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„Heimat ist das Gefühl, angekommen zu sein“

Mit 18 Jahren kam Bonita Niessen aus Südafrika nach Deutschland. Sie hat schnell Wurzeln geschlagen und als Sängerin viele Erfolge zu verzeichnen – zum Beispiel in der Rolle der Rosa Parks im Musical „Martin Luther King“.

„Dass jeder fair behandelt wird, das war unser Traum“,singt Bonita Niessen im Chormusical „Martin Luther King“. Sie verkörpert hier die Rolle der Afroamerikanerin Rosa Parks, die am 1. Dezember 1955 in Montgomery, Alabama festgenommen wurde, weil sie sich geweigert hatte, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen zu räumen. Ihr Gemeindepfarrer Martin Luther King und eine Bürgerinitiative organisierten den ersten Kundenboykott der jüngeren US-Geschichte: Der „Busstreik von Montgomery“ gilt als Anfang vom Ende der Rassentrennung in Amerika.

DURCHBRUCH BEI STEFAN RAAB

„Ich bin im Südafrika der 70er Jahre geboren“, erzählt die zierliche Sängerin, „und in der Nähe von Kapstadt aufgewachsen. Mitten in der Apartheid, die Bürgerrechtsbewegung von Nelson Mandela war in vollem Gange. Wir hatten die gleichen Themen, mit denen 20 Jahre zuvor die schwarzen Afroamerikaner in den USA zu kämpfen hatten.“ In der Schule war Parks kein Thema, „aber als ich später von ihrer Geschichte erfuhr, hat es mich bestärkt: Egal, wie aussichtslos etwas ist – wenn eine Frau mit dunkler Hautfarbe in den USA der 50er Jahre etwas bewirken konnte, dann kann ich das heute auch. Es gibt Gerechtigkeit, und sie ist es wert, dafür zu kämpfen.“

Schon mit zwölf schrieb Bonita Jeanetta Louw ihre ersten Songs und begleitete sich auf der Gitarre dazu. Mit 18 kam sie als Au-pair nach Deutschland. Und sie blieb: Sie studierte an der Stage School of Music in Hamburg, sang bald in einer Band und einem Gospelchor, trat mit Till Brönner auf und veröffentlichte im Jahr 2000 ihr erstes Album. Der Durchbruch kam, als sie 2003 in der Castingshow SSDSGPS (Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star) hinter Max Mutzke Zweite wurde. Bonita wirkte mit in den Pop-Oratorien „Die zehn Gebote“ und „Luther“ und verkörpert von Januar bis April 2020 die Rosa Parks im Chormusical „Martin Luther King“. „Musik ist sehr, sehr wichtig für mich, ich singe für mein Leben gern und habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Mehr noch: Ich fühle mich dazu regelrecht berufen!“, erklärt Bonita Niessen.

SCHNELL WURZELN GESCHLAGEN

Für die 42-Jährige ist die Familie allerdings genauso wichtig wie die Musik: „Als ich vor sieben Jahren Mutter eines Sohnes wurde, hat sich mein Glück verdoppelt! Mama zu sein, ist die schönste und wichtigste Aufgabe, die ich jemals haben werde.“ Doch ihr Glück ist nicht ungetrübt: „Ich wünsche, ich könnte meine südafrikanische Familie öfter sehen und mein Glück mit ihnen teilen. Wir sind überall auf der Welt verstreut und müssen es daher aushalten, uns eher selten zu treffen. Aber ich war schon zweimal mit meinem Sohn und meinem Mann in Südafrika, und meine Mutter ist auch ab und zu hier.“

Bonita in Südafrika, Foto: privat

Bonita in Südafrika, Foto: privat

Welches der beiden Länder ist denn nun ihre Heimat? „Meine Heimat ist nicht ortsgebunden. Heimat ist für mich ein Gefühl, das Gefühl, angekommen zu sein. Und das kann überall sein. Wo ich in meiner Seele Glückseligkeit empfinde, das ist meine Heimat – egal, wo auf der Erde ich gerade bin.“ In Deutschland hat Bonita Niessen schnell Wurzeln geschlagen. „Dass das so gut geklappt hat, liegt daran, dass ich die Sprache relativ früh gelernt und mich sehr für die Kultur interessiert habe. Ich lebe hier seit 23 Jahren, länger als in meiner alten Heimat. Und als ich dann Mutter geworden bin und mein Sohn hier in Deutschland geboren wurde, das war schon ein tiefer Wurzelschlag.“

NICHT ALLES SO ENG SEHEN

Ob sie Rituale oder Traditionen aus der alten Heimat mit nach Deutschland gebracht hat? „Nein, ich kannte nur die kolonialistischen Bräuche, die uns aufgezwungen wurden, Teatime zum Beispiel. Als Teenager habe ich mich davon verabschiedet, weil das ja nicht wirklich afrikanische Rituale sind.“ Sie lacht: „Die habe ich aber auch nicht. Was ich importiert habe, das ist die Mentalität, das Leben zu genießen und nicht alles so eng zu sehen. Jeden Tag mit Freude zu starten und mit Freude zu beenden, egal, welche Umstände man hat.“

Aber: „Wenn ich abends für meine Familie hier in Deutschland koche, versuche ich mich daran zu erinnern, wie meine Eltern das Essen für uns vorbereitet haben. Ich habe einige unschöne Erinnerungen aus meiner Kindheit, aber mit dem Essen habe ich nur positive Assoziationen. Das Sonntagsmahl nach dem Kirchenbesuch war immer ein Fest. Ab und zu fallen mir wieder Rezepte von früher ein, und dann geht’s rund in der Küche!“

IN DIE HAARE GEFASST

Rassismus erlebt sie meist subtil, aber auch schon mal direkt, „angefangen davon, dass ich von wildfremden Menschen ausgefragt oder auf mein Aussehen angesprochen werde. Meine Haare sind oft ein Thema, und im schlimmsten Fall wird in meine Frisur hineingefasst. Oder wenn die Rede ist von ,euch‘ und ,ihr‘, dann weiß ich immer nicht genau, wen die Menschen meinen – wer soll dieses ,ihr‘ sein? Alle dunkelhäutigen Frauen in Deutschland? Es stört mich auch, dass manche immer noch politisch unkorrekte Wörter oder rassistische Bezeichnungen benutzen und das nicht schlimm finden.“

„Gott ist Liebe” ist ein wichtiger Satz für sie. „Alles, was Gott erschaffen hat, wurde nicht nur aus Liebe geschaffen, sondern es ist Liebe. Wer also andere so wie sich selbst liebt, trägt somit das Göttliche in sich und ist Gott nah!“ Sie seufzt: „Eigentlich müsste so vieles anders sein. Noch immer ist der Traum von Rosa Parks und Martin Luther King nicht überall auf der Welt Wahrheit geworden. Dass Menschen in Frieden, ohne Gewalt und ohne Armut und als Gemeinschaft leben können, davon sind wir leider noch sehr weit entfernt, und das macht mich traurig.“

Carmen Möller-Sendler lebt und arbeitet im Ruhrgebiet. Sie ist Diplom-Journalistin und Öffentlichkeitsarbeiterin, Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und stolze Oma einer hinreißenden Enkelin.

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