Beiträge

Mannsein: Bist du der Mann, der du sein willst?

Was bedeutet es eigentlich, Mann zu sein? Was für ein Mann möchte ich werden? Moor Jovanovski gibt sechs Ratschläge, die dabei helfen, ein authentiches Mannsein zu leben.

Was willst du mal werden, wenn du groß bist?“ Diese Frage stellen wir oft kleinen Kindern, weil wir wissen möchten, welche Vorstellungen sie haben. Und dann bekommt man herzerfrischende und ungefilterte Antworten. Zwar sind diese oft wenig realistisch, aber sie geben etwas von der Persönlichkeit und dem Charakter der Kinder preis. Im Laufe des Erwachsenwerdens verblassen die Träume und die berufliche Karriere beginnt unter anderen Gesichtspunkten als dem des Träumens.

Die Frage bleibt spannend: „Was willst du werden?“ Um es noch greifbarer zu machen, hilft ein Perspektivwechsel in die Zukunft. Stell dir dich selbst in zehn oder zwanzig Jahren vor und frage dich: „Bist du der geworden, der du werden wolltest?“ Warum diese Frage wichtig ist? Weil sie über deine Zufriedenheit im Leben entscheidet. Es ist nicht der Besitz und auch nicht der Erfolg, der einen Menschen glücklich macht, sondern das Wissen, dass man mit sich schlüssig ist.

Mannsein? Person vor Position

Das gilt genauso für das Mannsein. Früher wollte man vielleicht ein Superheld werden und die Welt retten. Und dann findet man sich in einem Büro oder auf dem Bau wieder. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber definieren Berufsbilder auch das Sein? Ich bin überzeugt, dass man aus einer versöhnten und geklärten inneren Welt heraus sein Leben gestalten kann. Man ist zuallererst eine Person, und dann kommt der Rest. Bei der Frage, welcher Mann ich sein will, sollte ich nicht die Antwort in Rollen und beruflichen Positionen suchen, denn davon hängt meine männliche Identität nicht ab. Jobs und Positionen verändern sich. Was bleibt, ist immer man selbst. Es ist gut, sich mit seinem Tun zu identifizieren, aber das stiftet nicht Identität, sondern die Identität bestimmt, was ich tue.

Die Werte, die mich als Mann ausmachen, muss ich mir eigenständig und zweckfrei erhalten. Da es viele Vorstellungen und Klischees in Sachen Mannsein gibt, stehe ich als Mann hier vor einer Herausforderung: Was für ein Mann bin ich eigentlich? Und will ich wirklich so sein? Ich möchte es gleich auf den Punkt bringen: Das ist keine Aufgabe, die ich allein lösen muss. Zunächst muss ich mir vor Augen halten, dass es immer um ein Werden geht und nicht um Ergebnisse.

Für dieses Werden möchte ich sechs Hinweise geben, die dir dabei helfen können, dich in deinem Sein weiterzuentwickeln.

1. Behüte dein Herz!

Das Herz ist die Quelle von Charakter und Persönlichkeit. Das stellt König Salomo im biblischen Buch der Sprüche Kapitel 4 Vers 23 fest: „Vor allem aber behüte dein Herz, denn dein Herz beeinflusst dein ganzes Leben.“ Das Herz ist aber auch ein sehr komplexer und paradoxer Ort: Man kann lieben und hassen, man kann großherzig und neidisch, freigiebig und geizig sein. Und all das sprudelt aus derselben Quelle. Man gestaltet seine Welt von innen nach außen. Aus diesem Grund solltest du darauf achten, was in deinem Herzen Raum haben darf und was du ändern solltest. Das hilft auch dabei, dir darüber klar zu werden, wer du eigentlich sein möchtest. Ein Herz voller Gier, Geiz oder Hass bringt keine Freude hervor. Aber Liebe, Zuwendung und Wohlwollen wirken positiv auf dich und dein Umfeld. Daher gilt für dein Mannsein: Was du bist und wie du lebst, beginnt in deinem Herzen.

2. Lass Wunden heilen!

Es ist für Männer nicht leicht, über Verletzungen und Schmerz zu sprechen. Sich mit Kränkungen oder verwundeten Emotionen auseinanderzusetzen, wirkt verweichlicht. Aus diesem Grund verdrängen wir Schmerz und Wunden oder ignorieren sie. Viele Männer haben mir gesagt, dass sie Angst haben, sich diesen Themen zu stellen, weil sie in ihrer Wahrnehmung dann Schwäche zeigen würden. Diese Schwächen würden von anderen ausgenutzt, und man gehöre automatisch zu den Verlierern. Mannsein bedeutet schließlich, stark zu sein, alles im Griff zu haben und alles rational abzuarbeiten. Und doch berichten mir dieselben Männer, dass sie mit Minderwertigkeit, Versagensängsten, Neid, Hass und anderen Gefühlen zu kämpfen haben. Verletzungen und Lebenslügen wie „Das schaffst du nie!“ oder „Aus dir wird nie etwas!“ haben sie fest im Griff.

Ich kenne das aus meinem Leben. Es gibt Wunden, die mir wehtun und mich abwerten. Ich kenne das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit, weil ich lange Zeit keine väterliche Bestätigung und Unterstützung bekommen habe. Das ist ein tiefsitzender Schmerz, der mich immer wieder in Übertreibungen geführt hat. Ich habe mich entweder isoliert oder besonders hart gearbeitet, um der Beste zu sein. Doch mit beiden Strategien habe ich mich unnahbar für meine Mitmenschen gemacht.

Wenn man sich seinem Schmerz nicht stellt, wird die Wunde immer größer. Als ich anfing, mich meinem Schmerz zu stellen, begann die Heilung. Wenn du deine Wunden kennst, findest du heraus, was Heilung verschafft. Und wie du bei äußerlichen Wunden zum Arzt gehst, darfst du auch bei inneren Wunden Hilfe suchen. Das kann ein Seelsorger, ein Therapeut, ein enger Freund oder ein väterlicher Mentor sein. Mit dem Benennen des Schmerzes kann die Gesundung beginnen.

3. Mannsein ohne Masken

Masken zu tragen, kann eine Reaktion auf äußere Einflüsse sein. Man will den Schein wahren oder sich besonders gut darstellen. Oft dienen sie als Verstecke, um nicht aufzufallen oder eigene Fehler zu kaschieren. Integrität ist ein wichtiges Thema, nicht nur in sozialer Interaktion, sondern eben auch in der Persönlichkeitsentwicklung. Echt zu sein ist immer besser, als einen Schein zu wahren. Masken fallen irgendwann sowieso. Und dann ist alles, was man sich aufgebaut hat, wie Sand, der durch die Finger rinnt.

In Psalm 139 schreibt David einen Satz, der die Einzigartigkeit seines Seins unterstreicht. Im Vers 14 heißt es: „Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiß ich wohl.“ Und das ist auch eine wunderbare Aussage der Sicht Gottes auf uns Menschen. Diese Aussage hilft dir, dein Mannsein zu definieren, weil du wissen darfst, dass du nicht jemand anderes sein musst.

Im gleichen Psalm ist aber auch von einer Demaskierung die Rede – David bittet Gott darum, sein Herz zu prüfen: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Zeige mir, wenn ich auf falschen Wegen gehe und führe mich den Weg zum ewigen Leben“ (Vers 23-24). Jeder von uns kann auf Holzwegen unterwegs sein. Ein ehrlicher Moment mit sich und Gott ist ein Moment der Demaskierung und auch der Befreiung. Man muss eben kein Theater spielen, um jemand zu sein.

4. Finde einen Mentor!

Nicht jeder hat ein positives Vaterbild. Aber jeder hat hoffentlich schon mal die Erfahrung gemacht, wie befreiend es ist, einem Menschen zu begegnen, der wirklich an einen glaubt. Ich erinnere mich an ein einschneidendes Erlebnis in meiner Jugend: Mein Fußballtrainer war ein Choleriker. Mein Co-Trainer war das Gegenteil: leise, besonnen, ermutigend und motivierend. Wenn mein Trainer mich anschrie, um mich zu besseren Leistungen zu peitschen, gelang mir erst recht nichts. Wenn mich mein Co-Trainer nach dem Training oder Spiel ansprach, meine gelungenen Spielaktionen unterstrich und mir Verbesserungsvorschläge mitgab, entfesselte mich das regelrecht. Mein Spiel und mein Talent kamen wesentlich besser zum Tragen und verhalfen mir zu einer stabilen Entwicklung.

Das meine ich mit einem väterlichen Mentor: Ein Mann, zu dem ich aufsehen kann, weil er mich respektiert und an mich glaubt. Der weiß, was ich zu lernen habe und wo ich mich noch entwickeln muss, der aber dabei nicht übersieht, wer ich schon bin und was ich schon kann. Nach solch einem väterlichen Mentor halte Ausschau, weil es dein Weg zum Mannsein stärkt. Randnotiz: Halte es für möglich, dass auch du ein Mentor für andere sein kannst!

5. Investiere in förderliche Freundschaften!

Bekannte hat man viele, aber Freunde nur wenige. Echte Freunde erkennst du daran, dass sie zur Familie werden. Sie sind da, wenn du sie brauchst – wie ein Bruder, der mit dir durch Freud und Leid geht. Ihre Liebe ist unverfälscht und selbstlos und immer ist Verlass auf sie. Wenn alles zusammenbricht, bleiben sie stabil. Klingt das zu schön, um wahr zu sein? In Sprüche 17,17 heißt es: „Auf einen Freund kann man sich immer verlassen, und ein Bruder ist dazu da, dass man einen Helfer in der Not hat.“

Es gehört zu meinen wertvollsten Schätzen, dass ich solche Männer in meinem Leben haben darf. Aber diese Art der Bruderschaft bedarf der Investition. Es braucht Zeit, Engagement, Willen und Aufrichtigkeit. Jeder von uns begegnet im Leben Männern, mit denen eine solche Freundschaft möglich ist. Ich kann dir versichern, dass es sich lohnt, darein zu investieren. Nicht nur, weil es eine Stütze ist, sondern auch weil diese brüderlichen Freunde schonungslos ehrlich mit dir sind. Sie sprechen unbequeme Wahrheiten aus. Freunde können streiten und diskutieren, ohne abzuwerten. Sie hinterfragen und ermutigen dazu, festgefahrene Meinungen nochmal zu überdenken. Und sie halten dich, wenn du weinst oder am Ende bist. Sie gehen nicht, selbst wenn alle anderen gehen. Investition in so eine freundschaftliche Bruderschaft fördert das eigene Mannsein.

6. Sei du selbst!

Du hast allen Grund, du selbst zu sein. Kopieren ist nicht nötig!

Moor Jovanovski ist Pastor, Redner und Berater.

„Ich bin gut“ – Wie wir ein positives Selbstbild entwickeln

Ein positiver Blick auf uns selbst fällt oft schwer. Aber von Kindern können wir lernen, wie das geht.

Mein Sohn Dennis war drei Jahre alt, als er mit einem einzigen Satz mein Weltbild ins Wanken brachte. Wir Eltern saßen auf dem Sofa. Dennis lief strahlend an uns vorbei, hatte den Schalk in den Augen und sprach: „Ich bin gut.“ Er sagte das mit viel Freude, ohne jeden Anflug von Zweifel, mit Selbstvertrauen und Spaß an sich selbst. Es ging ihm nicht darum, unsere Bestätigung zu bekommen. Er wollte uns diese Tatsache einfach nur mitteilen und uns an seiner Freude teilhaben lassen.

Da saßen wir pädagogisch geschulten Eltern nun, sahen uns an, und da war sie, unsere neue Aufgabe für die nächsten 15 Jahre. Wir waren uns einig, dass wir dieses wunderbare Selbstwertgefühl so gut wie möglich beschützen und auf uns selbst aufpassen wollen, damit wir es nicht zerstören.

Nicht rumziehen

Mir war der Begriff „Erziehung“ schon immer suspekt und unangenehm. Er hat für mich etwas von „geradeziehen“ oder „in eine Form ziehen“. Dieses Kind brauchte nicht „erzogen“ werden, es war gut so, wie es war. Ich habe mich also nicht mehr von pädagogischen Konzepten inspirieren lassen, wohl aber davon leiten lassen, dass es in jeder Gruppe, in jedem Zusammenleben Regeln geben muss. Diese Regeln kamen von uns Eltern, zunehmend in Absprache mit unserem Sohn. Und hin und wieder war eine klare Ansage nötig. Wir haben, wie alle Eltern, natürlich auch Fehler gemacht. Aber niemals hatte ich Zweifel an Dennis‘ Aussage „Ich bin gut“, niemals die Vorstellung, ich sollte dieses Kind irgendwie besser machen, an ihm rumziehen. Dennis hat mir mit seinen drei Jahren den Weg gewiesen.

Ich frage mich, ob wir alle so sind in diesem Alter, so eins mit uns selbst, so einverstanden mit uns – und wann es beginnt, dass sich Unsicherheit und Selbstzweifel breitmachen. In frühen Fotos meiner Kindheit habe ich geforscht, ob in meinem Gesicht, meiner Haltung auch so ein spitzbübisches Leuchten zu finden ist. Auf einem Foto habe ich es tatsächlich entdeckt.

Einverstanden mit uns selbst

Warum ändert sich das so schnell? Welchen Einflüssen sind wir ausgesetzt? Ich denke, ein Elend ist die dauernde Bewertung und Benotung, denen Kinder ausgesetzt sind. Davor konnte ich auch Dennis nicht beschützen. Und ich habe den Eindruck, es wird immer schlimmer. Der Einfluss der sozialen Medien kommt in den letzten Jahren noch erschwerend hinzu.

Wäre es nicht großartig, wenn wir auch im Erwachsenenleben fröhlich und selbstbewusst „Ich bin gut“ sagen könnten oder etwas ähnlich Positives? Und wenn wir das auch dürften, würde es uns nicht schwerfallen, wäre es nicht peinlich und es würde von unseren Mitmenschen nicht als großspurig oder arrogant bewertet werden. Es wäre eine schlichte Selbstverständlichkeit und der Ausdruck unseres Einverstandenseins mit uns selbst.

Dennis kann das übrigens als erwachsener Mann immer noch: „Ich bin gut in dem, was ich mache.“ Da muss ich immer lächeln und erinnere mich an die Szene vor vielen Jahren, die mir so deutlich in Erinnerung geblieben ist und mein Denken und Handeln beeinflusst hat.

Renate Schwertel ist als Dozentin für eine Software und in der Erwachsenenbildung tätig. Sie lebt mit ihrem Mann und einem ihrer Söhne im Taunus.