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Streit um die Zeit

„Wie viel Familienleben kann man als Eltern von Teenagern einfordern? Ist eine gemeinsame Mahlzeit am Tag zu viel verlangt? Oder kann man gar nichts fordern, sondern sich nur wünschen?“

Teens streben zunehmend nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Dies kann sich im Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug äußern oder im häufigen Zusammensein mit Gleichaltrigen. Welche Form Ihr Kind bevorzugt, kann im Temperament oder in der aktuellen Stimmungslage begründet sein. In der Pubertät ist vieles im Umbruch. Der Körper und das Gehirn verändern sich, die Stimmung schwankt und neue Herausforderungen stürmen auf die Teens ein. Sich in dieser Zeit verstanden zu fühlen, eine Meinung zu bilden und seine Zeit selbstbestimmt zu füllen, ist reizvoll und natürlich. Rückzug oder Aktionen mit Freunden werden immer wichtiger. Dies steht oft im Widerspruch zum Familienleben und wird häufig zu einem Kampf um die gemeinsame Zeit. Ein jahrelanges Ritual, wie eine gemeinsame Mahlzeit, kann da schon mal zur Nervenprobe für die Eltern werden, ein schöner Familienausflug mit schlechter Laune oder gar Verweigerung enden.

SICH SELBST HINTERFRAGEN
Es gilt den Fragen nachzugehen: Wann bestehe ich auf gemeinsame Zeiten und warum? Bin ich zu neuen Sichtweisen oder Kompromissen bereit, und wie könnten diese aussehen? Auf solche Fragen sollten Sie eine Antwort finden, um überzeugender, klarer und gestärkt in Ihren Aussagen zu sein. Aussprüche wie „Das ist einfach so und du kommst jetzt gefälligst mit“ sind nicht so überzeugend wie „Wir verbringen gerne Zeit mit dir.“ So erhöht sich die Chance, dass sich Ihr Kind ernstgenommen fühlt. Auch Bedenken können und dürfen dann Platz finden. Kurze Aussagen wie „Ach, ich bin froh, einfach mal zu Hause sein zu können, in der Schule war so viel los diese Woche …“, können ein Türöffner für gegenseitiges Interesse und weiteren Austausch sein.

EIGENVERANTWORTUNG ÜBEN
Die hohe Kunst ist, aufmerksam zu sein, Bedürfnisse nicht zu ignorieren und auch den wachsenden Raum für Selbstbestimmung und Eigenverantwortung wahrzunehmen und anzuerkennen. Das kann z.B. bedeuten, das Kind klinkt sich aus und darf mal alleine zu Hause bleiben oder sich mit einem Freund verabreden, während die Familie eine Runde wandert. Es gilt, offen zu sein für neue Ideen und kreative Lösungen, um gewinnbringende Gemeinsamkeiten zu finden. Auch neue Konstellationen für die Freizeitgestaltung sind denkbar. Es könnte z.B. ein Freund mitkommen, Vater und Sohn planen eine Aktivität für „Männer“, oder der Teen verreist mit einer Jugendgruppe. Bei Themen, die Ihnen wichtig und auch wiederkehrend sind, bleiben Sie bei sich und seien Sie transparent in Ihren Wünschen und Erwartungen. Sie sind nach wie vor verantwortlich für Ihr Kind, wohlwissend, dass seine Eigenverantwortung zunimmt und eingeübt werden sollte. Vielleicht hilft das Bild eines Leuchtturms: Geben Sie regelmäßig Lichtsignale zur Orientierung in stürmischen oder nebligen Zeiten. Die größte Herausforderung ist, eine gewisse Nähe beizubehalten und zugleich im Vertrauen immer mehr loszulassen.

Sonja Krebs ist Erzieherin und Heilpädagogin, verheiratet und Mutter von zwei Jungs (14 und 5 Jahre alt). Sie wohnt in Königswinter.

Was soll aus dem Jungen nur werden?

Eltern von Teenagern sind oft verzweifelt, wenn ihr Kind null Interesse an der Berufswahl hat. Eine erfahrene Mutter rät aus eigener Erfahrung zur Gelassenheit.

Elternabend an der Schule mit dem Thema „Pubertät und null Bock“. Nach einem Vortrag mit Diskussion verfing die Atmosphäre sich in einer Ratlosigkeits- und Resignationssackgasse. Als vermutlich dienstälteste Mutter, die nicht nur bocklose Teens, sondern auch erwachsene, leistungsbereite Kinder hatte, musste ich mich jetzt einfach zu Wort melden. „Es gibt Licht am Ende des Tunnels“, schloss ich meinen kurzen Erfahrungsbericht. Allgemeine Erleichterung, hoffnungsvolles Aufseufzen.

Wieder einmal hatte ich mir selbst Mut zugeredet. Was sollte ich tun mit Jonas, der bereits zum zweiten Mal ein Schuljahr wiederholte und rein gar nichts hielt von Berufsberatung und Ausbildungsmesse? Hatte ich in der Erziehung eine wichtige Weichenstellung übersehen? Genoss Jonas zu viele Freiheiten?

Seinen großen Bewegungsdrang als Kind hatte ich gern unterstützt. Toben, klettern, Rad fahren, all das machte ihn glücklich. An einem etwas kühleren Tag schwamm ein Sixpack Cola in der Mitte des Flusses. Jonas warf sein Fahrrad hin, sprang ohne Zögern ins Wasser, schnappte sich das Ziel seiner Wünsche und radelte triefend nach Hause. Am nächsten Tag war er zwar krank, aber für die Cola hatte sein Einsatz sich gelohnt.

Im Kindergartenalter war sein innigster Wunsch eine Pistole. Jonas flehte immer wieder. Meinem Mutterherzen dämmerte allmählich, dass Jonas nun mal ein Junge war und dass kindliche Aggressionen nicht durch eine Spielzeugpistole entstehen. Ich liebte Jonas und kaufte ihm sein Sehnsuchtsobjekt. Sein Glück ließ sich mit Worten kaum beschreiben. Im Lauf der Zeit erweiterte sich das Arsenal um Pfeil und Bogen, Armbrust und Ähnliches. Und nein, der Umgang mit der „Waffe“ zog keine Charakterverderbnis nach sich, vielmehr war Jonas aufmerksam Schwächeren gegenüber und teilte freiwillig seine Süßigkeiten. Überhaupt war er sehr kontaktfreudig. Zugleich verstand er es, sich abzugrenzen. Doch quasi über Nacht wurde Jonas von Pubertätshormonen überschwemmt. Jetzt zog er alle Register. Seine Freunde wählte er nach dem Kriterium „Elternschreck“ aus. Schule wurde für ihn zu einer Gleichung mit drei Unbekannten. Mehrmals täglich drehte er mich durch den mentalen Fleischwolf.

Wenn Bekannte von seinem netten, höflichen Auftreten schwärmten, fragte ich mich, wen sie eigentlich meinten. Für berufliche Dinge interessierte Jonas sich nicht die Bohne. Auch nicht für Ferienjobs. Schulkameraden und Altersgenossen machten Ausbildungsverträge und Schulabschlüsse. Jonas dümpelte vor sich hin. Etwas Soziales wollte er nicht machen, mit Kreativität hatte er nichts am Hut, für Handwerk interessierte er sich auch nicht. Immerhin beschaffte er sich einen Job. Mittwochs trug er in unserem Wohnviertel hinfort die Wochenblätter aus.

Mein Mann und ich fuhren das größte Geschütz auf, das wir kannten:  Wir beteten für Jonas. Vor allem beteten wir um gute Freunde für ihn. Was weiter geschah, ließ uns staunen: Nachdem Jonas einen wirklich coolen Freund kennengelernt hatte, war plötzlich Fitnessstudio statt Chillen angesagt und Früchte statt Chips. Dennoch behielt er weiterhin sein taubes Ohr für gelegentliche Ausbildungsvorschläge unsererseits. Seine Wochenblätter aber verteilte er regelmäßig in die Briefkästen. So kam er mit dem einen oder anderen Nachbarn ins Gespräch. Einer, den wir nicht kannten, sagte: „Du hast noch keine richtige Idee, was du beruflich machen willst? Könntest du dir eine Arbeit bei der Polizei vorstellen? Hier hast du die Telefonnummer von einem Freund von mir, der ist dort Einstellungsberater. Melde dich bei ihm und sag schöne Grüße von mir.“

Um es kurz zu machen: Jonas hat alle Prüfungen prima bestanden und arbeitet heute als Polizist. Dies tut er mit einer positiven Einstellung und ist mit sich und seinem Leben im Reinen. Rückblickend denke ich: „Ein Wunder, dass er nicht schon in Uniform auf die Welt gekommen ist, dieser Beruf passt genial zu seiner Persönlichkeit.“

Ich finde, Gott hat all das sehr gut eingefädelt und bin stolz auf Jonas, dass er mit für unsere Sicherheit sorgt. Und wieder einmal habe ich ein Gebetsanliegen: Dass er beschützt bleibt …

Acht Sätze …

… die Eltern gerne mal von ihren Pubertierenden hören würden:

1. Wenn meine Freunde heute Nacht kommen, wollen wir uns aus unseren Lieblingsbüchern vorlesen.

2. Nimm du mein Handy in Gewahrsam, ich kann nicht damit umgehen.

3. Ich weiß eure klare Linie in Erziehungsfragen wirklich zu schätzen.

4. In den Ferien würde ich mich so gerne mal in der Arbeitswelt ausprobieren, deshalb habe ich mich um Praktikumsplätze beworben.

5. Ich bring die Kleinen ins Bett, kümmert ihr euch um eure Ehe.

6. Alle meine Freunde haben eine Xbox One, aber es wäre mir lieber, ihr würdet das Geld in meine Ausbildung investieren.

7. Du brauchst mich nicht vom Training abzuholen, ich gehe die drei Kilometer gerne zu Fuß.

8. Ich freue mich, dass bei uns so reichhaltig und gesund gekocht wird.

Aus der Rubrik „Sinnlose Listen“ in Family

Achtung, Ansteckungsgefahr!

Wie sie sich vor der miesen Stimmung Ihres Teenagers schützen

Wenn in Ihrem Haushalt ein Teenager lebt, haben Sie es bestimmt selbst schon erlebt: ein Wort, eine Frage, ein Auftrag, der falsche Zeitpunkt – irgendetwas kann die Stimmung von null auf hundert vermiesen. Pflegeleichte Kinder werden plötzlich ruppig. Und beide Seiten – Kinder und Eltern – verstehen die Welt und das Verhalten des anderen nicht mehr. In der Pubertät entwickelt sich der Jugendliche nicht nur körperlich; er reift auch in seiner Psyche vom Kind zum Erwachsenen. Das familiäre Zusammenleben – nicht zuletzt die Definition von Grenzen, geforderten Pflichten und erhofften Freiräumen und Privilegien – bietet eine Unsumme von Reibungsmöglichkeiten.

Schrei nach echten Aufgaben

Kinder betrachten lange Zeit unreflektiert die Meinungen, Werte und Glaubensüberzeugung der Eltern als allein gültige Wahrheit. Ich und Du verschmelzen noch häufig zum Wir. Dieses Wir gibt Sicherheit, Halt und Geborgenheit. In der Zeit der Pubertät schält sich das Ich aus dem (Familien-)Wir heraus. Dazu geht der Teenager entlang der elterlichen Grenzen, überschreitet sie, testet die Folgen und definiert seine eigenen Grenzen und Werte. Meistens fallen in diese Phase der Ich-Findung auch wesentliche Entscheidungen bezüglich des beruflichen Werdegangs.

Der Schweizer Psychologe Allan Guggenbühl schreibt in seinem Buch „Pubertät – echt ätzend“: „Zu Beginn der Adoleszenz sind beim jungen Menschen fast alle Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften entwickelt, die ihn als Erwachsenen auszeichnen. […] Sie haben die Kindheit verlassen und wären bereit, sich den Verantwortungen, Pflichten und Herausforderungen des außerfamiliären und außerschulischen Lebens zu stellen.“ Guggenbühl ist überzeugt, dass „die demonstrative Passivität, der coole Auftritt, das Schwatzhafte, das Chaos, die Introvertiertheit und die Disziplinlosigkeit, mit der Jugendliche auffallen“ der Schrei nach echten Aufgaben sind. Er ruft dazu auf, Teenagern Dinge zuzutrauen, an denen sie sich beweisen, wachsen und auch mal die Finger verbrennen können.

So sehr Ihr Teenager sich nach (Selbst-) Verantwortung sehnt, so sehr überfordert ihn diese Aufgabe – kein Wunder also, wenn er von Stimmungsschwankungen und Launenhaftigkeit hin und her geworfen wird. Auch wenn er sich zuweilen wie ein Kaktus anfühlt, lieben Sie ihn und umarmen Sie ihn im richtigen (!) Moment.

Überlebenstipps für „Kakteenbesitzer“:

• Nehmen Sie die Situation nicht persönlich.
• Rufen Sie sich in Erinnerung, dass Ihr Teenager sich von Ihnen lösen muss. Der erste Schritt dazu ist meistens, die Werte der Eltern in Frage zu stellen.
• Gestehen Sie sich und Ihrem Kind ein, dass die Veränderungen, die Ihr Kind momentan durchläuft, für Sie ebenso herausfordernd sind.
• Halten Sie sich vor Augen: auch diese rebellische Phase hat ein Ende. • Erinnern Sie sich an eigene Wünsche und Bedürfnisse: tun Sie sich etwas Gutes. Planen Sie mit Ihrem Partner/ Ihrer Partnerin kleine Auszeiten als Paar.
• Und: Schmunzeln Sie über die folgende Erkenntnis von Mark Twain – sie könnte auch von Ihrem Teenager stammen: „Als ich 14 war, war mein Vater so dumm, dass ich ihn kaum ertragen konnte. Aber als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, wie viel der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte.“

Helena Gysin ist freie Journalistin und lebt mit ihrem Mann und Ihren drei Kindern (20, 18, 15) in Bülach im Zürcher Unterland.

Schreckenszeit Pubertät?

Was vielen Eltern Angst macht, ist eine wichtige Entwicklungszeit ihrer Kinder. Nicht mehr und nicht weniger

Es gibt wohl nur wenige Wörter, die Eltern so sehr in Schrecken versetzen wie „Pubertät“. Aufgeklärte, moderne und frohgemute Väter und Mütter sehen plötzlich mürrische, wie Landstreicher gekleidete, Schimpfwörter rufende Monster vor sich, deren Lieblingsausspruch „Ich bin dagegen!“ ist. Dabei bezeichnet der Begriff „Pubertät“ nichts anderes als eine physische Veränderung im Körper der Mädchen und Jungen.

Zeit der Veränderungen

Durch die hormonellen Veränderungen kommt es zu Stimmungsschwankungen. Der Teenager muss seinen „neuen“ Körper erst einmal akzeptieren. Aus dem süssen, blond gelockten Mädchen wird eine junge Dame, die plötzlich niemand mehr „niedlich“ findet. Der kleine, wilde Rabauke wird in kurzer Zeit zum sportlichen jungen Mann mit Bartstoppeln und tiefer Stimme. Das verunsichert nicht nur den Jugendlichen selbst, sondern auch seine Umgebung. Verwandte und Bekannte, die den jungen Menschen nicht täglich sehen, erkennen diesen oft nach wenigen Wochen oder Monaten nicht wieder und benehmen sich dem Teenager gegenüber völlig anders als früher. Zudem sind Autoritätspersonen plötzlich gleich groß oder gar kleiner als der Teenager selbst. Das verunsichert und verschreckt den Pubertierenden. In seiner Unsicherheit reagiert der Junge oder das Mädchen dann viel ruppiger oder unfreundlicher als gewollt.

Für die Zeit der Pubertät gilt ganz besonders, was der weise König Salomo so treffend beschrieb: „Alles hat seine Zeit!“ (Prediger 3). Pubertät ist eine ganz besonders wichtige Phase im Leben. Es ist äußerst bedauerlich, dass gerade diese so wertvolle und Weichen stellende Zeit derart negativ behaftet ist. Dabei ist diese Zeit der Veränderung in Wirklichkeit eine Chance!

Begleiten auf dem Weg zur Reife

Niemand wünscht sich, dass Himbeeren oder Johannisbeeren im grünen, unreifen Stadium bleiben. Es gibt nichts Herrlicheres, als Obst zum richtigen Zeitpunkt zu ernten und zu genießen. Mit genau diesen Augen dürfen Eltern ihre Heranwachsenden sehen: als Menschen, die „noch nicht fertig“ sind.

Es wird sie geben, die Tage, an denen der Sohn oder die Tochter sich selbst nicht leiden kann. Manchmal kann man direkt beobachten, wie in einer Phase die Körperproportionen durch unterschied liches Wachstum nicht mehr harmonisch zusammenpassen. Da kann es hilfreich sein, gemeinsam Fotos von der eigenen Teeangerzeit zu betrachten, wo plötzlich die Nase zu groß, die Beine zu kurz oder die Arme zu lang erschienen. Oder auch zu erzählen, wie sich die Mutter als Mädchen oder der Vater als Vierzehnjähriger in gewissen Situationen fühlte. Wie peinlich es war, als die Stimme in der Zeit des Stimmbruchs plötzlich hoch und dann wieder ganz tief erschien. Oder wie unangenehm die ersten weiblichen Rundungen wahrgenommen wurden!

Eltern von Teenagern sollten sehr sensibel sein, wenn es darum geht, über diese Zeit Späße zu machen oder zu lachen. Manchmal kann es aber hilfreich sein, den Kindern komische Momente aus der eigenen Teenagerzeit zu erzählen. Sie merken dann: Mit Humor ist manches leichter zu ertragen.

Pubertät – ein Schreckgespenst? Nein, aber eine Zeit, in der neben Geduld eine Extraportion Humor nicht schaden kann. Und das Erinnern und Vertrauen: Gott hat diese Zeit der Reife und des Wachstums geschenkt! Was kann daran verkehrt sein?

Roswitha Wurm arbeitet als Lern-, Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin und lebt mit ihrer Familie in Wien. Sie hat drei Kinder zwischen 14 und 20.

Illustration: Thees Carstens