Opfer nach Vergewaltigung: „Ich fühlte mich schuldig und dreckig“
Die Musikerin Déborah Rosenkranz wird von ihrer Jugendliebe vergewaltigt. Es vergehen Jahre, bis sie erkennt: Sie ist nicht Schuld daran.
Eine Geschichte meines Lebens habe ich bisher noch nie mit jemandem geteilt. Eine einzige Freundin und mein jüngster Bruder wussten darüber Bescheid. Als erwachsene Frau schmerzt es, wenn man darüber nachdenkt, was einem als noch junge Frau angetan wurde. Es gab da Tony, meine erste ganz große Liebe. Er war der Typ „bad guy“ und saß deswegen auch schon im Gefängnis. Ich war recht konservativ geprägt. Dazu war ich noch völlig schüchtern und voller Komplexe, denn ich steckte noch in einer Essstörung fest. Jedes Wort aus seinem Munde legte ich also auf die Goldwaage.
Alkohol und Drogen
Er selbst war auf keinem guten Weg, trank sehr viel Alkohol und nahm Drogen, was ich in meiner Naivität nicht einmal bemerkt hatte. Er baggerte neben mir auch andere Frauen an, und ich dachte auch noch: „Das verstehe ich, sie sind ja schöner als ich. Solange er bei mir bleibt, ist das okay.“ Was für eine ungesunde Denkweise! Teilweise hörte ich tagelang nichts von ihm, bis er mit dem süßesten „Es tut mir leid!“ wieder vor mir stand. Ich hatte keine Ahnung, wie drogenabhängig er wirklich war …
Beziehung scheitert
Da ich voller Komplexe war, was meinen eigenen Körper anging, war es mir ein Leichtes, ihn körperlich auf Distanz zu mir zu halten. Natürlich hatte ich die Worte meiner Oma im Hinterkopf und ich hatte meine Werte fest vor Augen. Doch so oder so wollte ich mich nicht berühren lassen, da ich mich trotz Untergewicht fett und hässlich fühlte. Ihm aber wurde das irgendwann zu blöd und die Beziehung scheiterte tatsächlich an diesem Punkt. Lange habe ich ihm nachgetrauert. Wie oft saß ich auf einer Bank vor dem Restaurant seiner Eltern, einfach nur, um ihn kurz mal aus der Ferne zu sehen.
K.-O.-Tropfen im Drink
Jahre später trafen wir uns dann wieder. Ich war gerade dabei, meine Essstörung in den Griff zu bekommen, hatte wieder zugenommen und war völlig überrascht, dass er mich dennoch zurückwollte. Was ich wieder einmal durch meine Naivität nicht rechtzeitig bemerkt hatte, war, dass er sich nur das holen wollte, was er damals nicht bekommen hatte. An einem schönen Abend lud er mich großzügig zum Essen ein, war super charmant und füllte mich bewusst ab. Ich trank damals äußerst selten mal einen Schluck Alkohol, doch an diesem Abend goss er immer wieder nach. Wahrscheinlich um sicher zu gehen, das sein Plan aufgehen würde. Erst im Nachhinein verstand ich, dass er mir K.-O. Tropfen in mein Getränk gemischt hatte, denn ich war sehr schnell völlig weg.
Blut auf dem Bettlaken
Da man damals noch nicht so über das Thema K.-O.-Tropfen Bescheid wusste, geschweige denn sprach, hatte auch ich keine Ahnung davon. So war ich völlig ausgeknockt. An diesem Abend holte er sich unter Drogeneinfluss das, was er zuvor nicht bekommen hatte. Ich weiß nur, dass ich irgendwann in seiner kleinen Wohnung auf einer einfachen Matratze, die auf dem Boden lag, wieder zu mir kam und er mit einer blutenden Nase ins Bad rannte. Damals wusste ich noch nicht einmal, dass man das vom Koksen bekommt. Und ich sah Blut auf dem Bettlaken … Die Beziehung war beendet. Er hatte bekommen, was er wollte. Ich hatte mit dem Feuer gespielt und mich schwer verbrannt. Das, was ich so sorgsam bewahrt hatte, war mir genommen worden. Und ich schämte mich so fürchterlich, dass ich nicht mehr nach Hause wollte.
Fühle mich zerbrochen und unwürdig
Ich ließ mich von meiner damaligen Freundin abholen und blieb erst einmal bei ihr. Die nächsten Tage und Nächte weinte ich nur. Ich war so unfassbar leer, hatte solche Schmerzen und war am Ende. Natürlich hatte ich auch Angst, schwanger zu sein! Kurz darauf war Ostern. Ich musste mich an Karfreitag in der Kirche blicken lassen, sonst hätten meine Eltern Fragen gestellt. Und ich wollte auch so sehr hin! Ich wollte in die Nähe Gottes, doch ich traute mich kaum noch. Ich fühlte mich so zerbrochen, so unwürdig. Ich kam mir vor wie der größte Heuchler und Sünder auf Erden … ich hatte alles zerstört!
Leben an die Wand gefahren
Ich saß in einer der letzten Reihen, als der Pastor von Jesus erzählte, der für unsere Schuld ans Kreuz gegangen ist. Doch es tat einfach nur noch mehr weh zu hören, wie viel Schmerz Jesus für mich auf sich genommen hatte. Umsonst. Denn ich hatte alles vermasselt! „Déborah, für dich gilt das nicht mehr! Du hast diesen Zugang für immer verloren! Siehst du nicht, wie dreckig du bist? Wie ekelhaft? Da kannst du noch so lange unter der Dusche stehen. Jeder kann es dir ansehen! Du hast dein Leben an die Wand gefahren!“
Lügen im Kopf
Wer Missbrauch erlebt hat, versteht sehr schnell, wovon ich rede. Irgendwas passiert in unseren Köpfen, dass wir sofort denken: „Ich bin selbst schuld daran! Wahrscheinlich habe ich es provoziert“ bis hin zu: „Sooooo schlimm war es gar nicht!“. Deswegen habe ich auch nie darüber gesprochen, weil ich jahrelang dachte: „Es war doch meine Schuld!“ Nein, war es eben nicht! Punkt. So etwas darf nicht passieren, niemandem von uns! Dein Körper, deine Seele, DU bist so wertvoll! Und wenn du so etwas erlebt hast, dann wird es höchste Zeit, die Lügen in deinem Kopf zu zerstören, die dir sagen: „Du hast es nicht anders verdient!“
Die Wahrheit lautet: „Du bist unschuldig!“
Es tut mir so, so leid, wenn du Missbrauch erleben musstest, denn es ist etwas, dass dich dein Leben lang aus der Bahn werfen kann! Doch das muss es nicht! Du kannst und wirst wieder frei lächeln und vertrauen können, wenn du auch diese Situation mit der Wahrheit durchleuchtest! Und die Wahrheit lautet: „Du bist unschuldig! Du darfst wieder gesund werden!“ Selbst wenn du solch eine Situation provoziert haben solltest, selbst wenn du Fehler gemacht hast: Kein Mensch auf Erden hat ein Anrecht auf deinen Körper ohne deine Erlaubnis! Und das, was dir genommen worden ist, das möchte dir der, der dich erschaffen hat, wieder zurückgeben! Du bist nicht das, was dir passiert ist. Weil du was wert bist.
Déborah Rosenkranz ist Sängerin, Songwriterin, Autorin und Rednerin. Der Artikel stammt aus ihrem Buch „Sei es dir wert“.
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[…] dass es sehr viele Kinder gibt, die Ähnliches erlebt haben. Das Schicksal unserer Tochter ist kein Einzelschicksal, auch wenn es mir bei der Suche nach Hilfe oft so vorkam. Vielleicht wird es oft nicht entdeckt […]
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