„Kinderängste sind kein Kinderkram!“

Wenn die Angst eines Kindes überhandnimmt, sollten Eltern abklären lassen, ob es sich um eine Angststörung handelt. Immerhin leiden zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen darunter. Verena Pflug ist Kinder- und Jugendlichen-Psychologin und leitet die KibA-Studie „Kinder bewältigen Angst“ an der Ruhr-Universität Bochum.

Wie können Eltern einschätzen, ob die Angst ihres Kindes noch „normal“ ist?

Ängste sind etwas ganz Natürliches, sie schützen uns. Es gibt aber Ängste, die nicht angemessen sind. Daraus entstehen Verhaltensweisen, die uns einschränken. Wenn ein Kind bestimmte Dinge nicht mehr tun kann, die andere Kinder in dem Alter tun, oder wenn das Kind sehr darunter leidet, dann könnte es sich um eine Angststörung handeln. Dazu kommt ein Zeitkriterium. Wenn das einen Tag so ist, ist das kein Problem. Aber wenn das über einen längeren Zeitraum anhält, spricht man von einer Angststörung. Ein Beispiel: Ein Kind hat Angst vor fremden Kindern und geht deshalb nicht zum Geburtstag seines Freundes. Wenn das Kind wegen dieser Ängste viele verschiedene Situationen über Monate hinweg nicht mehr aufsucht, führt das zum Leidensdruck. Dann ist es gut, sich Hilfe zu suchen.

Was, wenn das Kind nicht benennen kann, dass es Angst hat? Was kann darauf hinweisen, dass Angst eine Rolle spielt?

Eine typische Verhaltensweise ist die Vermeidung. Das Kind hat zum Beispiel Angst vor Hunden und möchte deshalb nicht mehr einen bestimmten Weg gehen. Oder es möchte nicht mehr zu einem Freund gehen, der einen Hund hat.

Kann sich Angst auch in Aggressivität zeigen?

Ja, wenn Vermeidung nicht möglich ist. Wenn die Mutter sagt: „Du musst zum Freund gehen“, und das Kind möchte das nicht, dann bekommt es vielleicht einen Tobsuchtsanfall und schreit: „Ich will da auf keinen Fall hin!“, statt zu sagen: „Ich habe Angst vor dem Hund da.“ Trennungsängstliche Kinder sagen oft, bevor sie zur Schule gehen müssen, dass sie Bauch- oder Kopfschmerzen haben. Sie können nicht einfach sagen: „Ich möchte lieber zu Hause bei dir bleiben.“ Das heißt nicht, dass das Kind versucht, die Mutter zu belügen. Das ist sein Weg, um der Angstsituation aus dem Weg zu gehen.

Bleiben wir bei dem Beispiel: Sollen die Eltern das Kind trotzdem in die Schule schicken?

Wenn man das Kind nicht zur Schule schickt, geht die Angst zuerst zurück und alles ist gut. Am nächsten Morgen hat das Kind aber wieder Angst. Und die Angst baut sich immer mehr auf. Sie beginnt nun vielleicht schon am Abend zuvor. Und irgendwann schränkt die Angst das Kind sehr ein. Wenn die Eltern das Kind zur Schule schicken, wird es zuerst Angst haben, auf dem Weg dahin und vielleicht auch in der Schule. Aber dann wird die Angst nachlassen. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Man gewöhnt sich an die Situation und merkt: Es ist gar nicht so schlimm, weil das, was man befürchtet hat, nicht eingetroffen ist. Irgendwann lässt die Angst nach, weil unser Körper die Angst gar nicht so lange aufrechterhalten kann.

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  1. […] werden, ist es wichtig zu handeln. Betroffene Jugendliche haben oftmals Schwierigkeiten in der Emotions- und Stressregulation. In Spannungszuständen fügen sie sich Selbstverletzungen zu, um etwa mit starken aversiven […]

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