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Will mein Kind sich umbringen?

„Meine Tochter (6) droht mir manchmal an, sich umzubringen, wenn ich etwas von ihr verlange, sie es aber nicht tun will. Wie ernst muss ich solche Androhungen nehmen, und was kann ich dagegen tun?“

Wenn ein Kind damit droht, sich umzubringen, ist das für Eltern sicherlich erschreckend und verunsichernd. Auch wenn Selbstmorde bei Kindern unter zehn Jahren so gut wie nie vorkommen, sollte man diese Aussage nicht ignorieren, sondern sich genauer anschauen, was dahintersteckt.

Merkmale einer kindlichen Depression

Um diese Aussage zunächst besser einordnen zu können, sollte man mit seinem Kind darüber sprechen. Was versteht es darunter, sich umbringen zu wollen? Hat es eine Vorstellung davon oder hat es diesen Satz irgendwo gehört und merkt, dass es damit Aufgaben vermeiden kann, die es nicht ausführen möchte? Nehmen Sie sich Zeit, in Ruhe mit Ihrem Kind darüber zu sprechen. Zudem ist es wichtig zu beobachten, in welchen Situationen Kinder davon sprechen, sich das Leben nehmen zu wollen. Sagen sie dies nur in Situationen, in denen sie eine Aufgabe vermeiden möchten, oder sagen sie dies auch in anderen Situationen?

Wenn man das Gefühl hat, das Kind ist insgesamt trauriger, dann sollte dem weiter nachgegangen werden. Eine kindliche Depression äußert sich häufig in anderen Symptomen als im Erwachsenenalter und wird daher nicht immer direkt erkannt. So geben Kinder mit einer depressiven Verstimmung oftmals eher körperliche Beschwerden an. Zudem zeigen sie weniger Begeisterungsfähigkeit, manchmal wirken sie in sich gekehrt. Manchmal wirken sie jedoch auch unruhiger oder zeigen vermehrt aggressives Verhalten. Sollte Ihr Kind Symptome einer kindlichen Depression zeigen und in verschiedenen Situationen davon sprechen, sich umbringen zu wollen, dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Ruf nach Aufmerksamkeit

Des Weiteren sollte man überlegen, ob es sich bei dieser Androhung um einen Ruf nach Aufmerksamkeit handeln könnte. Vielleicht gibt es Geschwister oder andere Aufgaben, die viel Aufmerksamkeit einfordern und die sechsjährige Tochter hat zurzeit das Gefühl, etwas zu kurz zu kommen? Nehmen Sie sich bewusst Zeit für das einzelne Kind und überlegen Sie, was Ihrer Tochter guttut. Welche Sprache der Liebe spricht dieses Kind? Eine Idee könnte eine spezielle Mama-Tochter-Zeit oder Papa-Tochter-Zeit sein. Dies können jeden Tag fünf Minuten sein oder auch regelmäßig längere Aktionen. Ihr Kind wird sich über diese positiven Zeiten der vollen Aufmerksamkeit freuen und die Einzelzuwendung genießen. In solchen Zeiten können Kinder gezielt Liebe und Aufmerksamkeit auftanken, die sie dann weniger über negatives Verhalten einfordern brauchen.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind den Satz nur gezielt dazu einsetzt, um Aufgaben zu vermeiden, dann sollten Sie darauf achten, dass Ihr Kind damit nicht durchkommt. Es sollte trotzdem seine Aufgabe erledigen. Gehen Sie in der Konfliktsituation am besten nicht darauf ein und bleiben Sie konsequent. Dann wird Ihr Kind lernen, dass es keinen Sinn hat, Sie unter Druck zu setzen, und dieses Verhalten nicht mehr zeigen.

Anna Post ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.

Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Frankfurt.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Mit der Checkliste zur Traumfrau

Nach dem Tod seiner Frau sucht Franz nach einer neuen Partnerin anhand einer Liste mit 30 Punkten und findet Andrea.

Die Lebensgeschichte der Lermers liest sich wie ein Roman, bei dem der Autor arg dick aufgetragen hat. Das passt doch alles gar nicht in zwei Leben! Nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau sucht Franz in einer besonders trüben Stunde nach einer neuen Partnerin anhand einer Liste mit 30 Punkten – Eigenschaften, die seine Traumfrau erfüllen soll. Und er findet Andrea auf einer Internetplattform. Auch sie ist schwer vom Leben gebeutelt. Sie hat eine katastrophale Ehe hinter sich, in der sie Missbrauch und Gewalt erlebt hat. Die Verbindung endete mit dem Selbstmord des Ehemannes.

Heute leben Andrea und Franz Lermer zusammen mit ihren vier Kindern als Patchworkfamilie in Sachsen und betreiben eine Landwirtschaft mit Westernflair. Ihre Seminare auf der Ranch sind immer ausgebucht, obwohl sie keine Werbung dafür machen und obwohl man dort weder Reiten noch Lassowerfen lernen kann. Denn eigentlich wollen sie vor allem von Jesus erzählen – mitten im säkularisierten Osten, wo sich drei Viertel der Bevölkerung keiner Religion zugehörig fühlen.

Christof Klenk hat die Lermers in Hainichen besucht.

Leute öffnen sich

Sie sind beide verwitwet, haben heftige Schicksalsschläge erlebt und bieten Seminare mit dem Titel „Heil und gesund“ an. Inwiefern helfen Ihre Erfahrungen da?

Franz: Das ist unser Kapital. Viele fühlen sich völlig unverstanden in ihrer Situation, kommen zu uns und merken: Hier versteht mich doch jemand. Vielleicht haben sie Missbrauch erlebt wie Andrea. Vielleicht finden sie sich in den wirtschaftlichen Geschichten wieder, die ich erlebt habe.

Andrea: Wir erleben, dass sich Leute öffnen können, weil sie sagen: Ich habe fast die gleiche Geschichte. Manchmal erzählen sie uns Dinge, die sie nicht mal ihren Psychiatern erzählen. Manchmal wissen sie auch gar nicht, warum sie solche Schwierigkeiten im Leben haben.

Und was bieten Sie ihnen an?

Franz: Viele Leute suchen Heilung. Wir sind keine Therapeuten, keine Seelsorger, sondern für die Leute da. Wir raten niemandem ab, zum Arzt oder Therapeuten zu gehen. Unsere Seminare dauern eineinhalb bis drei Tage, in denen wir als Christen von uns erzählen und was wir mit Gott erlebt haben. Wir beten auch für die Menschen – und erleben, dass Gott handelt.

Andrea: Ich war am Anfang total hilflos, wenn die Leute anfingen, ihre Geschichte zu erzählen. Ich hatte keine Lösung für ihre Situation und habe gemerkt: Das kann ich gar nicht tragen. Dann haben wir angefangen, für die Menschen zu beten – und für Gott gab es eine Lösung.

In jedem steckt ein Cowboy

Welche Rolle spielen die Pferde und eure Ranch in dem Prozess?

Franz: Das gehört zu unserer Geschichte. Wir züchten Pferde und verkaufen sie; das ist unser Hobby. Wir haben eine Landwirtschaft, wo wir Black Angus-Rinder züchten. Das ist unser Flair, und die Leute finden es toll. Die Atmosphäre wirkt entspannend. Am Anfang haben wir versucht, die Pferde mit einer therapeutischen Rolle einzubeziehen. Das lenkt aber eher ab von dem, was uns wichtig ist.

Andrea: Bei den Seminaren haben wir den Stall immer geöffnet. Man kann die Pferde streicheln, wir bieten aber kein Reiten an.

Franz: Über dem Stall haben wir einen Saloon. Das ist unser Veranstaltungsaal, in den 100 Leute reinpassen. Dort machen wir unsere Seminare. Diese Umgebung holt die Leute ab. Wir dachten am Anfang, dass sie das möglicherweise doof finden, aber scheinbar steckt ein Cowboy in jedem.

Andrea: Uns gefällt das. Wenn wir irgendwo ohne Hut hinkommen, dann sagen die Leute manchmal: „Habt ihr den Hut nicht dabei?“

Als ihr euch kennengelernt habt, hattet ihr beide eine schwere Geschichte hinter euch. Hat euch das verbunden?

Andrea: Am Anfang hat es uns schon verbunden, dass wir beide unsere Partner verloren hatten und in einer ähnlichen Situation steckten. Man fühlte sich verstanden. Wir konnten uns über Vieles austauschen.

Franz: Trotzdem hätte auch alles schief gehen können, gerade mit den Kindern. Wir kennen so viele Geschichten, die so sind wie unsere, bei denen es überhaupt nicht funktioniert hat. Patchwork – das ist für viele die Hölle.

Und könnt ihr erklären, warum es bei euch funktioniert?

Franz: Die einzige Erklärung, die ich abgeben könnte, wäre unsere Kennenlerngeschichte. Ich habe meinen Kindern ein Bild von Andrea gezeigt und die waren überzeugt, dass sie sie bereits kennen. Bei Andreas Eltern und Kindern war’s genauso, als sie ein Bild von mir sahen. Da sind wir in eine offene Tür reingefallen. Unsere Kinder waren damals 9, 12, 13 und 16.

Andrea: Die Kinder von Franz haben mich sehr schnell gefragt: „Kann ich zu dir Mama sagen?“ Da bin ich fast vom Stuhl gefallen.

Franz: Und wir haben über die Jahre in dem Bewusstsein gelebt, dass sich das auch noch mal ändern kann; aber jetzt sind es mehr als zehn Jahre.

Unerträglicher Schmerz

Konntet ihr euch in dem Trauerprozess helfen?

Andrea: Als wir uns kennengelernt haben, war der Trauerprozess noch nicht abgeschlossen.

Franz: Wir haben uns vier Monate nach dem Tod unserer Ehepartner kennengelernt.

Andrea: Wir haben viel gesprochen, gefragt: „Wie geht es dir?“ und haben das ausgewertet. Es war übernatürliche Heilung, das kann ich nicht anders sagen.

Franz: Ich hatte nach dem Tod meiner Frau das Gefühl, dass ich auf der Brust eine blutende Wunde habe, ein unerträglicher Schmerz. In einem Bild: Wie ein riesiger Haufen Sand vor der Tür, der wegmuss. Du kannst das Ding ignorieren und auf 50 Jahre verteilt wegschaufeln, aber so lange klebst du auch daran fest. Ich habe mich schnell da durchgewühlt, geschaufelt wie ein Kaputter und bin durch den Trauerprozess gegangen.

Und was bedeutet das Schaufeln …?

Franz: Sich damit konfrontieren, auseinandersetzen, drüber nachdenken, das zulassen.

Andrea: Es ist so: Der Partner ist plötzlich weg. Die Welt dreht sich aber weiter. Du hast alles noch an der Backe. Das Leben hört nicht auf deswegen. Und dann ist die Frage: Wie machst du jetzt weiter?

Franz: Wir raten den Leuten davon ab, das Gedenken an den Verstorbenen ständig am Leben zu erhalten. Der Tod geht knallhart mit dir um. Wir empfehlen den Leuten darum: „Entferne dich bewusst davon, lass los, geh in dein neues Leben!“ Du kannst auch entscheiden, daran festzuhalten. Aber dann wird es dich immer begleiten. Und wenn du eine neue Beziehung hast, dann hat der alte Partner dort nichts mehr zu suchen. Das tut nicht gut.

Andrea: Ich musste immer wieder dagegen ankämpfen, dass ich mir keine Selbstvorwürfe mache. Wenn sich der Partner umgebracht hat, dann fängt man an, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Da musste ich loslassen und mir klar machen, dass das nicht meine Verantwortung war.

Der eigene Mann am Strick

Bevor Ihr Mann sich umbrachte, waren Sie mit den Kindern zu Ihren Eltern geflüchtet, weil Ihr Partner Sie geschlagen hatte. Kann man da überhaupt trauern?

Andrea: Am Anfang schon. Ich hatte mir zwar immer wieder gewünscht, dass ich aus dieser Beziehung rauskomme, aber wenn man dann den Partner am Strick hängen sieht, dann ist es nochmal was ganz Anderes.

Franz: Man könnte sagen: Du hast, egal was vorher war, eine „Best of“-Sammlung von Erinnerungen.

Andrea: Das fängt automatisch an. Man versucht sich an die wenigen schönen Situationen zu erinnern. Da gibt es schon einen massiven Trauerprozess. Später hat sich das umgewandelt in Wut und Anklage; das musste ich Stück für Stück bearbeiten.

Viele tun sich schwer damit, sich nochmals auf eine neue Beziehung und ein neues Umfeld einzulassen. Was war für euch ausschlaggebend für diesen Schritt?

Andrea: Ich glaube, das war Gottes Reden damals. Das, was wir gemacht haben, war ganz schön waghalsig. Ich habe meinen Job aufgegeben, meine Wohnung gekündigt, bin mit zwei Kindern hierhergezogen. Das hätte alles super schiefgehen können.

Franz: Wir haben gemerkt, dass wir uns nach einer dauerhaften, langfristigen Beziehung sehnen. Das ist eine Grundsehnsucht. Die Frage ist nur, welche Erfahrungen man gemacht hat. Das ist völlig unterschiedlich. Wir haben eine Menge Paare in unseren Seminaren, die richtig um ihre Ehe kämpfen. In einem Seminar war das besonders krass: Da kamen sechs Ehepaare – die Partner sind zum Teil getrennt angereist – und alle sechs Paare haben erzählt, dass sie sich auf diesem Seminar versöhnt haben. Sie haben sogar Scheidungstermine abgesagt … unglaublich, was da passiert ist!

Uns beiden hilft unsere „Bubble-Time“. Wir erzählen davon in unseren Seminaren: Seit fünf, sechs Jahren setzen wir beide uns jeden Tag in der Früh zusammen und tauschen uns aus: „Wie geht es dir emotional, geistlich, wie geht’s dir körperlich und mit deiner Sexualität?“ Und versuchen dadurch immer wieder eine Einheit als Paar zu finden.

So eine „Bubble-Time“ hat vier Fragen, habe ich gelernt …

Franz:  Ja. Wir stehen so früh auf, wie es notwendig ist. Und dann sagen wir uns etwa: „Ich fühle mich geliebt“, das heißt: Es ist alles gut. Meine Liebestanks sind voll. Das miteinander abzuchecken, halten wir für hilfreich.

Andrea: Ich bin der Umarmungstyp. Er schenkt mir den ganzen Tag Aufmerksamkeit, aber …

Franz: … Ich mag das schon, denke aber nicht immer dran. Für mich ist es viel wichtiger, dass du da bist.

Andrea: Ich habe dann erwähnt, dass ich mir eine Umarmung wünsche. Er hat darauf gesagt: „Mensch, das habe ich gar nicht auf dem Schirm.“ Wir haben uns kleine Hilfestellungen gegeben. Er hat beispielsweise gesagt: „Pass auf, dann umarme ich dich jetzt dreimal.“ Das hört sich jetzt dumm an, daraus ist aber was Tolles entstanden.

Franz: Bubble kommt von Seifenblase. Die Einheit, um die es da geht, ist so empfindlich wie eine Seifenblase. Ein doofer Blick kann unsere Einheit zerstören.

Die Liste

Frau Lermer, wie haben Sie es geschafft nach den Erfahrungen, die Sie gemacht haben, wieder einem Mann zu vertrauen?

Andrea: Wir haben viel miteinander gesprochen. Das ist der Schlüssel gewesen. Natürlich hat mir auch die Liste geholfen, die der Franz geschrieben hat.

Was ist das Besondere an dieser Liste?

Franz: Die Liste beschreibt eine Frau, wie ich sie gesucht habe. Ich hatte nach dem Tod meiner ersten Frau den Eindruck, Gott sagt mir, ich solle eine solche Liste erstellen. Nach 28 Punkten war ich fertig, hatte dann aber noch die Eingebung, zwei Punkte dazu zu schreiben: Pferd und Bauernhof … Dabei hatte ich damals mit beidem gar nichts am Hut! Und nun sitzt die Frau, die ich in der Liste beschrieben habe, eins zu eins hier! Es stimmt alles. Größe, Gewicht, Haarfarbe … Alles passt.

Vielen Dank für das Gespräch!