Das Schlimste, was passieren kann…
Die Angst um ihre Kinder begleitet alle Eltern. Wie dieser Angst begegnen? Anregungen von Melanie Schüer
Bevor ich Mutter wurde, tendierte ich dazu, mir viele Sorgen zu machen, die sich häufig um mich selbst drehten. Jetzt als Mutter richten sich meine Sorgen meist auf das Wohlergehen meiner Kinder. Ich habe Angst, bei Glatteis einen Unfall zu bauen – vor allem deshalb, weil ich die Vorstellung, zu sterben und nicht mehr für meine Kinder da sein zu können, so schrecklich finde. Nicht die Sorge um meine Sicherheit steht im Vordergrund, sondern die, meine Kinder im Stich zu lassen. Diesen Wunsch, den eigenen Kindern Leid zu ersparen, kennen wohl die meisten Eltern. Gerade am Anfang kann dieses neues Gefühl erdrückend sein: Noch vor Kurzem war ich nur für mich und meinen Partner zuständig. Und dann ist da plötzlich dieses zerbrechliche, hilflose Wesen, das völlig auf meine Versorgung angewiesen ist. Eine riesige Verantwortung, die oft zu Ängsten führt. Viele Eltern können in den ersten Nächten mit dem Neugeborenen kaum schlafen, weil sie ständig überprüfen, ob es dem Kind gut geht. Mit der Zeit werden die meisten Eltern etwas gelassener. Sie merken, dass das Kind nicht gleich stirbt, wenn es sich mal stößt.
NICHT ALLES IN DER HAND
Und doch bleibt die Angst für die meisten Eltern ein ständiger Begleiter. Ich weiß noch, wie schwer es mir fiel, meine Tochter einer Tagesmutter anzuvertrauen. Wir hatten sie sorgfältig ausgesucht, viel besprochen und wirklich den Eindruck: Dieser Frau können wir vertrauen. Und trotzdem quälten mich in den Wochen vor Beginn der Eingewöhnung viele Ängste. Ich malte mir die verrücktesten Szenarien aus, was meiner Tochter alles passieren könnte. Wir Eltern gehen oft davon aus, dass unsere Kinder nirgendwo so sicher sind wie bei uns zu Hause. Dabei passieren die meisten Unfälle im Haushalt. Absolute Sicherheit gibt es nirgendwo, und deshalb nützt es nichts, das Kind aus Angst vor Gefahren so viel wie möglich zu Hause zu behalten. Ein weiterer wichtiger Gedanke im Umgang mit der Angst: Ist es wirklich förderlich für unsere Kinder, wenn sie vor allem Leid bewahrt werden? Wie soll ein Kind, das nie gelernt hat, mit Belastungen umzugehen, als Erwachsener zurechtkommen? In Verbindung damit steht die Erkenntnis: „Es liegt nicht in meiner Hand.“ Ich kann den Alltag meiner Kinder noch so gut und sicher planen – trotzdem kann etwas Unerwartetes passieren, das mein Kind gefährdet. Ich kann meinem Kind keine absolute Sicherheit bieten. Der Versuch würde nur zu einem völlig verkrampften, von Ängsten geleiteten Leben führen. Was ich aber kann: Mein Kind zu einem selbstbewussten, zuversichtlichen Menschen erziehen, der weiß, wie er mit Schwierigkeiten umgehen kann. „Mit einer Kindheit voller Liebe kann man ein Leben lang aushalten“, sagte Jean Paul. Und Franz Grillparzer wusste: „Gott nimmt nicht die Lasten, aber er stärkt die Schultern.“ Das Gleiche gilt für Eltern: Wir können unseren Kindern nicht alle Lasten nehmen. Doch wir können sie stärken, um die Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt, zu bewältigen.
NOCH GRÖSSERE LIEBE
À propos Gott: Der Glaube ist eine großartige Ressource im Umgang mit Sorgen. Als ich mich mit meiner Angst um meine Kinder befasste, fiel mir auf: Ich gehe davon aus, dass niemand meine Kinder so liebt wie ich. Die Bibel jedoch berichtet uns von einem Gott, dessen Liebe zu seinen Geschöpfen noch größer ist, als menschliche Liebe sein kann. Gott liebt also mein Kind mehr als ich? Das ist für mich nahezu unvorstellbar. Allein zu glauben, dass er es genauso sehr liebt wie ich, fällt mir schwer. Und doch spricht die Bibel eine klare Sprache: Gott jubelt, wenn er an mein Kind denkt (Zefanja 3,17). Mein Kind ist ihm so wichtig, dass er jedes Haar auf seinem Kopf gezählt hat (Matthäus 10,29-31) und jeden Tag seines Lebens aufgeschrieben hat (Psalm 139,15-16). Das gibt mir Mut, meine Kinder Gott anzuvertrauen. Denn er liebt sie nicht nur mehr, sondern er kann viel mehr für sie tun. Er kann sogar aus Leid Gutes entstehen lassen. Dietrich Bonhoeffer sagte: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.“ Wenn ich mir das schlimmste Leid, das mein Kind treffen könnte, vorstelle, versuche ich, diesem Bild etwas hinzuzufügen: Die Gegenwart eines starken Gottes, der liebevoll zu meinem Kind spricht, es stärkt und trägt. Ich habe selbst erfahren, dass es möglich ist, auch im Leid tiefen Frieden zu erfahren, weil ich mich in Gott geborgen weiß. Im schützenden Arm eines so liebenden Gottes kann selbst das schlimmste Leid seinen Schrecken verlieren. Selbst wenn mein Kind diesem Gott den Rücken kehrt, wird er es immer wieder zu sich rufen. Wie der Hirte, der sich auf den Weg macht, um das verlorene Schaf zu suchen, geht Gott jedem Menschen nach und wirbt um ihn. Die Bibel spricht von einem besonderen Segen für die Kinder von Menschen, die Gott lieben: „Wie glücklich ist ein Mensch, der den Herrn achtet und ehrt und große Freude hat an Gottes Geboten! Seine Nachkommen werden mächtig im Land; denn wer aufrichtig dem Herrn folgt, dessen Kinder segnet er.“ (Psalm 112,1-2)
ÄNGSTE UMWANDELN
Max Lucado vergleicht in seinem Buch „Leben ohne Angst“ das Gebet mit einer Schale, in die wir Eltern unsere Sorgen gießen und in der sie abkühlen können. Ich habe mir angewöhnt, Ängste um meine Kinder in Gebete umzuwandeln. Ich weiß, dass dadurch nicht jedes Unglück ausbleiben wird. Trotzdem nenne ich Gott meinen Wunsch um Schutz für meine Kinder. Und ich bete, dass er meinen Kindern in leidvollen Situationen mit seiner Kraft begegnet. Er meint es gut mit ihnen, und mit seiner Hilfe können sie auch schwierige Zeiten bewältigen – und gestärkt aus ihnen hinausgehen.
Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin und freie Autorin. Sie bietet Beratung bei Schrei- und Schlafproblemen von Babys und Kleinkindern (www.neuewege.me). Seit 2009 ist sie mit Simon verheiratet. Die beiden haben zwei Kinder.
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