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Medienpädagogin: Auch Dreijährige dürfen schon fernsehen – wenn diese Regeln eingehalten werden

Sollten Kinder so lange wie möglich von Fernsehen und Streams ferngehalten werden? Medienpädagogin Nadine Kloos sagt: nicht zwangsläufig.

Darf ich mein Kindergartenkind auch mal Fernsehen gucken lassen?
Na klar! Kinder lieben Geschichten. Sie sind wichtig für ihre Entwicklung: Sie vermitteln Orientierung, Wissen und machen Spaß! Gute Geschichten gibt es nicht nur in Büchern, sondern auch in Serien und Filmen. Solange Kinder kein Interesse daran zeigen: umso besser! Freies Spielen und Interaktion mit anderen haben Vorrang, denn sie sind die Grundlage für eine gesunde Entwicklung. Zeigen Kinder Interesse, dann häufig, weil es in der Familie präsent ist. Wenn Dauer und Regelmäßigkeit der Bewegtbildnutzung die anderen Tätigkeiten nicht überwiegen, können Kinder ab drei Jahren Bewegtbilder nutzen. Diese müssen natürlich alters- und kindgerecht sein!

15 bis 20 Minuten

Welche Inhalte sind denn für Kleine geeignet?
Ab drei Jahren können die Kinder einfachen Bewegtbildgeschichten folgen. Bei den Medienanfängern ist es besonders wichtig, dass es nur dosiert und in Begleitung von Bezugspersonen stattfindet. Die Geschichten müssen kurz und einfach aufgebaut sein, wenige Figuren haben, nicht mit Rückblenden und dergleichen arbeiten. Themen, die Kinder aus ihrem Alltag kennen, machen ihnen besonders Spaß. Fernsehanfänger sollten nicht länger als etwa 15 Minuten am Stück schauen, ältere Kindergartenkinder pro Tag maximal 30 Minuten, egal auf welchem Gerät. Am meisten profitieren Kinder, wenn sie sich aktiv mit dem Gesehenen auseinandersetzen können, über das Gesehene sprechen, Bilder dazu malen, Geschichten nachspielen oder basteln. Auf jeden Fall sollte das Anschauen von Filmen oder Sendungen in den Familienalltag eingebettet sein und ihn nicht dominieren!

Eigene Videos fördern Medienkompetenz

Während des Corona-Lockdowns durften viele Kinder öfter und mehr schauen. Wie können Familien wieder zu einem „normalen“ Fernsehkonsum finden?
Ich denke, die Mediennutzung wird sich mit weiteren Lockerungen von allein einpendeln und normalisieren: Wenn Kindergarten, Vereinssport und das Treffen mit anderen wieder erlaubt ist, wird auch die Lust auf menschliche Nähe, Kontakt, Austausch zunehmen und Antrieb sein. Wichtig ist gerade jetzt, regelmäßig medienfreie Zeiten einzulegen und für ausreichend Pausen und Frischluft zu sorgen. Machen Sie aus Medienzeiten gemeinsame Medienerlebnisse: Es macht Spaß, sich auf die Medienwelten von Kindern einzulassen! Man erfährt, was sie denken, erleben und was sie bewegt. Und weil immer nur von Konsum geredet wird: Medien können mehr als nur Abspielgerät sein! Kinder können zum Beispiel auch eigene Videos drehen. Das fördert die Medienkompetenz und regt gleichzeitig die Fantasie an.

Bücher haben einen Vorteil

Welche guten Alternativen gibt es für die Kleinen?
Alters- und kindangemessene Bücher und Hörangebote sind immer gut. Sie haben den Vorteil, dass jüngere Kinder sie zum Teil auch selbst steuern können: die CD anhalten, weil eine Stelle nochmal gehört werden will, das Buch zurückblättern, weil etwas übersehen wurde. Vor und zurück, so lange, bis etwas verstanden oder verarbeitet wurde. Das Tempo liegt sozusagen in der Hand der Kinder.

Nadine Kloos ist Medienpädagogin beim Elternratgeber „Flimmo“, der Angebote im TV, auf YouTube und bei Streamingdiensten einordnet und bewertet.
Interview: Ruth Korte

Digitales Spielzeug zu Weihnachten?

Die Digitalisierung endet nicht an der Kinderzimmertür. Sogenannte „Smart Toys“ mit WLAN, GPS und Bluetooth erzeugen ein ganz neues Spielerlebnis. Digitales Spielzeug bietet reizvolle Möglichkeiten, aber auch größeren Gesprächsbedarf als die Holzeisenbahn. Eltern sollten daher mögliche Datenschutzrisiken und Sicherheitslücken beachten und mit ihrem Kind darüber sprechen, empfiehlt der Elternratgeber „SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht.“

Raumschiffe per App steuern, Bilderbücher interaktiv erleben – Smart Toys erweitern die reale Spielwelt in das digitale Universum der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Durch die  Interaktion mit Puppen oder das Programmieren von Robotern nutzen Kinder schon früh digitales Spielzeug. SCHAU HIN! rät Eltern, aufmerksam zu bleiben. Ist das Spielzeug mit dem Internet verbunden, gilt es, mögliche Onlinerisiken im Blick zu behalten, wie den Zugriff auf Daten durch Dritte. Am besten richten Eltern und Kind das Spielzeug gemeinsam ein und besprechen gleich zu Beginn mögliche Risiken und Nutzungsregeln.

Datenschutz bei Spielzeug-Apps beachten
Viele Smart Toys werden mithilfe von Apps über Smartphone oder Tablet gesteuert. Daher ist es wichtig, die Apps vor dem Kauf genau zu prüfen. Durch die Installation der App wird die Datenschutzerklärung des Herstellers automatisch akzeptiert. „Eltern sind gut beraten, genau darauf zu achten, wie der Hersteller mit persönlichen Daten umgeht“, sagt Iren Schulz, Mediencoach bei SCHAU HIN!. Informationen zu den Zugriffsrechten der jeweiligen Apps für Spiele lassen sich für Android-Geräte im Google Play Store und für Apple-Geräte im App Store schon vor dem Kauf des Spielzeugs prüfen. Hilfreich sind hier auch Bewertungen anderer Nutzer. „Seriöse Hersteller stellen zudem Transparenz her und informieren schon auf den Verpackungen genau darüber, welche Daten wie genutzt werden.“

Privatsphäre des Kindes schützen
Eltern können über die Datenschutzerklärung auch in Erfahrung bringen, ob etwa Standort oder Sprachaufnahmen ausgewertet werden. Iren Schulz: „Es ist wichtig, dass Eltern sich vorab umfassend informieren und die internetfähigen Smart Toys abschalten, wenn sie nicht in Gebrauch sind.“ Dann können keine Daten gesammelt werden. Kuscheltiere und Puppen, die mit Kindern kommunizieren, können auch fehleranfällig sein und von außen manipuliert werden. Die Bundesnetzagentur hat inzwischen einige Spielzeuge verboten, wie die Puppe „My friend Cayla“ Anfang 2017. Sie wurde als versteckte, sendefähige Anlage eingestuft, da sie per Mikrofon unbemerkt Gespräche aufzeichnet und an das Smartphone überträgt. Hinweise, ob Produkte aktuell Gefahren bergen, bietet das Internetangebot „Surfen ohne Risiko“ unter www.surfen-ohne-risiko.net/spielzeug-vernetzt/.

Mobile Geräte sicher einrichten
Wenn das digitale Spielzeug durch eine App funktionsfähig ist, gilt für Eltern: auf den Jugendschutz auf dem genutzten Smartphone oder Tablet achten. Wenn Eltern Spielzeug und App gemeinsam mit dem Kind einrichten und aktivieren, können mögliche Risiken besprochen und Nutzungsregeln vereinbart werden. Manche Apps enthalten Links zu App-Stores oder anderen Internetseiten. So könnte das Kind möglicherweise Zugang zu ungeeigneten Inhalten erlangen. Über In-App-Käufe bieten manche Hersteller zudem Spielerweiterungen an – das verursacht zusätzliche Kosten. Um dies zu verhindern, sollten In-App-Käufe mit einem Passwort geschützt sein. Wenn das Smart Toy auch ohne Internetzugriff funktioniert, deaktivieren Eltern WLAN und Mobile Daten besser vorsorglich. Weitere Tipps, wie Eltern mobile Geräte kindersicher einrichten können, gibt es unter schau-hin.info/sicherheit.

Weitere Tipps zum Thema „Digitales Kinderzimmer“ bietet eine Broschüre der Initiative „Gutes Aufwachsen mit Medien“: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/gutes-aufwachsen-mit-medien/86410

Qualitätszeit statt Zeitfresser

89 Prozent aller Eltern würden gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. 86 Prozent würden gern mehr schlafen. Und 84 Prozent hätten gern mehr Zeit für partnerschaftliche Intimität. Im Auftrag des deutschen Familienministeriums hat McKinsey Eltern von minderjährigen Kindern zu Qualitätszeit und Zeitfressern befragt. Mehr Zeit hätten Eltern auch gern für Kultur und Unterhaltung, Nichtstun, Hobbys und persönliche Bildung. Warum kommt das alles zu kurz? Was sind die Zeitfresser im Alltag? Womit würden Eltern gern weniger Zeit verbringen? Hier werden am häufigsten Putzen und Aufräumen, der Weg zur Arbeit und Arztbesuche genannt.

Vor diesem Hintergrund hat McKinsey untersucht, inwieweit digitale Technologien Eltern helfen könnten, ihre Zeit mehr mit dem zu verbringen, was ihnen wichtig ist. Sie haben drei Möglichkeiten zusammengefasst:

1. Selbstorganisation

Durch einfachere und bessere Planung können Eltern Zeit und/oder Geld einsparen. Beispiele dafür sind der gemeinsame digitale Einkaufszettel, auf den jedes Familienmitglied Zugriff hat, oder der Familienkalender, mit dem sich die wöchentlich anstehenden Termine inklusive Fahrten organisieren lassen.

2. Außenkontakte

Werden möglichst viele Produkte und Dienstleistungen bei einem Anbieter gebündelt und verstärkt Onlineangebote genutzt, lassen sich ebenfalls zeitliche Freiräume schaffen. Ein Beispiel ist Video-Streaming als Ersatz für die stationäre Videothek oder Onlinebanking, das heute selbst Kontoeröffnungen ohne jeden physischen Kontakt erlaubt.

3. Strukturelle Veränderungen

Weiterreichende Möglichkeiten ergeben sich, wenn bestehende Strukturen verändert und durch neue ersetzt werden. Dazu zählen beispielsweise neue Wohnkonzepte und Smart Cities sowie neue Konzepte für Mobilität (z.B. autonomes Fahren) und Arbeit (z.B. flexible Arbeitszeiten, Home Office).

Neben dem, was heute schon möglich ist (Roboter fürs Saugen oder Rasenmähen, Tools fürs Home-Office, Lebensmittel online kaufen und liefern lassen …) entwirft die Studie einen Ausblick auf 2025: Das Leben im „Smart Home“ ermöglicht durch Vernetzung und Automatisierung eine Zeitersparnis bei typischen Hausarbeiten. Der „Smart Assistant“ organisiert Familien-, Handwerker- und Arzttermine. Beim „Smart Driving“ ermöglicht das selbstfahrende Auto mit Routenoptimierung kürzere Fahrzeiten. Und „Smart Shopping“ lenkt einen direkt zum richtigen Supermarktregal, weil der Kühlschrank schon vorher gemeldet hat, was gebraucht wird.

Dass diese Entwicklungen alle kommen werden, bezweifle ich nicht. Ob sie dazu führen, dass Familien mehr Zeit fürs Wesentliche haben, allerdings schon. In einzelnen Bereichen wird es sicher Entlastung geben, in anderen werden neue unliebsame Aufgaben dazukommen. Dann stürzt nicht nur das Laptop ab, sondern auch der Kühlschrank. Jede Vernetzung muss auch gesichert werden – das erfordert einiges an Knowhow.

Digitale Hilfsmittel sind nicht mehr als das: Hilfsmittel. Meinen Umgang mit meiner Zeit muss ich schon selbst auf die Reihe bekommen. Und was mich wundert: Bei den Zeitfressern werden gar nicht die digitalen Medien genannt. Dabei sind es oft ja sie, die uns die Zeit rauben. Wie schnell ist eine halbe Stunde vorbei, wenn ich auf Facebook unterwegs bin? Wie oft unterbricht eine Whatsapp-Nachricht das, was ich gerade tue? Deshalb finde ich es etwas lebensfremd, digitale Technologien als Allheilmittel darzustellen. Entscheidend bei allen Hilfsmitteln ist, wie der Mensch damit umgeht. Und das gilt meiner Meinung nach auch und ganz besonders für die schöne neue digitale Welt.

Bettina Wendland

Family-Redakteurin