Kreativität – Was Kinder dazu brauchen
Im Ausleben von Kreativität erleben Kinder Lebensfreude und Erfüllung. Heilpädagogin Sonja Krebs zeigt, warum Kinder dazu einen geschützten Raum brauchen und wie Eltern sie dabei unterstützen können.
Menschen sind von sich aus kreativ. Und wenn ich von Kreativität schreibe, meine ich nicht das Fensterbild aus Tonkarton, ein mit Pinsel gemaltes Bild oder ein musikalisches Wunderwerk. Kreativität ist viel mehr und sichert unser Überleben, da sie Weiterentwicklung, Ausprobieren, Experimentieren beinhaltet. Es ist die Kraft, zu gestalten und schöpferisch zu wirken. Es ist die Kraft, gedanklich in die Weite zu gehen und kreative Lösungen zu finden.
Kreativität gibt Kraft
Kreative Ideen sind gerade in der aktuellen Zeit, angesichts des Klimawandels und Krisen verschiedenster Art, notwendig. Wir sind gefordert, Neues zu denken und zu entwickeln und in die Umsetzung zu kommen. Kreatives Schaffen im Sinne von musischen und künstlerischen Tätigkeiten kann in persönlichen Herausforderungen wirksam unterstützen, Zugang zu eigenen Kraftquellen, Fähigkeiten und Bedürfnissen zu erschließen.
Somit macht es in jeglicher Hinsicht Sinn, Kinder in ihrer Kreativität zu stärken. Denn diese stärkt nicht nur ihre Lebenszuversicht und Resilienz. Aus der Schöpferkraft fließen auch Kraft und Freude für das Leben. Kreativität ermöglicht, aus spielerischer Lebensfreude und Zuversicht heraus vertrauensvoll ins Handeln zu kommen und das Zusammenspiel von eigenem Handeln und Wirksamkeit zu erleben. Diese kann allein oder in der Interaktion mit Mitmenschen geschehen.
Wertschätzend unterstützen
Doch was braucht es im Alltag, damit ein Kind kreativ sein und diese wertvollen Aspekte erleben kann? Erforderlich ist zunächst ein wertschätzender Rahmen. Kinder brauchen Zeit, Wärme und Halt, um sich entfalten zu können. Kreatives Schaffen braucht keine Bewertung von richtig oder falsch, sondern Bestätigung: „Ich sehe dich, ich traue dir zu, dass du voller Ideen steckst, und ich glaube daran, dass du neue Lösungswege finden kannst.“ Das kann beim Malen eines Bildes sein oder bei einer Gesprächsbegleitung im Konflikt mit Mitschülern. Auch hier können kreative Wege gefunden werden: Welche Möglichkeiten habe ich? Was kann ich tun? Auf welche Erfahrungen und Fähigkeiten kann ich zurückgreifen? Was kann ich neu ausprobieren?
Dafür braucht es mein echtes Zutrauen in die Fähigkeiten des Kindes und die Bereitschaft, diese auch gemeinsam freizulegen. Oft sind Kinder verunsichert, weil sie glauben, etwas nicht zu können oder etwas Perfektes schaffen zu müssen. Dadurch wird die Schaffensfreude gehemmt. Darum gilt es, Kinderbilder nicht zu bewerten, sondern wertschätzend zu unterstützen und zum Beispiel gemeinsam herauszufinden, welche Lieblingsstelle das Kind auf seinem Bild findet. Gern darf es erzählen, was es so daran mag. Es geht nicht um das Endprodukt, sondern um die Freude am Kreativsein. Dabei sollten sich Kinder wie Erwachsene nicht vom Lob oder der Kritik anderer abhängig machen, sondern ein Gefühl dafür entwickeln, was für sie stimmig ist und ihnen selbst gefällt.
Sich selbst kennenzulernen, dient im Lebensalltag dazu, eine eigene Meinung und Haltung zu entwickeln und den Selbstwert nicht von anderen abhängig zu machen. Und aus der innigen Verbindung zu mir selbst kann dann eine echte Verbindung zum Gegenüber entstehen.
Alle Sinne aktiv
Der Wald ist ein wunderbares und kreatives Spielfeld. Das Kind kann sich fragen – oder von den Eltern zu Fragen angeregt werden: Welches Bedürfnis habe ich – Ruhe oder Action? Was steht mir zur Verfügung? Benötige ich in der Umsetzung meiner Idee Unterstützer? Baue ich mir eine Hütte oder Wippe oder lege ich mit Naturmaterialien ein Bodenbild? Lege ich mich selbst auf den Waldboden und nehme alles um mich herum wahr und lasse meine Gedanken fantasievoll schweifen? Es gibt viele individuelle Wege, kreativ zu sein. Gerade im Wald sind alle Sinne aktiv und wachsam: Ich sehe, lausche, betrachte, nehme den Duft wahr, nehme meine Bewegung wahr. Ich bin achtsam.
Dasselbe kann zum Beispiel auch beim Malen mit Flüssigfarben oder Rasierschaum geschehen: Das Kind folgt intuitiv seinen Ideen und erprobt spielerisch verschiedene Möglichkeiten seiner Selbstwirksamkeit. Es lernt seinen Handlungsspielraum auf farbenfrohe Art kennen.
Kreativ vor dem Bildschirm?
Aber wie sieht es aus mit Kreativität in Bezug auf Medien und Computerspiele? Hier fällt die bedeutsame ganzheitliche Wahrnehmung mit Bewegung weg. Doch es gibt durchaus Medienmaterial für ältere Kinder, das dazu einlädt, aktiv und kreativ zu werden. Onlineworkshops zum Beispiel können ein inspirierender Anschubser sein, um selbst aktiv zu werden. Bei Spielen wie Minecraft können Welten erbaut werden und Kids sich online begegnen. Man kann auch gemeinsam Filme oder Serien schauen und anschließend überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte oder welche Lösungen es für die Protagonisten gibt. Oder man kann gemeinsam reflektieren, wie Stimmungen mit Licht, Kameraeinstellung und Musik erzeugt wurden.
Wenn wir mit unseren Kindern unterwegs sind, ihre Interessen und Stärken wahrnehmen, sie darin bestärken, gedanklich in die Weite zu gehen und sie darin unterstützen, selbst wirksam zu werden, ist ein guter nährender Boden für Kreativität geschaffen. Und wie wunderbar ist es, dass Gott uns eine Schöpfer- und Gestaltungskraft in vielfältigen Formen geschenkt hat!
Sonja Krebs ist Erzieherin, Heilpädagogin, Resilienztrainerin und systemisch-lösungsorientierte Beraterin (atelier-einmalig.de). Sie lebt in Königswinter.