Kraftvoll gegen die Angst

Sind wir auf dem Weg zu einer angsterfüllten Gesellschaft? Wie finden wir einen angemessenen Zugang zu Hassparolen, Terrorangst und „besorgten Bürgern“? Von Bettina Wendland

Die Angst greift um sich: Zum ersten Mal seit Jahren sind die Deutschen 2016 nicht mit Optimismus, sondern sorgenvoll ins neue Jahr gestartet. Blickten in den vergangenen Jahren nur jeweils um die 30 Prozent angstvoll in die Zukunft, sind es nun mehr als 50 Prozent. Eine ähnliche Umfrage in der Schweiz ergab eine etwas optimistischere Einschätzung, allerdings stand hier auch die häufig gewählte Option „Ich nehme es, wie es kommt“ zur Auswahl, die bei der deutschen Umfrage nicht angeboten wurde. Die „besorgten Bürger“ sind in den letzten Monaten zum Schlagwort geworden. Sie sorgen sich, dass der Zustrom der Flüchtlinge zu groß sei, um ihn zu bewältigen. Dass die Menschen, die zu uns kommen, nicht ausreichend integriert werden können. Sie haben Angst, dass unser Wohlstand und unser innerer Friede leiden könnte. Diese Angst teile ich nicht. Aber ich bemerke auch bei mir, dass die Angst zugenommen hat. Ende letzten Jahres war es vor allem die Angst vor Terroranschlägen. Da war ich unsicher, ob ich mit den Kindern zum Weihnachtsmarkt gehen soll oder lieber nicht. Die Anschläge in Brüssel geben dieser Angst neue Nahrung, auch wenn es wahrscheinlicher ist, bei einem Unfall als bei einem Anschlag zu sterben.

FLAGGE ZEIGEN GEGEN HASS

Meine größte Angst – zumindest in Bezug auf unsere gesellschaftliche Situation – ist aber die vor dem Erstarken von rechten Kräften, Gruppierungen, Parteien. Ich bin immer wieder erschrocken über Brandanschläge, Hassparolen, offene Feindseligkeiten gegenüber Menschen, die aus anderen Ländern schutzsuchend zu uns kommen. Was manche früher vielleicht am Stammtisch hinter vorgehaltener Hand gesagt haben, ist nun fast salonfähig geworden. Zumindest facebook-fähig. Woher kommt dieser Hass? Und vor allem: Wo führt er hin? Wie wird sich mein Land verändern, wenn Menschen mit dieser Geisteshaltung mehr Einfluss bekommen?

Zum Glück gibt es immer wieder Hoffnungszeichen. Da schließt der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz einen Abgeordneten aufgrund seiner rassistischen Äußerungen von einer Sitzung aus. Und die Schweizer lehnen eine Volksinitiative der SVP ab, die bewirken sollte, dass Ausländer schneller abgeschoben werden können. Viele Menschen zeigen Flagge gegen Hass und Rassismus. Und es tröstet mich auch, dass ich mit meiner Angst nicht allein bin. Eine aktuelle ZEIT-Studie hatte ergeben, dass mehr als die Hälfte der Deutschen Angst hat vor Ausländerfeindlichkeit. Angst vor Überfremdung hat demnach nur ein Drittel der Bürger.

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