Männer, packt mit an! – Warum eure Frauen zu Hause mehr Eigeninitiative erwarten

Familienmanagement ist in der Regel immer noch Frauensache, zusätzlich zum Job. Von den Männern erwartet Debora im Haushalt mehr als „Dienst nach Vorschrift“.

Liebe Männer,
die Psyche der Frau ist unergründlich. Ich weiß, es gibt viele Partnerschaften auf dieser Welt, in denen die Verantwortlichkeiten gut aufgeteilt sind. Ich weiß auch, dass es Männer gibt, die ihre Aufgaben im Haushalt sehr gewissenhaft übernehmen. Ich habe selbst einen Ehemann, der zum Beispiel die Küche viel gründlicher aufräumt, als ich es je könnte. Der die Spülmaschine effizienter befüllt, der in regelmäßigen Abständen den Kühlschrank nach Abgelaufenem oder Verschimmeltem inspiziert und den Müll in den Keller bringt. Das ist schon sehr viel wert. Vielen Dank dafür!

Aber, wie hat es schon Aristoteles so schön ausgedrückt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Oder: Das gemeinsame Leben – vor allem, wenn Kinder mit ins Spiel kommen – besteht aus mehr als diesen einzelnen Aufgaben, um die wir euch bitten.

ICH MÖCHTE, DASS DU MIR HELFEN WILLST

Es gibt einen Schlüsselsatz in der mittelmäßigen Beziehungstragikomödie „Trennung mit Hindernissen“, der die Thematik dieses Artikels sehr gut auf den Punkt bringt. Und der geht so: „Ich möchte, dass du mir beim Abwaschen helfen willst.“

Ein Pärchen gibt eine Dinnerparty. Also, die Frau des Hauses hat sie geplant, die Wohnung aufgeräumt, gekocht, den Tisch gedeckt und so weiter – alles in High Heels wohlgemerkt und nach einem normalen Arbeitstag. Der Mann des Hauses hatte für den Abend genau einen Job, nämlich zwölf Zitronen zu kaufen. Mitgebracht hat er dann drei, reicht ja. Die blöden Dinger waren aber gar nicht fürs Essen gedacht, sondern als Tischdeko, um eine Vase damit zu befüllen. Was mit drei Zitronen natürlich nach nichts aussieht.

Als die Gäste gegangen sind, kündigt die Frau an, den Abwasch zu machen. Es ist eine Andeutung. Aufmerksame Zeitgenossen könnten es als Einladung verstehen, mitzumachen. Der Mann versteht es aber nicht so. Die Spielkonsole läuft, der Gegner will verkloppt werden. Schließlich muss er nach einem ebenfalls langen Tag und endlosem Zusammenreißen am Tisch mal für zwanzig Minuten ungestört Dampf ablassen. Kann er ja nichts dafür, wenn sie nicht zur Ruhe kommt, bis das schmutzige Geschirr wieder sauber ist. Als sie ihrem widerwilligen Mann erläutert, dass sie seine Hilfe beim Abwasch erwartet, entgegnet er: „Okay, dann helfe ich dir eben dabei, den verdammten Abwasch zu machen.“ Und dann fällt dieser absurde Satz von oben. „Warum sollte ich beim Abwaschen helfen wollen? Regst du dich etwa auf, weil ich keine große Lust darauf habe, dir beim Abwaschen zu helfen?“ – „Nein, ich rege mich auf, weil du keine große Lust darauf hast, mir anzubieten, den Abwasch zu machen.“ – „Das habe ich doch gerade gemacht!“ – „Ja, aber erst, nachdem ich dich darum gebeten habe.“

VIELES LÄUFT SCHON SUPER, ABER …

Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht daran erinnern, mich je für den Job gemeldet zu haben, das Große und Ganze im Blick zu haben, alle Bälle gleichzeitig in der Luft zu behalten, mich um die Befindlichkeiten aller Familienmitglieder zu kümmern und dabei unendliche Listen zu führen und abzuarbeiten. In einem alten Vorwerk-Werbeclip fasst die auf ihren Beruf angesprochene Hausfrau es so zusammen: „Ich arbeite in der Kommunikationsbranche … Und im Organisationsmanagement. Außerdem gehören Nachwuchsförderung und Mitarbeitermotivation zu meinen Aufgaben. Oder kurz: Ich führe ein sehr erfolgreiches kleines Familienunternehmen.“ Ja, so könnte man es nennen – nur dass heute bei den meisten Frauen zu alledem noch ein ganz normaler Job obendrauf kommt. Und selbst wenn argumentiert wird, dass ja die meisten Frauen in Teilzeit arbeiten, kann diese Organisationsund Denkleistung daheim es mit dem normalen Stress eines Vollzeitjobs locker aufnehmen.

DIE VERANTWORTUNG HÄNGT MEIST AN DEN FRAUEN

Barbara Vorsamer, Journalistin bei der Süddeutschen Zeitung, hat diesen Umstand so zusammengefasst: „In den meisten Familien, selbst bei denen, die sich die Arbeit einigermaßen gerecht aufteilen, bleibt die Verantwortung an der Mutter hängen. Sie schreibt die Einkaufszettel und To-do-Listen und sie erinnert ihren Mann auch – unter Umständen mehrfach – an die noch zu erledigenden Aufgaben. Mental Load nennt man diese Denkarbeit, und sie ist anstrengend, ermüdend und unsichtbar.“

Wie gesagt, ich selbst führe einen am deutschen Durchschnitt gemessen schlampigen Haushalt, definiere mich nicht über das Muttersein, bin nicht bei Pinterest und insgesamt ein eher unstrukturiert denkender Mensch. Trotzdem möchte ich euch kurz in die Welt dessen hineinnehmen, was wir tagtäglich auf unserer Mental Load-Liste haben, ob wir wollen oder nicht. Und was uns am Ende des Tages so müde und unausstehlich macht, sodass wir eigentlich nur noch in Ruhe gelassen werden möchten: Kinderarzttermine ausmachen (erst mal telefonisch durchkommen), Geschenke für den nächsten Kindergeburtstag besorgen (also nicht für das eigene Kind, aber das dann auch irgendwann), optisch ansprechende Kuchen backen in rauen Mengen für diverse Kindergarten- und Schulveranstaltungen, zum geeigneten Zeitpunkt ein leeres Glas, einen Stein oder eine Socke zum Basteln mitbringen, rechtzeitig den Betrag fürs Schul-T-Shirt überweisen, die Kindergarderobe wettergerecht auf den neuesten Stand bringen und aussortieren, Kinderkleiderbasartermine in der Umgebung sondieren, Hausaufgaben kontrollieren, unendlich viele Zettel aus Schulpostmappen zur Kenntnis nehmen, Freizeitaktivitäten koordinieren, Büchereibücher fristgerecht verlängern …

Es könnte ewig so weitergehen. Allein die Liste für einen Kindergeburtstag hat bei meiner Siebenjährigen bereits mindestens 20 Unterpunkte: Motto überlegen, zum Motto passende Piñata und Einladungskarten basteln, Begrüßungsdrink mit Zuckerrand kreieren, mit Serviettentechnik Schmuckkästen verzieren, Mitgebseltüte befüllen und so weiter. Wer das alles organisiert? Tja. Immerhin seid ihr dann aber dabei, einen Teil der Aktivitäten mitzubetreuen.

UNSERE TO-DO-LISTEN ENDEN NIE

Das ist so, wie permanent 14 verschiedene Browser-Registerkarten offen zu haben. Ihr merkt, sie ist nicht gerade sexy, unsere Listenwelt. Sie lässt uns tagsüber und nachts keine Ruhe, sie trägt maßgeblich zu unseren Sorgen- und Zornesfalten bei, sie macht uns unentspannt und nörgelig, obwohl wir nie so sein wollten. Kein Wunder, dass uns die Kraft fehlt, euch abends nur in Klarsichtfolie eingehüllt an der Haustür in Empfang zu nehmen. Oder in der Kleinkindphase einem Hobby nachzugehen beziehungsweise uns beruflich so weiterzuentwickeln, wie wir das gern würden, und die gläserne Decke zu durchbrechen.

Nun gibt es glücklicherweise heutzutage Apps, die einem die Organisation dank punktgenauer Erinnerungsfunktion mit Wecker und regelmäßiger Erinnerungs-Popups sehr erleichtern. Gott sei gelobt für das Smartphone. Noch schöner wäre es allerdings, wenn wir das Gefühl hätten, nicht alles selbst organisieren zu müssen.

SIND WIR FRAUEN SELBST SCHULD?

Ich gebe zu, manche unserer Probleme mit euch sind hausgemacht. Wir könnten unsere Ansprüche herunterschrauben. Wir könnten Papa machen lassen, wie es Papa macht und die Kinder eben nicht noch mal umziehen, wenn ihr sie morgens im Bodo-Illgner-Gedächtnislook angezogen habt. Manchmal sind wir so mutig, euch allein mit dem Nachwuchs loszuschicken – dann allerdings mit vielen guten Ratschlägen und vorgepackten Wickeltaschen, weil ihr beim letzten Mal keine Windeln oder Wechselwäsche dabeihattet oder vergessen habt, gesunde Snacks einzupacken. Und weil wir schon diverse Male erlebt haben, dass ihr die euch aufgetragenen Aufgaben vor euch herschiebt („Das hätte ich schon noch gemacht“) oder sie (vielleicht mit System?) nicht zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und drei statt zwölf Zitronen besorgt oder hässliche Kinderstiefel gekauft habt, übernehmen wir die Aufgaben dann schlussendlich doch oft zähneknirschend selbst. Weil wir sie selbst oft schneller erledigt haben, bevor wir uns den Mund fusselig erklärt haben. Auch das könnten wir bleiben lassen und uns stattdessen eine Scheibe eurer männlichen Wurstigkeit abschneiden.

Ich glaube nicht, dass es uns Frauen per se schwerfällt, abzuschalten. Aber es fällt uns schwer, abzuschalten, wenn wir wissen, dass ihr eben vieles nicht auf dem Schirm habt. Und je mehr wir selbst an alles denken, umso mehr schaltet ihr ab. Anders gesagt: Je mehr wir die Rolle der Projektmanagerin oder Familienunternehmensleiterin übernehmen, desto mehr verhaltet ihr euch wie Praktikanten, die ohne Arbeitsanweisung erst mal gar nichts machen. Oder nur genau das, was euch aufgetragen wurde.

GETEILTE ARBEIT IST HALBE ARBEIT

„Um wirklich frei zu sein, müssen wir den Kopf von Frauen freibekommen“, schreibt die Soziologieprofessorin Lisa Wade in einem Artikel des TIME-Magazins. „Natürlich muss immer jemand daran denken, Toilettenpapier zu kaufen. Aber wenn diese Arbeit geteilt wird, werden Frauen ihre Zusatzbelastungen abgenommen. Und erst dann haben Frauen genauso viel geistige Leichtigkeit wie Männer.“ Es ist nicht nötig, dass ihr genauso ständig alle Details im Kopf behaltet. Aber wir würden uns freuen, wenn ihr mitdenken würdet. Wenn ihr mit uns an einem Strang zieht. Wenn ihr proaktiv und unaufgefordert eure Hilfe anbietet. Mir persönlich ist es dabei ehrlich gesagt relativ egal, ob ihr das jetzt echt richtig wollt oder nicht – Hauptsache machen.

Wenn ihr mit anpackt und uns für die vielen unsichtbaren Dinge wertschätzt, die wir so erledigen – dann kann aus uns das werden, was wir immer gern werden wollten: ein unschlagbares Team.

Debora Kuder arbeitet als freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München.

 

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  1. […] Weg von alten Glaubenssätzen heißt es auch, wenn es darum geht, sich Familienarbeit neu aufzuteilen. Hier sollte es vor allen Dingen darum gehen, die Stärken des jeweiligen Elternteils in den Mittelpunkt zu stellen. Oft werden auch heute noch Aufgaben in Partnerschaften anhand von Geschlechterklischees verteilt, ohne dass jemand genau schaut, ob das in der jeweiligen Situation sinnvoll ist oder nicht. Gerade Mütter haben noch immer das Gefühl, dass sie schief angeschaut werden, wenn nicht sie zum Plätzchenbacken in die Schule gehen, sondern ihre Männer. […]

  2. […] in einen Arbeitsmodus zu geraten, nehme ich mir Zeit zum Nachdenken: Wie hoch möchte ich das Ziel „Ordnung und Sauberkeit“ […]

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