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„Mit wem trifft sie sich?“ Wenn Eltern die Freunde ihrer Kinder nicht mehr kennen …

Ab einem gewissen Alter haben Teenager elternfreie Zonen mit eigenen Freunden. Pädagogin Sonja Brocksieper rät dabei zur Gelassenheit.

„Früher wussten wir immer, mit wem unsere Tochter (16) befreundet ist. Mittlerweile kennen wir ihre Freundinnen und Freunde nicht mehr. Ist das normal oder sollten wir uns irgendwie bemühen, sie kennenzulernen?“

Jahrelang haben Sie Ihre Tochter intensiv begleitet, waren in die Kinderfreundschaften involviert, haben diese gefördert oder eben auch bewusst nicht. So ist es erstmal seltsam und befremdlich, wenn Sie nicht mehr alle ihre Freunde so gut kennen, wie das früher der Fall war. Vermutlich schwingt auch die Sorge mit, dass Ihre Tochter Kontakte pflegt, die ihr nicht guttun könnten?

Jugendliche brauchen Freiraum

Es ist ein normaler Entwicklungsschritt, wenn Jugendliche immer mehr eigene Lebensbereiche haben. Für die Heranwachsenden sind elternfreie Zonen wichtig, in denen sie sich unter Gleichaltrigen ausprobieren und ihre Sozialkompetenzen schulen können. Sie brauchen den Freiraum, Freundschaften eigenständig gestalten zu können. Solange Sie nicht den Eindruck haben, dass Ihnen Ihre Tochter extra etwas verheimlicht, ist diese Entwicklung also unbedenklich.

Interesse zeigen

Das bedeutet aber nicht, dass Sie sich als Eltern komplett aus den Kontakten Ihrer Tochter heraushalten sollten. Auch in diesem Alter ist es angemessen, Interesse an den Freundschaften zu zeigen und über die engsten Freunde Bescheid zu wissen. Fragen Sie ruhig immer wieder mal vorsichtig nach, mit wem und wo sich Ihre Tochter trifft. Ist die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer Tochter entspannt, wird es ihr vermutlich leichtfallen, von ihren Freunden zu erzählen. Etwas schwieriger ist es, wenn der Umgang insgesamt eher spannungsreich ist, sodass Sie vermutlich weniger Infos bekommen.

Party Zuhause?

Aus diesem Grund ist es zunächst wichtig, dass Sie in eine vertrauensvolle Beziehung investieren. Je mehr Vertrauen Eltern signalisieren, desto mehr sind Jugendliche bereit, sie in ihr Leben schauen zu lassen. Auf dieser Grundlage können Sie ruhig zum Ausdruck bringen, dass Sie die Freunde auch mal kennenlernen möchten. Öffnen Sie Ihr Haus und geben Sie Ihrer Tochter die Gelegenheit, ihre Freunde mitzubringen. Wenn sie sie zum Beispiel zu ihrer Geburtstagsparty nach Hause einlädt, ist ein netter und lockerer Kontakt zu den Freunden zu Beginn der Party durchaus angemessen. Aber dann ist es auch ratsam, die Jugendlichen ihre eigene Party feiern zu lassen. Zeigen Sie Präsenz, ohne sich dabei den Freunden und Ihrer Tochter aufzudrängen oder gar anzubiedern.

Aufmerksam bleiben

Wenn Ihre Tochter ein selbstbewusster Teenager ist, können Sie mit einer gesunden Portion Gelassenheit an das Thema herangehen. Vertrauen Sie Ihrer Tochter, dass Sie sich ein gutes Umfeld aussuchen wird. Wenn es allerdings ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass sich Ihre Tochter in einem gefährlichen Umfeld aufhält oder wenn sie Veränderungen an ihr wahrnehmen, sollten Sie nicht tatenlos zusehen. Sobald Sie das Gefühl haben, dass die Freunde Ihrer Tochter schaden oder dass sie Ihnen entgleitet, sollten Sie bewusst das Gespräch mit ihr suchen und eventuell auch externe Hilfe in Anspruch nehmen.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F. 

Wertvolle Freundschaft

Ingrid Jope schätzt tiefgehende Beziehungen – auch zu Büchern.

Manchmal kostet es mich einiges an Überwindung. Wenn an einem Abend mal keine Behördenpost zur Erledigung ansteht, mir kein Abgabetermin im Nacken sitzt, kein Elternabend stattfindet und auch kein Treffen in der Gemeinde, wenn keines der Kinder Fieber hat oder Husten oder Albträume oder einfach nur Einschlafschwierigkeiten, kein wichtiges Telefonat Aufmerksamkeit fordert – dann lasse ich beim feierabendlichen Zusammensinken auf unseren Polstermöbeln gern mal die aufschiebbare Arbeit Arbeit sein. Bei Wäschebergen und Nadel-und-Faden-Reparaturen besteht schließlich keine akute Fluchtgefahr.

Dann widerstehe ich der Versuchung namens Fernbedienung und greife stattdessen zu einem der vielen Bücher auf meinem Stapel. Gute Lektüre hilft mir, aus dem Alltag auszusteigen, mal auf andere Gedanken zu kommen. Sie inspiriert mich mehr als das Allermeiste, was aus der Kiste flimmert. Zum Besten gehört für mich gelebtes Leben zwischen zwei Buchdeckeln.

Zwei davon haben mich in den vergangenen Monaten bereichert: Die Biografie von William Wilberforce und die von John Newton, beides Engländer. Newton hat einen echten Vom-Saulus-zum-Paulus-Lebenslauf: Zunächst brutaler Sklavenkapitän, später Pfarrer und passionierter Prediger der Gnade Gottes. Er war nicht nur der Verfasser des weltweit bekanntesten Chorals „Amazing Grace“, sondern auch Mentor und Wachstumshelfer für Schlüsselpersonen seiner Zeit in Kirche und Politik. William Wilberforce war kein Prediger, sondern schnöder Politiker. Mehr als zwei Jahrzehnte lang setzte er sich im britischen Unterhaus für die Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei ein. Er verwirklichte damit auf politischer Ebene, wovon Newton so leidenschaftlich predigte. Wilberforce kämpfte unermüdlich dafür, das Herzensanliegen seines Freundes in praktische Gesetze und tatsächliches Handeln zu übersetzen. Newton wiederum war ein entscheidender Mentor und unerlässliche Inspirationsquelle für seinen jüngeren Freund. Ohne ihn hätte es Wilberforce‘ Lebenswerk nicht gegeben. So unterschiedlich die Betätigungsfelder der beiden Männer waren, ihre Freundschaft zueinander stärkte ihre jeweilige Lebensberufung. Ohne den einen hätte es die Leistung des jeweils anderen nicht gegeben. An diesem Punkt hat ihr Leben viel mit mir zu tun.

Gute Freundinnen helfen mir, meine Berufung zu entdecken, zu entfalten und nachzujustieren, wenn der Alltag mir das Ruder aus der Hand gerissen hat. Bücher selbst können in gewissem Maß solche Freunde sein. Aber es braucht auch Exemplare aus Fleisch und Blut. Die Freundin, die ich anrufen kann, wenn mir das Wasser bis zum Halse steht. Die mir zuhört und gute Fragen stellt, mir Gedankenblitze schenkt, mich begleitet, für mich betet, die mir hilft, meinen Lebensmarathon nicht mittendrin aufzugeben. Freundinnen helfen einander, das ureigene Leben zu leben, das Gott sich gedacht hat, als er sie geschaffen hat. So knapp bemessen die Zeit auch ist – es lohnt sich immer, eine oder wenige solcher Freundschaften zu pflegen. Das Problem der Langeweile hatten Wilberforce und Newton garantiert nicht, aber sie wussten um den Wert von tiefgehenden Beziehungen.

JopeIngrid Jope ist Theologin und Sozialpädagogin.
Sie lebt mit ihrer Familie in Wetter/ Ruhr.