamas müssen das manchmal noch mehr lernen als die Papas: Dass wir unseren Kindern zumuten, unglücklich zu sein, bis sie selbst einen Ausweg gefunden haben. Jede Lösung, die ein Kind selbst gefunden hat, jede Leistung, die es selbst erbracht hat, ist wertvoller als alles, was die Erwachsenen mal eben schnell oder perfektionistisch für das Kind machen. Wenn ich bewusst nicht die Kohlen für sie aus dem Feuer hole, kann das ihre Kreativität locken und ihre Fähigkeit zur Problembewältigung wachsen lassen. Wenn ich zu schnell eingreife, raube ich ihnen manches Erfolgserlebnis. Was mich dabei entspannt aufatmen lässt: Oft ist die Förderung von Kindern damit verbunden, dass ich als Mutter eine extra Leistung vollbringe. Aber in diesem Zusammenhang kann die Förderung meines Kindes gerade darin bestehen, dass ich zu meinen Grenzen stehe und nicht einspringe, wenn es vor einer Herausforderung jammert.
Schließlich, so denke ich noch, macht Gott es ganz ähnlich. Wie oft bitte ich ihn um die Erleichterung einer Situation. Er hätte die Macht, das schnell für mich zu erledigen. Aber stattdessen bleiben die Schwierigkeiten bestehen und Gott hilft mir, sie zu bewältigen. So fordert er mich heraus, an den Hindernissen, die mir begegnen, zu wachsen.
Ingrid Jope ist Theologin und Sozialpädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wetter/Ruhr.
Das mit der Mittagspause find ich eine schöne Idee. Wie ist den da das Zeitfenster? Überlege das einzuführen bin mir aber nicht sicher wie lang ich die Mittagspause meinem Sohn „zumuten“ kann :-).
Am besten klein anfangen und langsam steigern. Ausprobieren, was geht und womit das Kind sich gern allein beschäftigt: Malen, CD hören, Playmobil …. Um „zumuten“ geht es dabei gar nicht, viele Kinder genießen die Pause, um „runterzukommen“.