Happy End: So wurde Eremias aus Eritrea ein Teil von Alexanders Familie
Der Geflüchtete Eremias ist mittlerweile ein Dauergast bei Alexander. Jetzt erzählen beide, was ihre Freundschaft ausmacht.
Teil 1: Der familienlose Vater Eremias (35)
Vor zwei Jahren kam ich aus Eritrea nach Deutschland. Meine Frau und unsere zwei Söhne sind noch in Afrika. Ich vermisse sie sehr. Ich hoffe, dass sie bald alle Papiere bekommen, um nachzureisen. Bis dahin versuche ich, Geld zu verdienen, eine Wohnung zu finden und Deutsch zu lernen. Gott sei Dank habe ich Freunde gefunden, die mir helfen. Alexander ist einer von ihnen. Er übt mit mir Deutsch. Gemeinsam füllen wir Anträge aus, er begleitet mich zum Amt oder zu einem Vorstellungsgespräch. Es ist sehr anstrengend für mich, denn alles ist fremd und ungewohnt.
Im Flüchtlingsheim wohne ich mit vier Männern in einem kleinen Zimmer. An der Wand neben meinem Bett hängen die Fotos meiner Frau und unserer beiden Söhne. Mein Jüngster war ein Baby, als ich ihn zuletzt sah. Jetzt kann er laufen und sprechen. Manchmal telefonieren wir und dann höre ich meine Kinder plappern.
Gemeinsam deutsch lernen
Ich war sehr glücklich, als mich Alexander in seine Familie einlud. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder im Schulalter. Wir gingen gemeinsam in den Gottesdienst und aßen zusammen Mittag. Je besser wir uns kennenlernen, umso häufiger bin ich bei ihnen. Ich versuche, keine Mühe zu machen und will die Familienroutine nicht stören. Anfangs lehnten sie meine Hilfe ab, aber es ist kein gutes Gefühl, wenn ich meine Dankbarkeit nicht ausdrücken kann. Nun mähe ich den Rasen oder helfe in der Küche mit. Wenn die Kinder am Küchentisch Hausaufgaben machen, übe ich auch. Ich lese und schreibe in Deutsch. Die Kinder lachen, wenn ich etwas falsch ausspreche. Dann verbessern sie mich. Ich versuche, ihre Bücher zu lesen. Manche sind sehr lustig. Alexanders Frau sagt immer: „Wenn man Humor versteht, versteht man sehr viel.“
„Ich war das erste Mal in einem Kino“
Seit ich Alexanders Familie besuche, bin ich fröhlicher. Ich darf bei ihnen duschen und kann mir dabei Zeit lassen. Ich habe eine gute Internetverbindung, um mit meiner Familie in Afrika zu chatten. Bei schlechtem Wetter verbringe ich die Zeit auf ihrem Sofa. Es ist so gemütlich bei ihnen. Sie geben mir ein Gefühl von Heimat Alexander und seine Familie nehmen mich mit auf Ausflüge, zu Festen oder auf den Spielplatz. Ich freue mich schon darauf, meinen Kindern den See, den Wald oder die Stadt zu zeigen. Mit Alexander war ich das erste Mal in einem Kino. Ich habe nicht alles verstanden, aber die Bilder und die Stimmung waren großartig. Ich aß Popcorn aus einem Eimer.
Alexander schenkte mir sein altes Fahrrad. Wir haben es gemeinsam repariert. Ich bin ziemlich schlecht gefahren. Wir übten auf einem Weg und die Kinder flitzten mit ihren kleinen Rädern neben mir her. Wenn ich die Hoffnung verliere, bald mit meiner Familie vereint zu sein, macht mir Alexander Mut.
Teil 2: Der Familienvater Alexander (46)
Immer wieder kommen Flüchtlinge in unseren Ort. Es werden immer Helfer gesucht, und ich will gern helfen. Eremias lernte ich im Deutschkurs kennen. Er ist ein junger Familienvater. Ich stellte mir vor, wie schrecklich es sein muss, die eigene Familie nicht beschützen und versorgen zu können. Ich unterstütze Eremias, damit er möglichst schnell selbstständig wird. Die vielen Anträge und Behördengänge sind mühsam, aber jedes Dokument bringt uns ein Stück vorwärts. Er hat Aussicht auf eine Arbeitsstelle als Küchenhilfe in einem Hotel. Der Arbeitgeber würde ihm eine Dienstwohnung zur Verfügung stellen. Das wäre ein großer Fortschritt.
Als ich sah, wie Eremias in der Flüchtlingsunterkunft lebt, lud ich ihn zu uns ein. Anfangs behandelten wir ihn wie einen Gast. Er sollte sich einfach nur wohlfühlen. Aber wir merkten, dass er helfen will. Er will kein Gast sein, er möchte eher ein Hausfreund sein. Er ist sehr hilfsbereit. Also packt er im Garten mit an. Beim Rasenmähen erwischt er manchmal die Pflanzen meiner Frau. Jetzt stellt sie bunte Plastikhütchen hin, damit er weiß, was stehen bleiben soll. Wir lernen, die Dinge nicht zu eng zu sehen. Wenn etwas kaputtgeht oder misslingt, dann ist es so. Wir kauften für ihn Wäsche, aber er bestand darauf, sie selbst zu bezahlen. Ich muss lernen, ihn nicht zu betüddeln oder zu bedrängen.
„Immer wieder schreibt er RIP unter die Bilder“
Manchmal mache ich mir Sorgen, dass ihn unser Familienleben erst recht traurig macht. Als meine Schwiegereltern zu Besuch waren, suchte er den Kontakt zu meiner Schwiegermutter. Seine Großfamilie fehlt ihm und es scheint ihn zu trösten, dass er bei uns Anschluss hat.
Meine Söhne spielen gern mit Nerfs, diesen Spielzeugwaffen, die Schaumstoffpfeile abschießen. Durch Eremias verstehen sie, wie schrecklich Krieg und Flucht sind. Jetzt sind sie in einem Alter, in dem Shooter Games interessant werden. Sie sind sensibler geworden und lehnen die Spiele ab, die zu realistisch sind. Eremias zeigt uns die neuesten Fotos seiner Familie, spielt eritreische Musik vor oder wir suchen auf Google Earth sein Heimathaus. Er versucht, uns mit in seine Welt zu nehmen. Aber er erzählt nur wenig von seiner Flucht und was er in den unterschiedlichen Camps erlebt hat. Als katholischer Christ wurde er von Andersgläubigen schikaniert. Seine Art, den Glauben zu leben, hat mich sehr berührt. Auf Facebook teilt er immer wieder Traueranzeigen von Freunden aus seiner Heimat. RIP. Immer wieder schreibt er RIP unter die Bilder. Eremias lebt mit so viel Zerbruch, dass mir meine Probleme ganz klein erscheinen. Wir beten mit ihm. Meine Kinder spüren auch die Traurigkeit in ihm.
„Die Freundschaft macht uns bescheidener“
Eremias lädt uns auch zu sich ein. Dann hocken wir in dem kleinen Zimmer zwischen den anderen Männern. Er hat für uns gekocht und ist stolz, uns zu bewirten. Das Essen sieht seltsam aus. Ich kann die Zutaten nicht erkennen, aber es schmeckt erstaunlich gut. Mein ältester Sohn liebt die scharfen Speisen. Den Kindern gefällt es, dass sie mit den Händen essen dürfen. Sie stippen Fladenbrot in Soßen und dicke Suppen. Wenn mir das Essen zu scharf ist und ich einen roten Kopf bekomme, lachen die Männer.
Es ist schön, mit Eremias etwas zu unternehmen, das er nicht kennt. Wir sind mit ihm in die Berge gefahren, gingen ins Konzert und besuchten ein Schwimmbad mit Sprungturm. Dadurch entdecken auch wir immer etwas Neues. Nichts ist selbstverständlich. Es macht uns bescheidener. Die Freundschaft zu Eremias hat mir gezeigt, wie kostbar Familie ist. Die besten Träume und Wünsche nützen nichts, wenn man nicht in Frieden leben darf.
Protokoll: Susanne Ospelkaus
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