„Kann das auch bei uns passieren?“

Katastrophen, Kriege und Terroranschläge können bei Kindern – und Erwachsenen – Ängste auslösen. Und auch die Frage, warum Gott das zulässt. Karin Vorländer gibt Anregungen, wie Eltern damit umgehen können.

Die fünfjährige Lea weigert sich, ins Bett zu gehen. Das Haus, in dem ihre Freundin Emma wohnte, ist nachts abgebrannt. „Warum hat der liebe Gott nicht aufgepasst?“, will sie wissen. Der achtjährige Lukas kann nicht einschlafen. In den Kindernachrichten hat er von Terroranschlägen gehört. „Kann das auch bei uns passieren?“, fragt er seinen Papa. Kinderfragen nach Leiden, Unglück, Krieg oder Sterben verdienen Aufmerksamkeit. In ihnen verbirgt sich neben Mitleid oft auch Angst: Kann das, was Emmas Familie getroffen hat, auch uns passieren? Könnte auch bei uns ein Terroranschlag stattfinden?

ÄNGSTE ZULASSEN

Wir können unseren Kindern kein Bild von einer heilen Welt vermitteln. Dazu tragen auch die Medien bei, die die Schrecken von Terror, Krieg und Naturkatastrophen ins Haus bringen. Der Hamburger Medienpädagoge Norbert Neuß weist allerdings darauf hin, dass längst nicht alles, was Erwachsene schreckt, Kinder im gleichen Maß beunruhigt. Betroffen sind Vor- und Grundschulkinder vor allem dann, wenn Bilder von verletzten, weinenden Menschen in Nahaufnahmen gezeigt werden. Sie können dann kaum Distanz aufbauen. Deshalb sollten Vorschulkinder nie ohne Anwesenheit Erwachsener fernsehen. Allein die Tatsache, nicht allein zu sein, vermittelt ihnen ein Gefühl von Sicherheit. In der Auseinandersetzung mit eigenem oder fremdem Leid brauchen Kinder die Möglichkeit, Körperkontakt aufzunehmen, Fragen zu stellen, ihre Ängste zu äußern oder im Spiel auszudrücken. Und sie brauchen das Gefühl, dass der eigene Alltag trotz aller Sorge „normal“ bleiben darf und von verlässlichen Beziehungen getragen ist: „Toben, spielen, spazieren gehen und kuscheln sind gute Möglichkeiten, Normalität und Gewohntes in den Alltag zurückzuholen“, rät Wolfgang Zenz vom Kinderschutzzentrum Köln. Auf keinen Fall sollten Eltern leidvolle Ereignisse, die ihren Kindern Angst machen, verharmlosen. Dazu gehört auch, dass Eltern die eigene Angst, Sorge oder Traurigkeit zugeben.

DER „LIEBE“ GOTT?

Und was ist mit Leas Frage, warum Gott nicht aufgepasst hat? Damit stellt sie die vielleicht schwierigste Frage des Glaubens. Wenn Gott „lieb“ ist, warum verhindert er das Schlimme nicht? Entweder ist er nicht allmächtig, oder er ist eben nicht „lieb“. Kinder stellen diese Frage womöglich nicht mit denselben Worten wie Erwachsene, aber darüber, dass es Schmerz und Unrecht gibt, denken sie genauso nach wie Erwachsene. „Gott ist also auch für das Kind niemals der harmlose ‚liebe‘ Gott“, schreibt Jörg Zink in seinem Buch „Wie Sonne und Mond einander rufen“. „Gott ist Liebe, das ist wahr. Aber das gilt auch, wenn Gott dunkel und rätselvoll wird. Und dass Gott die Liebe sei, wird für einen Erwachsenen immer ein Glaube auch gegen den Augenschein und gegen alle Erfahrung sein. Wenn ein Mensch leidet, hat das mit Gott zu tun, dessen Gedanken wir nicht kennen, dessen Wege wir nicht verstehen, dessen Absichten uns dunkel sind“, beschreibt Jörg Zink die Glaubensverlegenheit, in die Eltern angesichts der Fragen ihrer Kinder oder eigener Fragen geraten können.

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