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Sie will sich nicht waschen lassen

„Meine Tochter (2) trägt keine Windel mehr und riecht oft aus der Scheide. Will ich sie waschen, macht sie aber total Theater und schreit. Ich will sie nicht zwingen, immerhin ist es ja ihr Intimbereich. Aber ich will ja auch nicht, dass es sich entzündet. Was kann ich tun?“

Für Ihr Kind ergibt sich ab dem Moment, in dem es keine Windel mehr benötigt, eine neue Lebenslage. Die Erfahrung, koordinierte Toilettengänge hinzubekommen, Bescheid zu sagen, in Toilettenroutinen hineinwachsen zu dürfen und sich zu vergleichen mit anderen Familienmitgliedern, ist zunächst recht anspruchsvoll. Selbstbestimmung und Wahrnehmung sind wichtige Aspekte in diesem Prozess. Umso schöner zu sehen, wie sehr sich Ihre Tochter selbst freut und wahrnimmt.

Seife weglassen

Geruchliche Veränderung im Alter von zwei Jahren in Verbindung mit Geschrei sollten sie vom Kinderarzt abklären lassen. Sowohl eine geruchliche Veränderung durch infektiös veränderten Urin als auch eine Scheideninfektion kann in Betracht kommen. Eine sichtbare Rötung würde diesen Verdacht bestärken können.

Die Scheide hat ph-Wert-bezogen ein saures Milieu. Dort physiologisch angesiedelte Bakterien tragen in der Regel dem Schutz vor Infektionen bei. Die Scheide schafft es normalerweise, sich selbst zu regulieren. Wichtig ist, dieses Milieu nicht durch übertriebene Reinigung zu stören. Lassen Sie Seifen weg und reinigen Sie den Intimbereich nur mit warmem Wasser.
Gut ist in jedem Fall, Ihr Kind großzügig trinken zu lassen, denn jedes Wasserlassen spült Bakterien aus den Harnwegen und dem Scheidenausgang.

Perspektive ändern

Dass Sie Ihr Kind nicht zwingen wollen, ist korrekt, denn Zwang ist eine Form von Gewalt. Nichtsdestotrotz sind Sie als Eltern für die Pflege des Kindes zuständig und verantwortlich. Welchen guten Weg also könnte es geben, einvernehmlich das Ziel zu erreichen?

Wenn Sie von „totalem Theater“ sprechen, bewerten Sie das Geschehen bereits als „unnötig“. Verändern Sie die Perspektive und die Haltung. Ihr Kind hat einen eigenen „guten Grund“ dafür. Möglicherweise benötigt es mehr Sicherheit durch Sie? Diese erlangen Sie durch den Abbau eigener Unsicherheit. Verstehen Sie zunächst: Was möchten Sie tun? Wann beginnt das Geschrei? Was kann direkt zu Beginn schon positiv verstärkt werden? Treten Sie mit Ihrem Kind in ritualisierte Interaktion, welche das Gefühl der Selbstbestimmung berücksichtigt, und verstärken Sie durch Lob jeden guten Ansatz.
Möglich wäre, in der schaumigen Badewanne beliebte Kindermusik zu hören. Beim Badewannen-Rap einen Waschlappen zu nutzen und unauffällig nebenher zu reinigen, was zu reinigen ist, wirkt auf Kinder ganz anders, als wenn der Fokus auf der Waschung des Intimbereichs liegt. Vielleicht möchten Sie mit in die Wanne? Im Zweifel hilft auch ein Personenwechsel, den Sie als Unterstützung schätzen dürfen. Selbstbestimmung und Wahrnehmung bleiben förderliche Aspekte.

Irina Kostic ist Kinderkrankenschwester, Autorin und Schulsozialarbeiterin. Sie lebt mit ihrem Ehemann und vier Kindern in Nordfriesland.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Den Schambereich schützen

„Wie gehen wir damit um, wenn unser Sohn mit seinem Penis spielt?“

Zunächst gilt es zu unterscheiden: Nicht jede Berührung der Genitalien ist mit Selbstbefriedigung gleichzusetzen. Die Geschlechtsorgane von Jungs sind dem Körper zentral und gut „begreifbar“ vorgelagert. Harn- und Geschlechtswege sind gleich. Jungs kommen nicht umhin, sich mit dem Penis zum Wasserlassen zu beschäftigen. Beim Mädchen sind Harn- und Geschlechtswege getrennt. Das Lustorgan Kitzler liegt bis auf die Spitze verborgen unter der Haut. Mädchen entdecken lustvolle Gefühle ihrer Geschlechtsorgane etwas weniger selbstverständlich als Jungs, teils beim Abtrocknen nach dem Bad oder wenn der Duschstrahl diese berührt. Berührungen von Kindern im eigenen Intimbereich können unterschiedliche Gründe haben, Selbstbefriedigung ist nur einer davon. Es hängt mit von der sexuellen Lerngeschichte der Eltern ab, wie entspannt oder besorgt sie solche Berührungen wahrnehmen und wie sie dies einordnen. Nicht nur aus diesem Grund ist es für Eltern lohnenswert, sich mit ihrer eigenen Lerngeschichte auseinandersetzen, um besser zu verstehen, wie diese in die Erziehung ihrer Kinder mit hineinwirkt.

VON ANFANG AN GUT
Selbstbefriedigung kommt bei manchen Kindern vor, bei anderen nicht. Es ist weder eine lebenswichtige Entwicklungsphase, ohne die man etwas verpassen würde, noch eine Krankheit oder per se schädigend, wie man früher Menschen glauben machen wollte. Bei manchen spielt sie vorübergehend eine Rolle, bei anderen wird sie zur Gewohnheit, manche Menschen erleben sie als suchtartig. Doch zunächst gilt: Die Geschlechtsorgane inklusive der möglichen Gefühle in diesem Bereich gehören als Grundausstattung des Menschen von Beginn seines Lebens an dazu und nicht erst ab der Pubertät. Sie sind damit Teil des schöpferischen „sehr gut“ am 6. Schöpfungstag. Die Bibel nimmt zum Thema Sexualität an vielen Punkten Stellung, zur Selbstbefriedigung jedoch schweigt sie. Der explizite Begriff kommt nicht vor.

INTIMSPHÄRE SCHÜTZEN
Eltern sollten ihre Kinder daher nicht beschämen. Ein abfälliger Umgang kann zur Selbstverurteilung und negativen Wahrnehmung von Sexualität an sich führen: „Wie schlimm bin ich, schon als unschuldiges Kind habe ich so etwas Schlechtes getan.“ Stattdessen sollten Sie Ihren Kindern helfen, ihren Schambereich zu schützen. Intimität ist etwas sehr Persönliches und gehört daher nicht in die Öffentlichkeit, sondern in die Privatsphäre des eigenen Zimmers. Es ist wichtig, dass Kinder dies im Kindergartenalter lernen, damit sie in der Schule nicht von anderen beschämt oder ausgeschlossen werden. Weiterhin ist es bedeutsam, ihre Gesamtentwicklung im Blick zu haben, etwa ob sich Selbstbefriedigung zum Tröster entwickelt. Im Rahmen der Aufklärung können Eltern Kindern deutlich machen, dass sie selbst immer mehr Verantwortung für ihre eigene sexuelle Lerngeschichte übernehmen können. Das gilt insbesondere für die Kombination von Selbstbefriedigung mit pornografischen Bildern, die Kinder heutzutage über Smartphones immer früher erreichen.

Dr. med. Ute Buth ist Frauenärztin und Fachberaterin für das Weiße Kreuz Deutschland e.V. Sie hat das Aufklärungskonzept „Sexualaufklärung – Aufgabe und Chance©“ entwickelt, das Eltern ermutigt, früh Verantwortung für die Aufklärung ihrer Kinder zu übernehmen: www.aufgabe-und-chance.de

 

Zum Weiterlesen:
Weiterführende Artikel zum Thema finden Sie in der Mediathek des Weißen Kreuzes: www.weisses-kreuz.de.
Die Ausgabe 45 aus dem Jahr 2011 befasst sich mit dem Thema Selbstbefriedigung.