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Streit im Kindergarten

„Meine Tochter (4) streitet sich ständig mit einem Mädchen in ihrem Kindergarten. Laut der Erzieherin handelt es sich dabei um Lappalien, etwa, dass beide zur gleichen Zeit dasselbe Spielzeug haben oder in dieselbe Rolle schlüpfen wollen. Nun setzt es ihr so zu, dass sie manchmal gar nicht in den Kindergarten gehen will. Wie kann ich ihr helfen?“

Zunächst finde ich es wichtig, dass die Gefühle Ihrer Tochter ernst genommen werden. Es mag sein, dass ein Streit um dasselbe Spielzeug oder die Frage danach, wer welche Rolle im gemeinsamen Spiel haben darf, für Erwachsene nach einer Lappalie klingt. Für Kinder in diesem Alter sind solche Fragen aber sehr wichtig. Miteinander spielen und interagieren ist ja die Hauptaufgabe unserer Kinder im Kindergarten. Außerdem verbringen sie dort einen großen Teil ihres Tages. Wenn es immer wieder zu Konflikten mit demselben Kind kommt, dann ist es normal, dass ihre Tochter wenig Lust hat, sich dieser Situation auszusetzen.

UNTERLEGEN ODER STÄRKER?

Sie können noch einmal das Gespräch mit den Erzieherinnen suchen und etwas mehr über die Streitereien zwischen den Mädchen in Erfahrung bringen: Interessant wäre zu wissen, wie diese ablaufen. Finden die beiden gemeinsam Kompromisse oder gibt es ein Ungleichgewicht bei der Frage, wer zurückstecken muss? Welche Rolle nehmen die Erzieherinnen in diesen Konflikten ein? Wie wird zwischen den beiden Mädchen vermittelt? Welche anderen Spieloptionen hat Ihre Tochter im Kindergarten, wenn das Zusammensein mit diesem Mädchen so schwierig für sie ist? Es kann zum Beispiel sein, dass es Ihrer Tochter schwerer fällt, ihren Standpunkt zu vertreten, weil das andere Mädchen besser in der Lage ist, zu argumentieren. Die Spanne der sprachlichen Fähigkeiten geht in diesem Alter weit auseinander. Gerade deshalb werden Konflikte oft auch noch körperlich ausgetragen, was entweder dazu führt, dass Ihre Tochter sich häufig unterlegen fühlt oder aber, dass sie die Stärkere ist und deswegen mit ihr häufiger geschimpft oder sie bestraft wird. In diesem Fall wäre gar nicht der Streit mit dem anderen Mädchen das eigentliche Problem, sondern die Reaktionen der Erwachsenen.

ZU HAUSE ÜBEN

Daneben können Sie Ihre Tochter aber auch zu Hause im Alltag unterstützen: Bei Konflikten zwischen Kindern in diesem Alter geht es ja immer auch um das Erlernen von Verhandeln und von Kompromissbereitschaft. Beides können Sie gut mit Ihrer Tochter üben. Wenn Sie beide unterschiedlicher Meinung über Dinge im Familienalltag sind, ermutigen Sie Ihre Tochter ruhig einmal, ihren Standpunkt auszudrücken und schenken Sie ihr Gehör. Gerade bei Dingen, die Ihnen nicht ganz so wichtig sind, lassen Sie sie auch einmal die Erfahrung machen, dass ihre Worte etwas bewirken können.

Ebenso können Sie Situationen, die im Kindergarten mit dem anderen Mädchen auftreten, zu Hause nachbesprechen. Und Sie können mit Ihrer Tochter zusammen überlegen, welche Kompromisse Ihnen zu den jeweiligen Themen einfallen. So bekommt sie Lösungsideen, auf die sie im Kindergarten zurückgreifen kann.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Tochter (4) zofft sich im Kindergarten – So werden Eltern wieder Herr der Lage

Das Kind hat keine Lust auf die KiTa, weil es sich dort andauernd streitet? Expertin Daniela Albert sagt: Dem sollten Eltern auf den Grund gehen.

„Meine Tochter (4) streitet sich ständig mit einem Mädchen in ihrem Kindergarten. Laut der Erzieherin handelt es sich dabei um Lappalien, etwa, dass beide zur gleichen Zeit dasselbe Spielzeug haben oder in dieselbe Rolle schlüpfen wollen. Nun setzt es ihr so zu, dass sie manchmal gar nicht in den Kindergarten gehen will. Wie kann ich ihr helfen?“

Zunächst finde ich es wichtig, dass die Gefühle Ihrer Tochter ernst genommen werden. Es mag sein, dass ein Streit um dasselbe Spielzeug oder die Frage danach, wer welche Rolle im gemeinsamen Spiel haben darf, für Erwachsene nach einer Lappalie klingt. Für Kinder in diesem Alter sind solche Fragen aber sehr wichtig. Miteinander spielen und interagieren ist ja die Hauptaufgabe unserer Kinder im Kindergarten. Außerdem verbringen sie dort einen großen Teil ihres Tages. Wenn es immer wieder zu Konflikten mit demselben Kind kommt, dann ist es normal, dass ihre Tochter wenig Lust hat, sich dieser Situation auszusetzen.

Wie laufen die Streitereien ab?

Sie können noch einmal das Gespräch mit den Erzieherinnen suchen und etwas mehr über die Streitereien zwischen den Mädchen in Erfahrung bringen: Interessant wäre zu wissen, wie diese ablaufen. Finden die beiden gemeinsam Kompromisse oder gibt es ein Ungleichgewicht bei der Frage, wer zurückstecken muss? Welche Rolle nehmen die Erzieherinnen in diesen Konflikten ein? Wie wird zwischen den beiden Mädchen vermittelt? Welche anderen Spieloptionen hat Ihre Tochter im Kindergarten, wenn das Zusammensein mit diesem Mädchen so schwierig für sie ist?

Es kann zum Beispiel sein, dass es Ihrer Tochter schwerer fällt, ihren Standpunkt zu vertreten, weil das andere Mädchen besser in der Lage ist, zu argumentieren. Die Spanne der sprachlichen Fähigkeiten geht in diesem Alter weit auseinander. Gerade deshalb werden Konflikte oft auch noch körperlich ausgetragen, was entweder dazu führt, dass Ihre Tochter sich häufig unterlegen fühlt oder aber, dass sie die Stärkere ist und deswegen mit ihr häufiger geschimpft oder sie bestraft wird. In diesem Fall wäre gar nicht der Streit mit dem anderen Mädchen das eigentliche Problem, sondern die Reaktionen der Erwachsenen.

Diskutieren üben

Daneben können Sie Ihre Tochter aber auch zu Hause im Alltag unterstützen: Bei Konflikten zwischen Kindern in diesem Alter geht es ja immer auch um das Erlernen von Verhandeln und von Kompromissbereitschaft. Beides können Sie gut mit Ihrer Tochter üben. Wenn Sie beide unterschiedlicher Meinung über Dinge im Familienalltag sind, ermutigen Sie Ihre Tochter ruhig einmal, ihren Standpunkt auszudrücken und schenken Sie ihr Gehör. Gerade bei Dingen, die Ihnen nicht ganz so wichtig sind, lassen Sie sie auch einmal die Erfahrung machen, dass ihre Worte etwas bewirken können.

Ebenso können Sie Situationen, die im Kindergarten mit dem anderen Mädchen auftreten, zu Hause nachbesprechen. Und Sie können mit Ihrer Tochter zusammen überlegen, welche Kompromisse Ihnen zu den jeweiligen Themen einfallen. So bekommt sie Lösungsideen, auf die sie im Kindergarten zurückgreifen kann.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen. 

Studie zeigt: Jungs fällt es schwerer, Mitgefühl zu zeigen

Laut einer Studie zeigen Jungs weniger Solidarität und Mitgefühl als Mädchen. Psychologin Elisabeth Raffauf erklärt im Interview, was es damit auf sich hat.

Die Bepanthen-Stiftung hat eine Studie zum Gemeinschaftssinn bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Dabei kam heraus, dass die meisten von ihnen durchaus Solidarität und Mitgefühl zeigen. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Der Einfluss der Eltern ist entscheidend. Fragen dazu an die Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf.

Ein Ergebnis der Studie war, dass 22 Prozent der Kinder und 33 Prozent der Jugendlichen einen schwachen Gemeinschaftssinn haben. Wie kommt es zu dieser Entwicklung bei den Jugendlichen?

Raffauf: In der Jugend ist es ja erst mal dran, zu fragen: Wie finde ich meinen Weg? Es ist erst mal dran, das Eigene zu finden. Diese Phase ist notwendig, um seinen Weg zu machen. Viele Eltern sagen so etwas wie: „Meine Tochter ist wieder auf ihrem Planeten Ich.“ Das ist bei vielen auch eine vorübergehende Phase.

Wie wurde denn überhaupt Gemeinschaftssinn in der Studie definiert?

Es gab vier große thematische Blöcke: Empathie, Solidarität, Abwertung und Gleichgültigkeit. Empathie wurde durch Fragen ermittelt wie: „Würdest du einem anderen Kind helfen, wenn es sich verletzt hat?“

Mädchen werden anders erzogen

Jungs haben laut der Studie weniger Gemeinschaftssinn als Mädchen. Woran liegt das?

Ich denke, das hat damit zu tun, dass Mädchen und Jungs unterschiedlich erzogen werden und sich unterschiedlich äußern. Ich glaube nicht, dass Jungs es nicht so empfinden, z. B. wenn jemand Hilfe braucht. Aber es fällt ihnen schwerer, Mitgefühl zu zeigen. Sie haben oft die Sorge darüber, wie sie dann in der Clique dastehen. Und Mädchen werden nach wie vor mehr dazu erzogen, sich um andere zu kümmern und hilfsbereit zu sein.

Bei der Studie wurde auch die wirtschaftliche Situation der Familien berücksichtigt. Fördert wirtschaftliche Sicherheit, dass man sich eher um andere kümmert? 

Ich würde das nicht so verallgemeinern. Aber natürlich, wenn ich wenig habe, muss ich erst einmal auf mich selbst gucken. Grundsätzlich hat Gemeinschaftssinn vor allem mit dem zu tun, was uns die Eltern vermitteln: ob es ein Wert ist, sich um andere zu kümmern, oder nicht. Auch mit wenig Mitteln kann man sich um andere kümmern, und das tun auch viele.

Wie bringe ich meinem Kind Mitgefühl bei?

Sie würden also sagen, dass das Verhalten der Eltern dafür entscheidend ist, ob Kinder Gemeinschaftssinn entwickeln?

Ja. Mitgefühl mit anderen lernt man durch die Erfahrung, dass andere Mitgefühl mit einem haben. Und das sind in erster Linie die Eltern. Sie leben etwas vor, und das gucken sich die Kinder ab. Das geht sogar ohne Worte. Sind die Eltern großzügig? Denken sie an andere oder immer nur an sich? Fühlen sie sich oft selbst benachteiligt? So etwas überträgt sich auf die Kinder. Aber natürlich spielen Lehrer, Lehrerinnen, Erzieherinnen und Vorbilder in den Medien auch eine Rolle.

Können Eltern auch aktiv durch ihr Verhalten fördern, dass Kinder Gemeinschaftssinn entwickeln?

Dass Kinder und Jugendliche erst einmal an sich denken müssen, finde ich ganz gesund. Aber natürlich kann man das auch fördern. Schon kleine Kinder im Kindergarten gehen hin, wenn ein anderes Kind weint, und versuchen, es zu trösten. Das sind Kinder, die selbst erfahren haben, das Trösten eine gute Sache ist. Und das kann man bestärken und sagen: Toll, dass du das machst! Eltern sollten erst mal hinsehen: Was macht das Kind schon? Solches Verhalten sollte man bestärken und natürlich in erster Linie vorleben. Und weniger Vorträge halten.

Das Interview führte Family-Redakteurin Bettina Wendland.

„Mein Kind will nicht in die Kita“ – Diese Fragen sollten Sie unbedingt stellen

„Meine Tochter (5) ist immer gern in den Kindergarten gegangen. Aber nun weigert sie sich, sich morgens fertig zu machen. Was kann ich tun?“

Erst einmal ist es erfreulich, dass Ihre Tochter bisher immer gern in den Kindergarten gegangen ist. Das spricht dafür, dass sie sich dort grundsätzlich wohlfühlt. Nun gilt es herauszufinden, ob es Veränderungen gab, die ihre plötzliche Verweigerung erklären könnten. Gab es eventuell einen Personalwechsel? Treten Konflikte zwischen Ihrer Tochter und anderen Kindern auf? Gibt es Veränderungen im Tagesablauf oder in der Gruppenzusammensetzung? Am besten sprechen Sie darüber offen mit den Erzieherinnen und mit Ihrer Tochter.

FRAGEN SIE UNAUFFÄLLIG NACH

Suchen Sie einen ruhigen Zeitpunkt, an dem Sie es sich mit Ihrer Tochter gemütlich machen und sie behutsam fragen, warum sie auf einmal nicht mehr gern in den Kindergarten gehen mag. Wenn Ihre Tochter nicht antworten möchte oder den Grund selbst nicht benennen kann, kann es helfen, Beispiele zu nennen, etwa: „Manchmal kommt es vor, dass Kinder nicht mehr gern zum Kindergarten gehen, weil jemand sie ärgert oder weil sich etwas verändert hat, zum Beispiel bei den Erzieherinnen. Kennst du so etwas?“ Sie können auch immer mal wieder unauffällig Fragen stellen wie „Mit wem hast du denn heute gespielt?“ oder „Welche Erzieherinnen waren heute da?“ oder „War alles gut oder gab es heute Streit oder war jemand gemein?“.

BEARBEITEN SIE TRENNUNGSÄNGSTE

Nicht selten entstehen phasenweise Trennungsängste, die den Abschied erschweren. Überlegen Sie, wenn sich kein anderer Grund finden lässt, gemeinsam mit Ihrer Tochter, was ihr helfen könnte – vielleicht ein Kuscheltier-Begleiter oder etwas, das sie an Mama erinnert (zum Beispiel ein Tuch oder ein Mut-Stein)? Tolle Tipps dazu gibt es auch in dem Buch „Fremdeln-Klammern-Trennungsangst“ von Elizabeth Pantley.

SPRECHEN SIE OFFEN ÜBER SEXUALITÄT UND GEWALT

Obwohl es ein schwieriges Thema ist, sollte man immer wachsam sein in Bezug auf mögliche sexuelle oder aggressive Übergriffe, die auch Grund dafür sein können, dass ein Kind plötzlich nicht mehr in den Kindergarten gehen möchte. Achten Sie sehr genau auf mögliche Verletzungen und fragen Sie vorsichtig: „Manchmal möchten Kinder auch nicht mehr zum Kindergarten, weil dort jemand etwas machen will, das sie nicht wollen. Zum Beispiel irgendwo anfassen, weh tun oder Fotos machen. Hast du das schon mal erlebt?“ Auch Kinderbücher helfen, über dieses Thema ins Gespräch zu kommen und Kinder grundsätzlich zu stärken (Mein Tipp: „Mein Körper gehört mir“ von Dagmar Geisler). Bei Unsicherheiten berät auch unverbindlich und kostenlos der Kinderschutzbund.

HOSPITIEREN SIE IN IHREM KINDERGARTEN

Sollten Sie auf diesem Weg nicht weiterkommen, wäre eine weitere Option, mal einen Tag im Kindergarten zu hospitieren. Sprechen Sie das vorher mit dem Kindergarten ab, mit der Begründung, herausfinden zu wollen, wie Sie Ihrer Tochter helfen können, sich wieder wohler zu fühlen. Erklären Sie Ihrer Tochter, dass Sie heute mal ausnahmsweise zu Besuch kommen dürfen, damit Sie nicht erwartet, dass das nun immer so läuft.

Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin, Mutter von zwei Kindern und als freie Autorin und Elternberaterin auf elternleben.de und neuewege.me unterwegs. Illustration: Sabrina Müller

Im Regen spielen!

Was macht eine Kita für Kinder zu einer guten Kita? Um das herauszufinden, hat das Berliner Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration Vier- bis Sechsjährige befragt.
Kita-Kinder wissen intuitiv sehr genau, was sie für ein gutes Aufwachsen brauchen. Die Erwachsenen in den Einrichtungen sollten sie deshalb direkt an Entscheidungen beteiligen, statt stellvertretend für sie zu sprechen. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Kita-Qualität aus Kindersicht“.

Weitere Ergebnisse: Kinder brauchen den sicheren Rahmen, der durch gemeinschaftsfördernde Rituale, verständliche Regeln und wiederkehrende Abläufe entsteht. Sie wünschen sich innerhalb dieser Strukturen aber auch „nicht-pädagogisierte“ Freiräume: Wichtig sind den Kindern zum Beispiel Geheimverstecke, in denen sie ungestört mit Gleichaltrigen spielen und ihren Interessen ohne Zeitdruck nachgehen können.

Besonders wichtig ist es für die Kinder, ihren Kita-Alltag mitbestimmen zu können: Etwas nicht essen zu müssen, beim gemeinsamen Singen nur zuhören zu dürfen oder frei zu entscheiden, wann gespielt, ausgeruht oder gegessen wird, ist für sie von besonderem Wert. Gleichzeitig schätzen die Kinder auch Regeln, die für sie verständlich sind und am besten auch mit ihnen zusammen aufgestellt werden. Dosierte Ausnahmen von solchen Richtlinien gehören aber zu ihren besonderen Highlights in der Kita – etwa dann, wenn die Kinder ausnahmsweise draußen im Sommerregen spielen dürfen.

Zudem haben die Forschenden herausgefunden, dass Kinder Situationen im Kita-Alltag besonders schätzen, in denen sie sich ausprobieren und die Auswirkungen ihrer Handlungen direkt erleben können: Kinder lieben es, ihrem Forschungsdrang nachzugehen – vor allem draußen in der Natur. Die Studie zeigt außerdem, wie groß die Bewegungsfreude von Kindern ist. Sie testen ständig ihre körperlichen Grenzen im Innen- und Außenbereich der Kita aus und genießen es, wenn es schnell, schwierig oder auch mal etwas riskant werden darf.

Besonders auffällig: Weder der materiellen Kita-Ausstattung noch den anwesenden Erwachsenen widmen die Kinder im Rahmen der Untersuchung größere Aufmerksamkeit. Dennoch spielen die frühpädagogischen Fachkräfte eine entscheidende Rolle, wenn es um die Qualitätsansprüche der Kinder geht: Aus den insgesamt zehn Qualitätsdimensionen, die die Studie identifiziert hat, ergibt sich ein äußerst komplexes Anforderungsprofil für Kita-Fachkräfte: Sie müssen einen sicheren Rahmen schaffen, der aber auch viele Freiheiten ermöglicht. Zudem sollen sie gute Anregungen geben und jedem Kind ein Gefühl von Anerkennung und Wertschätzung vermitteln. Darüber hinaus dürfen die Fachkräfte die oft unterschiedlichen Erwartungen von Kindern, Eltern, Kolleginnen und Vorgesetzen nicht aus dem Blick verlieren. Um diesen Spagat zu schaffen, brauchen sie neben einer guten Ausbildung auch genug Zeit für Reflexion und Austausch im Team sowie Anerkennung für ihre anspruchsvolle Arbeit.

Die kompletten Ergebnisse der Studie gibt es hier: www.qualitaet-vor-ort.org/quaki

Mehr Geld für Kitas

Der Deutsche Bundestag hat gestern einstimmig das „Gesetz zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung“ beschlossen. Damit können 100.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder geschaffen werden. Der Bund stellt den Ländern eine weitere gute Milliarde Euro für den Kita-Ausbau zur Verfügung. Das ist bereits das vierte Investitionsprogramm dieser Art.

Neu ist, dass die Investitionen auch Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt zugute kommen sollen. Bisher ging es ja immer um den Ausbau der U3-Betreuung, was zur Folge hatte, dass viele Eltern Schwierigkeiten haben, für ihr dreijähriges Kind einen Betreuungsplatz zu bekommen. Manche Eltern lassen daher ihr Kind schon mit zwei Jahren betreuen, damit es den Platz sicher hat, obwohl sie es eigentlich noch gern ein Jahr zu Hause betreut hätten.

Klingt also alles ganz gut? Nicht wirklich. Der Haken ist, dass mit diesem Programm nur in den Bau, Ausbau und die Ausstattung investiert werden kann. Natürlich ist es wichtig, dass Kinder Platz zur Entfaltung haben, dass sie in gut ausgestatteten Sport- oder Kreativräumen gefördert werden. Aber wäre es nicht viel wichtiger, in Menschen anstatt in Steine zu investieren? Was hilft der schönste Sportraum, wenn es nicht genug Erzieherinnen gibt, die mit den Kindern darin turnen können? Viel wichtiger als der Bau von Essensräumen und Spielgeräten ist meiner Meinung nach eine deutliche Verbesserung des Betreuungsschlüssels.

Mehrere Fraktionen im Bundestag drängen auf ein bundeseinheitliches Qualitätsgesetz für die Kindertagesbetreuung. Darin könnte man zum Beispiel einen einheitlichen Betreuungsschlüssel festlegen. Doch letztlich sind dafür die Bundesländer zuständig. Das heißt, es wird noch viel Zeit vergehen, bis so ein Gesetz auf den Weg gebracht werden könnte. Die Länder lassen sich nicht gern in ihre Zuständigkeiten reinreden. Bis dahin sind Eltern herausgefordert, selbst zu erkennen, wie gut oder schlecht die Betreuung in der Kita ihrer Wahl ist. Und dann dort auch einen Platz zu bekommen zu dem Zeitpunkt, den sie wählen.

Bettina Wendland

Redakteurin Family und FamilyNEXT

 

 

Ein halbes Kind weniger!

Jahrelang ging es beim Thema Kinderbetreuung vor allem um den Ausbau der Kita-Plätze. Egal ob in Deutschland oder der Schweiz – die Quote war entscheidend. Inzwischen ist allen Beteiligten klar, dass dabei die Qualität nicht selten auf der Strecke blieb. Deshalb wurde in den letzten Jahren viel investiert in die Ausbildung der Erzieherinnen und die Verbesserung des Personalschlüssels. Mit Erfolg: Die Bertelsmann Stiftung stellt in ihrer neusten Untersuchung zur Qualität der Kita-Betreuung in Deutschland fest: Am Stichtag 1. März 2015 war eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft für durchschnittlich 4,3 ganztags betreute Krippen- oder 9,3 Kindergartenkinder zuständig. Vor drei Jahren kamen auf eine Fachkraft noch 4,8 Krippen- beziehungsweise 9,8 Kindergartenkinder.

Das ist allerdings weit von dem entfernt, was Experten fordern. Nach den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung sollte sich eine Fachkraft um höchstens drei unter Dreijährige oder 7,5 Kindergartenkinder kümmern. Dazu kommt, dass es in den deutschen Bundesländern große Unterschiede gibt. Während in Baden-Württemberg eine Fachkraft für 7,3 Kindergartenkinder zuständig ist, werden in Mecklenburg-Vorpommern fast doppelt so viele Kindergartenkinder pro Kita-Fachkraft betreut.

Zynisch wirkt da eine Presseinfo des sächsischen Kultusministeriums, die uns Ende Juni erreichte. Stolz wird darin berichtet, dass Sachsen den Betreuungsschlüssel in Kitas verbessert habe. Von 1:13 auf 1:12,5. Ein halbes Kind weniger! Großer Applaus!

Gut, das ist ein Weg in die richtige Richtung. Hinkt aber weit hinter dem Anspruch zurück. Immer wieder berichten Eltern von unzumutbaren Bedingungen in Kitas. Im Mai hat ZEIT ONLINE Eltern und Erzieherinnen aufgefordert, Missstände in ihrer Kita zu schildern. Über 2.000 Rückmeldungen gingen ein, ein Teil davon wurde von der Redaktion nachgeprüft. Das ist keine repräsentative Umfrage. Aber es gibt einfach zu viele Fälle von unzureichender Betreuung. Und daran sind in der Regel nicht die Erzieherinnen schuld, sondern die Politiker, die immer noch zu wenig Geld in die Hand nehmen, um die Ausbildung und die Bezahlung der Erzieherinnen zu verbessern und den Personalschlüssel anzuheben. Und das um mehr als ein halbes Kind weniger wie in Sachsen.

Bettina Wendland

Family-Redakteurin

 

„Alle lieb, keine blieb.“

Erst hieß sie Maria, dann hieß sie Monica, dann Christina oder war es Karina? Sophie, Gabi, Katharina, Eva, Anne-Marie, Irina, Birgit, Ramona, Renate … Manche blieben kurz, manche länger, manche sprachen deutsch, manche nicht, manche waren jung, manche älter, manche blond, manche braunhaarig … Nein, es geht nicht um die Liebhaberinnen eines jungen Mannes. Es sind die Bezugspersonen unserer Kinder in einer Münchner KiTa. Die Namen sind selbstverständlich erfunden. Die Zahlen und die Fakten leider nicht.

Die Münchner KiTa, die die kleine Lilly (auch dieser Name ist erfunden) aufgenommen hat, eröffnete im April 2014. Mit viel Hoffnung und zwölf neuen Kindern, die zum ersten Mal die Wärme und Geborgenheit ihrer Familie verließen. Zwölf zarte Kinder, die erst zehn Minuten, dann 30 Minuten, dann zwei Stunden, dann fünf, acht oder gar neun Stunden ganz allein ohne Mama und ohne Papa den halben Tag bei zwei für sie „fremden Wesen“ blieben. Liebevoll haben diese „Wesen“ die zwölf Kinder „eingewöhnt“, aufgenommen, gewickelt, gekitzelt, ihnen Butterbrötchen geschmiert und das Schnitzel kleingeschnitten, haben mit ihnen gekuschelt, gespielt, ihnen vorgesungen, vorgelesen, ihre Hand gehalten, damit sie einschlafen, ihre Stirn gekühlt, jedes Mal wenn sie gestürzt sind. Noch dazu haben sie ihren Eltern täglich ganz Tolles über ihre süßen Krümelchen berichtet und ihnen Tipps und Anregungen gegeben. Diese leistungsstarken, verantwortungsvollen, geborgenheitsschenkenden, wunderbaren Wesen heißen auf Deutsch „Erzieherinnen“ und „Kinderpflegerinnen“. Und die Geschichte klingt märchenhaft schön.

Auch die kleine Lilly hatte zwei liebe Bezugspersonen: eine Erzieherin und eine Kinderpflegerin. Und dann zwei neue. Von ihnen blieb nur eine. Sie wurden wieder zwei. Dann blieb wieder nur eine. Dann keine. Doch wieder zwei. Elf wurden sie insgesamt. Elf unterschiedliche „Ersatzmamis“ hatte die kleine Lilly — und dies innerhalb von eineinhalb Jahren.

In dieser KiTa geht es bei den Fachkräften merkwürdigerweise zu wie im Vogelschlag. Alle paar Monate entdecken die Kinder in der KiTa neue Gesichter. Mit neuen Liedern, neuen Spielen, neuem Geruch, neuen Armen zum Kuscheln, neuen Stimmen zum Vorlesen, neuen Bastelideen, neuen Persönlichkeiten … Alle lieb, aber keine blieb. Es stimmt nicht so ganz: Einigen wurde gekündigt, andere kündigten, aber fünf blieben doch in der KiTa, wurden einfach in die neu eröffneten Gruppen versetzt. Nach dem Motto „rechte Tasche, linke Tasche, vielleicht wird das Geld dadurch mehr“. Personalmangel? Unverträglichkeiten zwischen Kollegen? Konflikte mit Eltern? Unruhige Kinder? Oder irgendwelche anderen Schwierigkeiten? Alles lässt sich mit Versetzung oder Kündigung blitzschnell lösen! Zeit und Geduld, Dialog, Beratung, Supervision: Das ist doch alles passé!

„Bin ich schuld?“, denkt sich die kleine Lilly. Kinder beziehen eben alles auf sich.

Wer ist schuld? Die Erzieherin, die einen besseren Job gefunden hat? Nein. Die KiTa-Leitung, die noch unerfahren ist? Nein. Vielleicht der Träger? Nein, denn er findet kein Personal. Die Stadt München? Nein, denn „das Problem ist auf den in Deutschland herrschenden Fachkräftemangel zurückzuführen“. Das bayerische Staatsministerium? Frau Merkel? Die Europäische Kommission? Niemand fühlt sich verantwortlich. Jeder denkt an seine eigenen Interessen. Und keiner denkt an die kleine Lilly.

Sprachförderung, mathematische Früherziehung, naturwissenschaftliche Früherziehung, Vorbereitung auf Lesen und Schreiben, Singen und Musizieren, musikalische Früherziehung, bildnerisches Gestalten, sportliche Früherziehung — all das sollen unsere Kinder bis zum Schuleintritt können. Und freies Spiel. Mit so genannten Entwicklungsfragebögen wird geprüft, ob sie alles rechtzeitig geschafft haben. Somit ist eine leistungsfähige Jugend für die Zukunft des Landes gesichert. Sie müssen uns ja immerhin bei der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf unterstützen und unsere Renten zahlen. Wenn man früh genug anfängt, kann man mehr erreichen.

Nur die emotionelle Früherziehung steht nicht auf der Liste des Bundesministeriums: Bindung und Geborgenheit, Vertrauen aufbauen, zwischenmenschliche Probleme durchstehen können, Konflikte lösen, aufeinander achten, anderen zuhören, sich trauen, eine eigene Meinung zu haben, die eigenen Gefühle verständlich ausdrücken, tiefe langfristige Beziehungen bauen. Das müsste man auch üben und trainieren, genauso wie 1+1 und Hände waschen. Dafür sind die Ersatzmamis gezwungen, auf ihre eigene Erfahrung zurückzugreifen und ihrem eigenen Instinkt zu folgen. Denn es gibt keine entsprechende PDF-Datei zum Download auf der Seite des Bundesministeriums für Bildung. Emotionelle Entwicklung ist selbstverständlich und sie muss zwischendurch erfolgen, weil das pädagogische Programm schon voll ist.

Nun wollte die kleine Lilly einfach mit ihren Freunden spielen, während die nette Ersatzmami im gleichen Raum das Obst klein schneidet und den Tisch deckt. Es ist ja so gemütlich … Das wurde ihr aber nicht gegönnt. Fast wie das Kinderlied, dass Lilly gerade in der KiTa lernt: „Meine Ersatzmami ist verschwuuunden, ich habe keine Ersatzmami meeehr. Ach, da ist eine neue wieder, trala lala lala laaa …“

Warum versuchen wir, den Kindern mühevoll alles beizubringen? Am Ende werden sie sowieso das tun, was sie von uns sehen. Was lernt die kleine Lilly aus so einer Erfahrung? Sich nicht auf Mitmenschen zu verlassen; keine Versprechen zu halten; nur an sich selber denken; Probleme zu umgehen, anstatt sie anzusprechen und zu lösen; sich anpassen und bloß nicht zu viel Persönlichkeit zeigen; gute Leistung bringen, um beliebt zu werden. Diese erworbenen Eigenschaften, zusammen mit dem „pädagogischen Angebot“, werden unsere Ellenbogengesellschaft bestimmt bereichern.

Marina Varouta, Mama einer 2,5-Jährigen und Lehrerin für musikalische Früherziehung und Klavier

 

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Studie: In Kitas gibt es zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse

Viele Kinder essen mittags in der Kita – da sollte man ein ausgewogenes Essen erwarten können. Das gibt es aber zu selten, sagt  die Bertelsmann-Stiftung in einer neuen Studie: In 75% der Kitas gibt es zu viel Fleisch, und genug Salat und Rohkost bekommen nur  20% der Kinder in Tageseinrichtungen. Weiterlesen